Der Verzicht auf den Versand von Vordrucken für die Einkommensteuererklärung könnte zu Einsparungen von mehr als 1 Mio. € jährlich führen. Durch eine Optimierung des Versands könnten jährlich Kosten von rd. 350.000 € eingespart werden.
1 Ausgangslage
Die Einkommensteuererklärung ist auf amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben (§ 150 Abs. 1 Abgabenordnung). Die dazu notwendigen Formulare werden zentral durch die Oberfinanzdirektion beschafft und versandt.
Bürger, die ihre Steuererklärungen mit eigener Steuersoftware selbst erstellen oder auf elektronischem Wege beim Finanzamt abgeben, sollen vom Zentralversand ausgenommen werden. Die hierzu erforderlichen Informationen sind daher bei der Bearbeitung solcher Steuererklärungen im DV-System in Form eines sogenannten Ausschlussmerkers zu hinterlegen. Im Rahmen früherer Prüfungen hat die Finanzkontrolle festgestellt, dass diese Informationen nicht in allen Fällen hinterlegt waren.
Der Versandaktion für den Veranlagungszeitraum 2006 lagen - am unterschiedlichen Bedarf der Bürger orientiert - 94 verschiedene Vordrucksätze zugrunde. Insgesamt wurden 1,55 Mio. Vordrucksätze versandt. Die Kosten für den Druck und den Versand beliefen sich auf rd. 1,8 Mio. €.
2 Feststellungen des Staatlichen Rechnungsprüfungsamts Karlsruhe
Die Untersuchung erstreckte sich auf 1.872 Versandfälle bei acht repräsentativ ausgewählten Finanzämtern. Daneben wurden die maßgeblichen landesweiten Datenbestände der Finanzverwaltung ausgewertet.
2.1 Fehlender Ausschlussmerker im DV-System
Bei 12 % der untersuchten Versandfälle hätte ein Ausschluss vom Zentralversand erfolgen müssen, weil die zuletzt durchgeführte Veranlagung nicht auf dem amtlichen Vordruck abgegeben worden war. Eine Information im DV-System, die dies verhindern soll, fehlte. Hochgerechnet auf die Gesamtzahl der Versandfälle hätte deshalb in rd. 180.000 Fällen auf den Versand der Vordrucksätze verzichtet werden können.
Bei durchschnittlichen Kosten für Druck und Versand von insgesamt rd. 1 € je Fall hätten bei einem konsequenten Ausschluss aller geeigneten Fälle Kosten in Höhe von 180.000 € eingespart werden können.
2.2 Zentralversand trotz Ausschlussmerker im DV-System
In weiteren 26.000 Fällen waren die für einen Ausschluss vom Zentralversand notwendigen Informationen zwar im DV-System vorhanden, allerdings nur für das Jahr 2004, weil die Steuerveranlagung für das Jahr 2005 noch nicht durchgeführt worden war. Die DV-Programme haben in diesen Fällen nicht, wie vorgesehen, auf die Daten der Veranlagung 2004 zurückgegriffen. Ein möglicher Ausschluss vom Zentralversand ist daher unterblieben. Bei durchschnittlichen Kosten von rd. 1 € je Fall hätten bei einem Ausschluss dieser Fälle weitere 26.000 € eingespart werden können.
2.3 Unnötiger Versand von Anlagen
In allen 1,55 Mio. Fällen des Zentralversands waren den Vordrucksätzen jeweils vier Einzelvordrucke der Anlage „Kind“ beigefügt. Tatsächlich waren im Veranlagungszeitraum 2005 jedoch lediglich in rd. 550.000 Fällen Kinder zu berücksichtigen. Somit wurden im Zentralversand rd. 1 Mio. Fälle mit insgesamt 4 Mio. Vordrucken der Anlage „Kind“ versorgt, obgleich kein Bedarf bestand. Dadurch wurde ein Mehraufwand von 87.000 € verursacht.
Auch die Anlage zur Erklärung von sonstigen Einkünften (SO) ist in den Vordrucksätzen jeweils in vierfacher Ausfertigung enthalten. Gründe für die vier Anlagen je Vordrucksatz sind nicht ersichtlich. Durch eine bedarfsgerechte Reduzierung des Zentralversands auf jeweils zwei dieser Anlagen können weitere Kosten von 40.000 € eingespart werden.
