Die Arbeitslage der Finanzämter bei der Prüfung von Kleinbetrieben hat sich in den vergangenen Jahren zunehmend verschlechtert. Operative Verbesserungen sind erforderlich. Ein weiterer Personalabbau in diesem Bereich sollte vermieden werden.
1 Einführung
Die Außenprüfung ist ein besonderes Verwaltungsverfahren zur Erfüllung der den Finanzämtern obliegenden Aufgabe, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen. Die Amtsbetriebsprüfung ist Teil dieser Außenprüfung. Den Amtsbetriebsprüfungs-Stellen obliegt die Prüfung der gewerblichen sowie der land- und forstwirtschaftlichen Klein- und Kleinstbetriebe , während die Mittel- und Großbetriebe von den Betriebsprüfungs-Hauptstellen geprüft werden. Daneben führt die Amtsbetriebsprüfung in Fällen, bei denen keine regelmäßige Prüfung notwendig scheint, sogenannte abgekürzte Außenprüfungen durch. Bei jedem Veranlagungsfinanzamt des Landes sind Amtsbetriebsprüfungs-Stellen eingerichtet.
2 Umfang und Inhalt der Erhebungen
Der Rechnungshof hat in den vergangenen Jahren die Organisation und Arbeitsweise verschiedener Fachbereiche der Finanzämter untersucht, darunter nahezu sämtliche Prüfungsdienste . Die Arbeitsweise der Amtsbetriebsprüfung wurde bisher noch nicht näher betrachtet.
In die Erhebungen wurden insgesamt 14 Finanzämter einbezogen.
3 Feststellungen
3.1 Materiell-rechtliche Untersuchung
Die materiell-rechtliche Untersuchung durch die Finanzkontrolle umfasste rd. 800 Steuerfälle, bei denen zuvor eine Außenprüfung durch die Amtsbetriebsprüfung erfolgt war. Bei diesen Außenprüfungen wurden Mehrsteuern von insgesamt 4,8 Mio. € erzielt.
Die Untersuchung der Finanzkontrolle ergab - soweit dies nach Aktenlage erkennbar war -, dass 10,3 % der Fälle fehlerhaft bearbeitet worden waren. Allerdings bezifferten sich die finanziellen Auswirkungen dieser Fehler nur auf rd. 117.000 €. Bezogen auf die gesamten Mehrsteuern entspricht dies lediglich einem Anteil von knapp 2,4 %.
3.2 Personalausstattung
Wie sich die tatsächliche Personalausstattung im Vergleich zu den Sollvorgaben ab dem Jahr 2004 entwickelt hat, ist der Abbildung zu entnehmen.

Die Ist-Besetzung lag bis zum Jahr 2005 unter dem Sollwert. Erst nach einer Minderung der Sollbesetzung zum 01.01.2006 um mehr als 20 % und einer weiteren Reduzierung um nochmals 30 Stellen zum 01.01.2007 ist nunmehr ein rechnerischer Überbestand vorhanden. Auch in den kommenden Jahren ist beabsichtigt, das Prüfersoll um jährlich 30 Stellen zu mindern. Es bestehen Zweifel, ob sich die Ermittlung der Sollzahlen an den Erfordernissen der Amtsbetriebsprüfung orientierte oder pauschale Vorgaben zum Personalabbau umgesetzt wurden.
3.3 Zahl der zu prüfenden Betriebe
Die Zahl der von der Amtsbetriebsprüfung zu prüfenden Betriebe hat sich in den Jahren 2002 bis 2006 landesweit um 44.000 (+5,5 %) erhöht. Die Kleinbetriebe haben sich von rd. 120.000 auf rd. 105.000 (-12,2 %) vermindert, wohingegen sich die Zahl der Kleinstbetriebe im selben Zeitraum von rd. 680.000 auf rd. 739.000 (+8,7 %) erhöhte.
3.4 Prüfungsturnus
In der Tabelle 1 wird der landesweite Prüfungsturnus dargestellt, aus dem sich ablesen lässt, in welchen durchschnittlichen Zeitabständen ein Betrieb geprüft wird.

Der Prüfungsturnus hat sich in beiden Größenklassen verschlechtert. Auffällig ist insbesondere, dass die Bandbreite zwischen den Finanzämtern erheblich größer geworden ist.
