Die Fördermittel des IZBB-Programms wurden oft großzügig und fehlerhaft verteilt. Allein bei den untersuchten Maßnahmen wurden Zuwendungen in Höhe von 6,8 Mio. € zu viel bewilligt.
1 Ausgangslage
Ab dem Jahr 2003 stellte der Bund den Ländern zur Schaffung einer modernen Infrastruktur im Ganztagsschulbereich insgesamt 4 Mrd. € zur Verfügung; davon erhielt Baden-Württemberg 528,3 Mio. €. In den Jahren 2003 bis 2005 wurden für 566 Maßnahmen insgesamt 527,8 Mio. € bewilligt. Damit sollten nach den Planungen der Schulträger rd. 114.000 zusätzliche Ganztagsplätze geschaffen und rd. 31.500 schon vorhandene Ganztagsplätze weiterentwickelt werden.
Der Rechnungshof und das Staatliche Rechnungsprüfungsamt Tübingen untersuchten bei den vier Regierungspräsidien 74 Maßnahmen an 85 Schulen, rd. 13 % der insgesamt bewilligten Maßnahmen. Überdies wurde bei diesen Schulen mit einem Erhebungsbogen ermittelt, wie sie ihren Ganztagsbetrieb gestalten und wofür die bewilligten Mittel tatsächlich verwendet werden. 16 Maßnahmen mit einem Fördervolumen von 46,7 Mio. € wurden außerdem bei den Schulträgern vor Ort geprüft.
2 Ergebnisse der Prüfung
2.1 Verteilung der Bundesmittel
Im Durchschnitt wurde jede Maßnahme mit 932.481 € bezuschusst. Der höchste Zuschuss für eine Maßnahme betrug 13,5 Mio. €. Die regionale Zuteilung der Bundesmittel an die Schulträger zeigt die Tabelle.

Da die Fördermittel des Investitionsprogramms des Bundes Zukunft Bildung und Betreuung (IZBB) nach dem „Windhundprinzip“ vergeben wurden, kam es zu einer ungleichen Mittelverteilung. Obwohl sich 2005 im Regierungsbezirk Tübingen nur 19,2 % (734) der allgemein bildenden Schulen des Landes befanden und dort nur ein Landesanteil von 17,4 % (210.770) Schülern unterrichtet wurde, entfielen mehr als die Hälfte der bewilligten Zuwendungen und mehr als ein Drittel der geförderten Maßnahmen auf diesen Bezirk. Die Feststellungen hierzu waren Gegenstand der Denkschrift 2005, Beitrag Nr. 8, Ganztagsschulen.
Daneben wirkte sich auf die Verteilung aus, dass die Einzelmaßnahmen in der Förderhöhe nicht begrenzt waren. Auffallend ist, dass mit einem hohen Zuwendungsanteil wenige Maßnahmen gefördert wurden und auch die Anzahl der neu zu schaffenden bzw. weiterzuentwickelnden Ganztagsplätze gering ausfällt. 15 Maßnahmen binden 20 % der IZBB-Mittel. Mit diesen Maßnahmen wurden nur 9,6 % zusätzliche Ganztagsplätze geschaffen und nur 4,1 % der bestehenden Ganztagsplätze weiterentwickelt.
2.2 Förderung eines Ganztagsplatzes
Mit den 138,5 Mio. € Zuwendungen der untersuchten 74 Maßnahmen sollten insgesamt mehr als 31.700 Ganztagsplätze neu geschaffen oder bestehende ausgebaut werden. Im Durchschnitt entfielen auf einen solchen Ganztagsplatz 4.365 €. An der Grund-, Haupt- und Realschule Schrozberg wurde jeder neue Ganztagsplatz mit 230 €, an der Eduard-Mörike-Schule in Bad Mergentheim mit 546 € und am Theodor-Heuss-Gymnasium in Aalen mit 1.031 € gefördert. Bei mehr als 20 % der Maßnahmen lag der Zuschuss je Ganztagsplatz über 10.000 €. An der Freien Waldorfschule in Ravensburg wurde jeder neue Ganztagsplatz mit 33.340 €, an der Illertalschule in Berkheim mit 41.103 € und am Gymnasium für Hochbegabte in Schwäbisch Gmünd sogar mit 71.000 € gefördert.