Die Förderung der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung nach § 10e Einkommensteuergesetz war mittels der speziellen Anlage FW zu beantragen. Damit in Förderfällen dem Vordrucksatz diese Anlage nebst einer schriftlichen Anleitung beigefügt werden konnte, war die hierzu erforderliche Information von den Finanzämtern im DV-System abzulegen. Nach Ablauf des achtjährigen Förderzeitraums war diese Information zu löschen. Die Erhebungen ergaben, dass insgesamt mehr als 600.000 Vordrucke der Anlage FW ohne Bedarf versandt wurden. Kosten von 9.000 € hätten gespart werden können.
2.4 Verfahrensweise anderer Bundesländer
In den vergangenen Jahren haben andere Bundesländer auf den Versand der Steuererklärungsvordrucke verzichtet. Neben den Stadtstaaten waren dies Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und Schleswig-Holstein. In Pressemitteilungen wurden die Steuerbürger über die künftige Verfahrensweise informiert. Diese wurde z. B. in Rheinland-Pfalz mit Einsparungen von 500.000 € begründet. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass die zeitnahe Versorgung der Steuerbürger mit Erklärungsvordrucken sichergestellt sei. Die Vordrucke seien unter anderem bei den Kommunalverwaltungen ausgelegt. Zudem wurde insbesondere auch auf die Verfügbarkeit der Vordrucke im Internet und auf die Möglichkeit der elektronischen Abgabe der Steuererklärung hingewiesen.
3 Bewertung und Empfehlungen
3.1 Verzicht auf den Zentralversand
Die Versandkosten von mehr als 1 Mio. € sollten Anlass geben zu prüfen, ob Baden-Württemberg auf den Zentralversand verzichten kann. Die Beispiele anderer Bundesländer zeigen, dass eine orts- und zeitnahe Versorgung der Bürger mit den erforderlichen Vordrucken auch bei einem Verzicht auf den Zentralversand gewährleistet ist. Schon heute liegen die Vordrucke in den Finanzämtern und teilweise auch bei den Gemeinden aus.
Dieser Verzicht dürfte im Übrigen wohl auch bewirken, dass Steuerbürger ihre Einkommensteuer vermehrt im ELSTER-Verfahren (elektronische Steuererklärung) erklären. Die Steigerung der ELSTER-Quote ist ein vorrangiges Ziel der Verwaltung, um Bearbeitungsaufwand bei den Finanzämtern einzusparen und Fehler durch Medienbrüche zu vermeiden.
3.2 Optimierungsmöglichkeiten
Sollte die Landesverwaltung aus Gründen des Bürgerservice an einem zentralen Versand festhalten wollen, bieten sich Optimierungsmöglichkeiten an.
Die von der Steuerverwaltung vorgesehenen Ausnahmen vom Zentralversand sind sinnvoll. Voraussetzung dafür ist allerdings eine sorgfältige Datenpflege im DV-System der Steuerverwaltung. Soweit Steuererklärungen auf amtlichem Vordruck eingereicht und elektronisch in das DV-System eingelesen werden, sollte programmgesteuert sichergestellt werden, dass ein Versandmerker im DV-System gesetzt wird. Alle übrigen Fälle sollten automatisch mit einem Ausschlussmerker gekennzeichnet werden.
Noch während des Prüfungsverfahrens hat die Verwaltung den Vorschlag der Finanzkontrolle umgesetzt, die Anzahl der Anlagen SO von vier auf zwei Anlagen zu reduzieren.
In Steuerfällen, bei denen in der letzten Veranlagung keine Kinder zu berücksichtigen waren, sollte - zumindest bei den drei wichtigsten Vordrucksätzen - auf die Beifügung der Anlagen „Kind“ verzichtet werden; auf diese drei Vordrucksätze entfallen 80 % der Versandfälle.
Hinsichtlich des Versands der Anlage FW lässt die Auswertung der Datenbestände darauf schließen, dass der Datenpflege bisher zu wenig Bedeutung beigemessen wurde. Bei der nächsten Versandaktion sollte konsequent auf die aktuellen Daten der letzten Einkommensteuerveranlagung abgestellt werden.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Finanzministerium betrachtet den Versand der Vordrucke für die Steuererklärung als Bürgerservice, der beibehalten werden sollte. Gleichwohl habe es die Oberfinanzdirektion gebeten, vor einer neuen Ausschreibung der Versanddienstleistung zu untersuchen, ob die Fortführung des Zentralversands sinnvoll ist. Allerdings sei die Steuerverwaltung insoweit noch bis 2010 vertraglich gebunden. Die Empfehlungen zur Optimierung des Zentralversands seien bereits weitgehend umgesetzt worden.