Förderung öffentlicher Tourismuseinrichtungen [Beitrag Nr. 14]

Kommunale Tourismuseinrichtungen, insbesondere Heilbäder, sollten nur dann gefördert werden, wenn sie künftig wirtschaftlich aus eigener Kraft existieren können. Als Grundlage für die Förderung ist ein Konzept zu entwickeln, das Förderschwerpunkte definiert und einen zielgerichteten Einsatz der Mittel ermöglicht. Das Verteilen der Fördermittel ausschließlich nach den Wünschen der Kommunen ist nicht im Interesse des Landes.

1 Ausgangslage

Die Landesregierung misst der Tourismusförderung eine wichtige regional- und strukturpolitische Bedeutung zu. Die Förderung soll eine kontinuierliche Entwicklung des Tourismus in Kur- und Erholungsorten sichern, strukturschwache Gebiete unterstützen und den Erholungs- und Freizeitwert steigern. Die touristischen Ziele im Land konkurrieren mit touristischen Attraktionen im In- und Ausland. Für die Wettbewerbsfähigkeit sei eine kontinuierliche und qualitative Weiterentwicklung der Infrastruktur erforderlich. Die Förderung erfolgt aus Mitteln des Kommunalen Investitionsfonds (KIF).

Die Landesregierung schätzt den Anteil des Tourismus am Bruttoinlandsprodukt auf mehr als 5 %. Die Zahl der Gästeankünfte ist seit 1986 von rd. 10 Millionen auf rd. 15 Millionen im Jahr 2006 gestiegen. Dagegen sinkt die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in den touristischen Zielorten seit einigen Jahren stetig und lag zuletzt im Jahr 2006 bei 2,7 Tagen.

2 Förderkonzept

Nach der Richtlinie des Wirtschaftsministeriums über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung öffentlicher Tourismusinfrastruktureinrichtungen bezwecken die Zuwendungen

  • die Qualitätsverbesserung und Attraktivitätssteigerung,
  • die Stärkung der ökologischen Ausrichtung,
  • die Unterstützung der Entwicklung strukturschwacher Gebiete,
  • die Erhöhung des Erholungs- und Freizeitwertes sowie
  • den Ausbau und die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit.

Insgesamt wurden den Kommunen in den Jahren von 1986 bis 2006 rd. 230,5 Mio. € für den Ausbau der öffentlichen Tourismusinfrastruktur zur Verfügung gestellt und damit Investitionen von knapp 528 Mio. € initiiert. Hinzu kommen die Investitionen, die durch die Pauschalförderung in den Jahren von 1994 bis 1997 ausgelöst wurden.

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Im geprüften Zeitraum von 2002 bis 2006 wurde das jährlich zur Verfügung stehende Bewilligungsvolumen von rd. 8,8 Mio. € auf rd. 4,3 Mio. € reduziert. Insgesamt wurden in diesem Zeitraum rd. 32 Mio. € bewilligt. Damit wurden bei den geförderten Kommunen Investitionen in Höhe von rd. 110 Mio. € initiiert.

3 Prüfungsfeststellungen

3.1 Erfüllung des Förderzwecks

Die in der Förderrichtlinie genannten fünf Förderzwecke (siehe Pkt. 2) sind so offen formuliert, dass darunter fast jedes Vorhaben subsumiert werden kann. So kann z. B. nicht bewertet werden, inwieweit ein gefördertes Vorhaben zu einer konkreten Stärkung der ökologischen Ausrichtung beiträgt. Das Wirtschaftsministerium hat mindestens 19 geförderten Vorhaben eine ökologische Ausrichtung attestiert, darunter auch Aussichtstürmen.

Die Wirkung von Fördermaßnahmen auf den Erholungs- und Freizeitwert sowie auf den Ausbau und die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit ist kaum messbar.

3.2 Einzelfälle

In den Jahren von 2002 bis 2006 wurden 108 Maßnahmen mit einem Bewilligungsvolumen in Höhe von rd. 32 Mio. € gefördert. Davon hat der Rechnungshof 40 Maßnahmen mit einem Fördervolumen in Höhe von rd. 7,3 Mio. €, mithin rd. 22 % des Gesamtfördervolumens, auf ihre ordnungsgemäße Bewilligung und Abrechnung hin näher geprüft.