Ein Vergleich mit den Prüfungsintervallen früherer Jahre verdeutlicht die Dimension der Entwicklung. In den Jahren 1991 und 1992 betrug der Turnus bei den Kleinbetrieben noch jeweils 17 Jahre und bei den Kleinstbetrieben 29 bzw. 36 Jahre. Vor dem Hintergrund dieser - aus heutiger Sicht günstigen - Intervalle hatte der Landtag im Jahr 1993 die Landesregierung ersucht, „der Wiederherstellung der Steuergerechtigkeit in Baden-Württemberg höchste Priorität einzuräumen und … einen Stufenplan vorzulegen, wie bis 1998 die durchschnittlichen Betriebsprüfungsintervalle bei … Klein- und Kleinstbetrieben auf 10 Jahre gesenkt werden können …“ . Die Realität hat sich von diesen Vorstellungen inzwischen sehr weit entfernt. Selbst unter der Annahme, dass etwa die Hälfte der Kleinstbetriebe nicht prüfungswürdig ist , liegt kein annähernd befriedigender Turnus vor. Die Vorgaben des Landtags zur Gleichmäßigkeit der Besteuerung werden damit bei weitem nicht erreicht.
3.5 Finanzielle Ergebnisse
Die seit 2002 insgesamt und je Prüfer festgesetzten Mehrsteuern sind in Tabelle 2 aufgeführt. Ergänzend werden die Werte dargestellt, um die die Amtsbetriebsprüfung die in künftige Jahre vortragsfähigen Verluste gekürzt hat (Verlustkürzungen).

Die landesweit festgesetzten Mehrsteuern sind relativ konstant, dies gilt auch für den Durchschnittsbetrag je Prüfer. Welche Mehrsteuern letztlich aus den Verlustkürzungen resultieren werden, kann nicht vorhergesagt werden. Nach Einschätzung des Rechnungshofs erscheint es aber realistisch, von zusätzlichen Mehrsteuern in Höhe von 25 % der Verlustkürzungen auszugehen.
3.6 Realisierung der ermittelten Mehrsteuern
Die Untersuchung bei den geprüften Finanzämtern hat gezeigt, dass die von der Amtsbetriebsprüfung ermittelten Mehrsteuern mindestens zu 80 % realisiert wurden. Dieser Anteil ist höher als z. B. bei der Steuerfahndung oder der Umsatzsteuer-Prüfung . Zu berücksichtigen ist auch, dass es sich bei den Ergebnissen der Amtsbetriebsprüfung im Wesentlichen nicht um Verlagerungen in andere Veranlagungszeiträume, sondern um echte Mehrsteuern handelt.
3.7 Zahl der Prüfungen
3.7.1 Gesamtzahl der Prüfungen
Während im Jahr 2005 noch rd. 18.500 Prüfungen durchgeführt wurden, waren es im Jahr 2006 nur noch rd. 17.200 Prüfungen, was einen Rückgang von 7,1 % bedeutet. Im Vergleich zum Durchschnittswert der vorangegangenen sechs Jahre hat die Zahl der Prüfungen sogar um 7,7 % abgenommen.
3.7.2 Anteil der abgekürzten Außenprüfungen
Abgekürzte Außenprüfungen dienen der Klärung einzelner zweifelhafter Sachverhalte und betreffen in der Regel punktuell eine Besteuerungsgrundlage.
Der Anteil der abgekürzten Außenprüfungen unterlag in den letzten Jahren relativ hohen Schwankungen, zuletzt erhöhte sich der Anteil von knapp 30 % im Jahr 2005 auf mehr als 36 % im Jahr 2006. Auffallend ist hierbei die erhebliche Bandbreite bei den einzelnen Finanzämtern. So variiert der Anteil an abgekürzten Außenprüfungen im Jahr 2006 zwischen 11,4 % und 65,9 %.
3.8 Mehrergebnis je Prüfung
Das durchschnittliche Mehrergebnis je Prüfung hat sich seit 2000 von 5.760 € um 19 % auf 6.860 € im Jahr 2006 erhöht. Allerdings ist dabei zwischen Vollprüfungen und abgekürzten Außenprüfungen zu differenzieren. Während das durchschnittliche Mehrergebnis bei abgekürzten Außenprüfungen relativ konstant bei 5.000 € blieb, ist dieser Wert bei den Vollprüfungen um 24,6 % auf 7.700 € angestiegen.
3.9 Fälle ohne steuerliches Mehrergebnis
Bei mehr als einem Viertel aller Prüfungen handelt es sich um sogenannte Nullfälle. Bezogen auf die Vollprüfungen betrug die Nullfallquote zuletzt 24,7 %, bei den abgekürzten Außenprüfungen lag dieser Wert bei 36,4 %.
3.10 Fälle mit Verdacht einer Steuerstraftat
Der Anteil der Fälle, bei denen der Verdacht einer Steuerstraftat bestand, hat sich seit 2000 kontinuierlich erhöht und mit einem Anteil von 6,3 % im Jahr 2006 fast verdoppelt. Die Bearbeitung dieser Fälle erforderte im Vergleich zu den übrigen Fällen durchschnittlich den zweifachen Zeitaufwand. Allerdings betrugen die Mehrergebnisse ein Vielfaches dessen, was bei den übrigen Prüfungsfällen erzielt wurde.
4 Kosten-Nutzen-Betrachtung
Die Finanzbehörden haben die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben und grundsätzlich alle für den Einzelfall bedeutsamen Umstände zu berücksichtigen. Hierbei ist jedoch stets der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten. Das Ergebnis einer möglichst gleichmäßigen und korrekten Besteuerung ist daher nicht um jeden Preis herbeizuführen, sondern es muss zudem auf das Verhältnis des voraussichtlichen Arbeitsaufwandes zum steuerlichen Erfolg abgestellt werden. Diese Vorgaben sind auch von den Amtsbetriebsprüfungs-Stellen zu beachten.
Der Rechnungshof hat sich deshalb mit der Frage beschäftigt, in welcher Relation die Kosten der Amtsbetriebsprüfung zu ihrem fiskalischen Nutzen stehen, wobei der Nutzen ausschließlich auf das erzielte finanzielle Mehrergebnis reduziert wurde. Ausgeblendet wurden insoweit die weiteren wichtigen Aufgaben, präventiv zu wirken und die Gleichmäßigkeit der Besteuerung sicher zu stellen.
Ausgehend von der Personalbesetzung zum 01.01.2006 betragen die Personal- und Sachkosten zusammen 37,1 Mio. €. Der Nutzen belief sich im Jahr 2006 auf rd. 92,8 Mio. € . Der fiskalische Nutzen der Amtsbetriebsprüfung liegt somit rd. 2,5-fach höher als deren Kosten.
Dabei ist zu beachten, dass sich der so definierte Nutzen auf den Bund, das Land, die anderen Bundesländer und die Kommunen verteilt, während die Kosten das Land allein trägt. Dieser Effekt darf jedoch aus Rechtsgründen nicht ausschlaggebend sein für die Art des Vollzugs.
5 Ergebnisse und Vorschläge
5.1 Zusammenfassende Bewertung
Die Tätigkeit der Amtsbetriebsprüfung ist ertragreich. Die erhobenen zusätzlichen Steuereinnahmen betragen im Durchschnitt das 2,5-fache der entstandenen Personal- und Sachkosten. Soweit es sich nach Aktenlage beurteilen lässt, kann von einer insgesamt guten Arbeitsqualität der Amtsbetriebsprüfung ausgegangen werden.
5.2 Empfehlungen zur Optimierung
Die Arbeitslage hat sich allerdings in den vergangenen Jahren kontinuierlich verschlechtert. Der Prüfungsturnus entspricht nicht annähernd dem Anliegen des Landtags in seinem Beschluss aus dem Jahre 1993 , einen Prüfungsturnus von 10 Jahren für Klein- und Kleinstbetriebe anzustreben. Daran gemessen ist die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht gewährleistet. Bedenklich sind insbesondere die erheblichen Unterschiede bei den einzelnen Finanzämtern.
Diese Entwicklung wird noch verschärft durch
- die steigende Zahl von Fällen mit Verdacht einer Steuerstraftat,
- eine von allen untersuchten Finanzämtern beschriebene, höhere Konfliktträchtigkeit der Fälle,
- einen erheblichen Anteil von Fällen, bei denen unzureichende Aufzeichnungen und mangelhafte Buchführung die Prüfung erschweren.
Vor dem Hintergrund der Arbeitslage sollte die Landesregierung überprüfen, ob die eingeschlagene Politik der pauschalen Personalkürzung (bis 2010 jährlich 30 Prüfer) angemessen ist. Die Personalpolitik sollte sich nach strategischen Überlegungen richten.
Nach Arbeitslage und derzeitiger Personalausstattung sollte ein weiterer Personalabbau in der Amtsbetriebsprüfung vermieden werden.
5.3 Weitere Vorschläge
Zur weiteren Optimierung der Arbeitsweise hat der Rechnungshof noch im Einzelnen aufgezeigt,
- wie durch eine verbesserte Fallauswahl der Anteil der Nullfälle verringert werden kann,
- dass der Anteil der abgekürzten Außenprüfungen auf etwa ein Drittel begrenzt werden sollte,
- inwieweit die DV-Unterstützung noch verbessert und die Fortbildungsmaßnahmen effektiver gestaltet werden können und
- dass die erkennbaren regionalen Unterschiede beim Anteil der Fälle mit Verdacht einer Steuerstraftat bei der Personalzuweisung berücksichtigt werden sollten.
6 Stellungnahme des Ministeriums
Grundsätzlich keine Einwendungen bestehen zu der Sachdarstellung und der vom Rechnungshof vertretenen Rechtsauffassung.
Allerdings hatte das Finanzministerium im Rahmen des Prüfungsverfahrens einzelne Einwendungen zu den weiteren Vorschlägen (Pkt. 5.3) vorgetragen. Die Erörterungen sind insoweit noch nicht abgeschlossen.