Die stichprobenweise überprüften Umsetzungen und Abrechnungen von Einzelmaßnahmen waren mehrheitlich nicht zu beanstanden. Gleichwohl war in Einzelfällen festzustellen, dass Teile von geförderten Vorhaben veräußert, nicht förderfähige Kosten abgerechnet oder nicht förderfähige Maßnahmen bewilligt worden waren. Dazu zählen folgende Beispiele:

  • Eine Gemeinde hatte eine Zuwendung in Höhe von 37.500 € erhalten, um von der Uferpromenade Anlegemöglichkeiten für Segeltouristen zu schaffen. Wegen vorzeitigen Maßnahmebeginns und wahrheitswidriger Angaben im Antrag wurde die Zuwendung zurückgefordert.
  • Eine andere Gemeinde hatte eine Zuwendung für verschiedene Maßnahmen im Umfeld eines Bauernhausmuseums in Höhe von rd. 160.000 € erhalten. Diese Maßnahmen dienen nicht überwiegend dem Tourismus und hätten nicht gefördert werden dürfen.
  • Eine weitere Gemeinde hatte eine Zuwendung zur Generalsanierung ihrer Schwimmhalle in Höhe von rd. 188.000 € erhalten. Dieses Projekt hätte nicht gefördert werden dürfen, weil die Schwimmhalle bereits bei der Antragstellung nicht touristisch genutzt wurde.

Im Laufe der Prüfung haben die betroffenen Kommunen insgesamt rd. 114.000 € an die Verwaltung zurückgezahlt. Ein weiteres Rückforderungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.

4 Wirtschaftliche Entwicklungen von Heilbädern

Baden-Württemberg ist das Land mit den meisten anerkannten Kurorten. 57 höher klassifizierte Heilbäder und Kurorte bieten ein vielfältiges Angebot für unterschiedlichste Wünsche und Bedürfnisse. Auf die wirtschaftliche Situation der Heilbäder wirken sich neben konjunkturellen Entwicklungen insbesondere Leistungskürzungen aus den Gesundheitsreformen und das veränderte Nachfrageverhalten der Kunden aus. Dadurch ist die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in den Heilbädern von sechs Tagen in 1998 auf 4,8 Tage im Jahr 2006 gesunken.

Die Heilbäder agieren in einem sich ständig wandelnden Gesundheits- und Tourismusmarkt. Dabei stehen sie im Spannungsfeld zwischen der notwendigen Anpassung ihrer Angebote aufgrund der sich ändernden touristischen und medizinischen Ansprüche und der Finanzierbarkeit notwendiger Renovierungs- und Erweiterungsinvestitionen. Zwar wurden den Heilbädern in den Jahren 2002 bis 2006 insgesamt Zuwendungen in Höhe von rd. 18 Mio. € bewilligt, mithin rd. 56 % der insgesamt bewilligten Fördermittel für Einzelmaßnahmen im Tourismusbereich. Trotzdem besteht ein erheblicher Finanzbedarf, der die Bäderbetreiber selbst, aber auch zahlreiche der ohnehin finanzschwachen Kommunen an die Grenze ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit bringt.

Die wirtschaftliche Situation ist in einigen Heilbädern prekär. In Gemeinde A führten wirtschaftliche Probleme im März 2007 zur Insolvenz der Kurmittelhaus GmbH. Seit dem 03.09.2007 ist eine Schweizer Stiftung Mieterin des Thermalbades.

Die Gemeinde B musste im Jahr 2004 ihren Zuschuss an die örtliche Bäder- und Touristik GmbH erhöhen, weil die Hälfte des Stammkapitals dieser GmbH aufgezehrt war. Ende 2005 konnte eine bilanzielle Überschuldung nur durch eine Sonderzuweisung der Stadt abgewendet werden. Auch für das Jahr 2006 wurde ein hoher Nachschuss der Stadt zur Abwendung der Insolvenz geleistet.

Weitere Heilbäder könnten in vergleichbare Schieflagen geraten. Ein wesentlicher Grund hierfür sind auch die regelmäßig hohen Investitionsausgaben für erforderliche Modernisierungen und Erweiterungen von Thermal- und ähnlichen Bädern. Bei einzelnen Heilbädern war erkennbar, dass grundlegende Neu- und Erweiterungsinvestitionen nicht oder nur rudimentär durchgeführt wurden. Vielfach ließ die Finanzlage lediglich Erhaltungsmaßnahmen in geringerem Umfang zu, die dann eher kosmetischen Operationen glichen.

Bei Bädern ist von einem Lebenszyklus von 15 Jahren auszugehen, „wobei die wirtschaftlich erfolgreichen Bäderbetreiber in kurzen Abständen (alle 1 bis 2 Jahre) neue Einrichtungen nachrüsten bzw. umfangreiche Renovierungen durchführen“. Investitionen und Innovationen sind aber notwendig, weil anderenfalls Einkommenszuwächse in den Heilbädern und Kurorten in Baden-Württemberg kaum zu erwarten sind. Angesichts der wirtschaftlichen Lage der Thermalbäder und der Haushaltssituation der betroffenen Gemeinden ist es teilweise problematisch oder überhaupt fraglich, ob eine solche Investitionsstrategie konsequent und nachhaltig umgesetzt werden kann. Die entsprechenden Investitionen führen zu steigendem Aufwand (z. B. durch zusätzlichen Personalbedarf, Abschreibungen). Das kann bei einem rückläufigen Nutzungsgrad zu finanziellen Lücken führen.

Ein weiterer Grund für wirtschaftliche Schwierigkeiten ist die Pflicht für Heilbäder, infrastrukturelle Einrichtungen wie z. B. Kurpark, Spazierwege und Kurmittelhäuser anzubieten. Diese Einrichtungen können regelmäßig nur verlustbringend bewirtschaftet werden.

5 Vergleich mit den Staatsbädern

Der Rechnungshof hat im November 2007 seine Beratende Äußerung „Die BKV - Bäder- und Kurverwaltung Baden-Württemberg und ihre Beteiligungen an Bäder- und Kurunternehmen“ veröffentlicht. Dort wird u. a. festgestellt, dass die Unterhalts- und Investitionsausgaben für die Staatsbäder bzw. die Bäder- und Kurunternehmen mit Landesbeteiligung den Landeshaushalt mit durchschnittlich 10 Mio. € im Jahr belasten und der Rückzug des Landes gefordert. In seiner Sitzung am 03.04.2008 hat der Landtag die Landesregierung ersucht darzulegen, welche strategischen Ziele sie mit dem Betrieb der Staatsbäder verfolgt.

Vergleichbar mit den Staatsbädern sind die kommunalen Heilbäder im Sinne von § 4 des Gesetzes über die Anerkennung von Kur- und Erholungsorten. Im Zeitraum von 2002 bis 2005 wurden 13 Heilbäder zusammen mit jährlich knapp 3 Mio. € gefördert. Dies unterstreicht die Wettbewerbsverzerrung, die mit der Landesförderung an die drei Staatsbäder Badenweiler, Bad Mergentheim und Bad Wildbad verbunden ist.

6 Wertung und Empfehlungen

Der Rechnungshof hält es für erforderlich, den Förderzweck so zu konkretisieren, dass im Nachhinein die Erreichung des Förderzwecks gemessen und bewertet werden kann.

Ferner sollte die bisherige Förderstrategie überdacht werden. Es liegt nicht im Interesse des Landes, viele Tourismus-Institutionen ohne Rücksicht auf deren wirtschaftliche Überlebensfähigkeit zu fördern. Die begrenzten Mittel sollten dort eingesetzt werden, wo sie ertragsfähige Investitionen auslösen. Eine solche Schwerpunktsetzung bedingt auch die Bereitschaft, Förderanträge abzulehnen.

Erforderlich ist auch eine engere Abstimmung der Förderprogramme, wie z. B. mit dem Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum bei der Förderung von Kleinvorhaben. Die bestehenden Bestrebungen des Wirtschaftsministeriums hierzu bilden einen wichtigen Schritt in diese Richtung.

Die wirtschaftliche Entwicklung der Heilbäder ist teilweise besorgniserregend. Es steht zu befürchten, dass einige Heilbäder verstärkt in wirtschaftliche Probleme bis hin zur Insolvenz geraten. Bei künftigen Förderentscheidungen sollte die Wirtschaftlichkeit der Maßnahme deutlicher im Vordergrund stehen. Bei größeren Projekten sollten daher Wirtschaftlichkeitsberechnungen, Kosten-Nutzen-Analysen oder andere geeignete Wirtschaftlichkeitsnachweise vorliegen. Grundlage der Förderung sollte ferner eine belastbare Prognose über die wirtschaftliche Entwicklung sein.

Das Wirtschaftsministerium sollte als Grundlage für Förderentscheidungen eine zukunftsweisende Bäderkonzeption erarbeiten. Diese muss der besonderen wirtschaftlichen Bedeutung dieses Tourismuszweiges gerecht werden. In diesem Zusammenhang sollte auch das Problem der wenig marktkonformen Wettbewerbssituation zwischen den kommunalen und den staatlichen Heilbädern aufgearbeitet werden.

Insbesondere sollten Gemeinden häufiger und intensiver zusammenarbeiten und so im Sinne einer regionalen Gesamtentwicklung Multiplikatoren- und Synergieeffekte nutzen.

Das Wirtschaftsministerium steht einer „staatlich gelenkten Planung über Art, Umfang, Häufigkeit und Dichte öffentlicher touristischer Infrastruktureinrichtungen“ mit dem Hinweis auf die kommunale Selbstverwaltung nach wie vor ablehnend gegenüber. Es betont aber, dass es mit den in den Förderrichtlinien formulierten Grundsätzen, wie z. B. der Förderung innovativer Vorhaben, hinreichend Einfluss auf die Ausrichtung der kommunalen Investitionen in die touristische Infrastruktur nehme.

Das Wirtschaftsministerium hat die Erarbeitung einer neuen Tourismuskonzeption für 2008 angekündigt. Dieses Konzept soll „aufbauend auf einer Analyse des Marktes und der Stärken und Schwächen des baden-württembergischen Tourismus und den Perspektiven der zukünftigen Tourismusentwicklung Ziele und Leitlinien für den Tourismus des Landes ableiten sowie die zukünftigen Aktionsfelder und Handlungsschwerpunkte identifizieren“.

7 Stellungnahme des Ministeriums

In zahlreichen Punkten folgt das Wirtschaftsministerium den Argumenten des Rechnungshofs. Bei der Infrastrukturförderung hingegen vertritt es die Auffassung, wesentliche qualitative Ziele seien nicht ohne Weiteres messbar.

Die Prüfung der Bedürftigkeit des Förderempfängers hält das Ministerium für entbehrlich, weil mit der Veranschlagung der Mittel aus dem Kommunalen Investitionsfonds für das Tourismusinfrastrukturprogramm der generelle Bedarf an entsprechenden Investitionen und deren finanzielle Unterstützung begründet werde. Mit dem Tourismusförderprogramm und den Förderrichtlinien werde den Anforderungen des § 23 LHO hinreichend entsprochen.

Das Wirtschaftsministerium erwartet für die Heilbäder eine positive wirtschaftliche Entwicklung. Der Gesundheitstourismus werde aufgrund der Alterung der Bevölkerung und weiter steigender Lebenserwartung sowie zunehmenden Gesundheitsbewusstseins wachsen.

In diesem Zusammenhang hält das Wirtschaftsministerium eine verbindliche Bäderkonzeption für nicht zielführend. Vielmehr müssten die Verantwortlichen vor Ort flexibel Entscheidungen treffen können, um sich den wechselnden Marktverhältnissen und -bedürfnissen anpassen zu können.

Die Tourismuskonzeption solle im Laufe des Jahres 2008 fortgeschrieben werden, wobei die Feststellungen des Rechnungshofs einbezogen würden. Entsprechendes gelte für die beabsichtigte Überarbeitung der Förderrichtlinie, die auf der Grundlage der fortgeschriebenen Tourismuskonzeption erfolgen solle.

8 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof hält an seiner Auffassung fest, dass die wirtschaftliche Tragfähigkeit von Tourismusinvestitionen entscheidend für deren Förderfähigkeit sein sollte.

Gerade auch deshalb ist eine Bäderkonzeption unter Einbeziehung des Heilbäderverbandes als Basis für Förderentscheidungen nötig. Mit einer solchen Konzeption könnten auch Wettbewerbsverzerrungen zwischen den kommunalen und auch den staatlichen Bädern abgebaut werden.