2.3 Bewilligungspraxis
Ein Regierungspräsidium bewilligte für drei Sporthallen Zuwendungen von mehr als 2,2 Mio. €, während die anderen Regierungspräsidien solche Förderungen ablehnten, da den Schulen bereits ausreichend Sportstätten zur Verfügung stünden. Außerdem könne bei einem Neubau der Nachweis für eine überwiegende Nutzung im Ganztagsbereich nicht erbracht werden.
Ein Regierungspräsidium legte für Kleinspielfelder pauschal förderfähige Kosten von 70.000 € zugrunde. Ein anderes Regierungspräsidium erkannte, in Anlehnung an die Kommunalen Sportstättenbauförderungsrichtlinien, bis zu 110.000 € an, während ein weiteres Regierungspräsidium die veranschlagten Kosten der Schulträger bis zu 123.000 € akzeptierte. Baugleiche Projekte wurden von den Regierungspräsidien mit bis zu 76 % Unterschied gefördert.
Ein Regierungspräsidium bewilligte auch Zuwendungen für nicht förderfähige Maßnahmen, wie beispielsweise Lehrerzimmer, Klassenräume, Zimmer der Schülermitverwaltung, Kauf eines VW-Busses.
Einem Schulträger wurden Zuwendungen für Ausstattungen von 228.000 € bewilligt, obwohl dieser nur 124.000 € beantragt hatte.
Einem Schulträger wurden Ende 2003 förderfähige Ausstattungskosten für 150 geplante Ganztagsplätze von nahezu 10.000 € je Platz anerkannt. Anfang 2004 legte das Kultusministerium die förderfähigen Ausstattungskosten auf 500 € je Ganztagsplatz bzw. auf maximal 15 % der Baukosten fest.
Einem Schulträger wurde der größte Teil der Kosten für den Neubau einer Ganztagsschule bewilligt, die Zuwendungen betrugen insgesamt 13,5 Mio. €.
Zwei Schulträger bezogen sich in den Anträgen auf die Bruttogrundfläche, obgleich sie wissen mussten, dass Grundlage für die Zuwendungsberechnung die Nettogrundfläche war. Ein anderer Schulträger gab im Antrag ein falsches Volumen des Bauwerks an. Ein weiterer Schulträger deklarierte eine Tribüne als grünes Klassenzimmer (siehe Abbildung). Das Tribünendach wurde aus einem anderen Förderprogramm bezuschusst. Diesen Schulträgern wurden deshalb überhöhte Zuwendungen bewilligt.

Die förderfähigen Kosten einer Mensa für ein Gymnasium wurden in Anlehnung an die Schulbauförderungsrichtlinien mit dem Kostenrichtwert von 2.520 €/m², die Mensa für eine Grund- und Hauptschule dagegen mit 2.290 €/m² berechnet, obwohl es sich um bauart- und kostengleiche Baumaßnahmen handelte.
Die Regierungspräsidien erkannten Baunebenkosten in einer Bandbreite von 13 % bis 20 % der förderfähigen Baukosten an.
3 Analyse und Bewertung
Das Kultusministerium setzte trotz eigener Programmverantwortung keine inhaltlichen Schwerpunkte für die Förderung der Ganztagsschulen und der Ganztagsbetreuung. Die einzelnen Maßnahmen wurden ohne sachliche Gewichtung ausschließlich nach dem zeitlichen Eingang der Anträge (Windhundprinzip) bewilligt.
Die Vorlage eines pädagogischen Konzepts war lediglich formale Fördervoraussetzung; auch für das Konzept selbst genügten rein formale Minimalangaben. Eine inhaltliche Ausrichtung und Grundbewertung der Konzepte für eine Landespriorisierung der zu fördernden Maßnahmen durch das Ressort wurde nicht vorgenommen. Die Vorgaben für das pädagogische Konzept konnten so weder eine inhaltlich-sachliche Steuerungsfunktion für die Investitionen noch eine solche für die Höhe derselben erfüllen. Denn bei Einhaltung der formalen Kriterien wurde jede inhaltliche Vagheit und jede kostenträchtige Wunschvorstellung als ausreichend für die Förderung einer Investition angesehen.
Die Antragssumme für eine Maßnahme oder einen Ganztagsschulplatz wurde der Höhe nach nicht begrenzt (Kostendeckelung). Es fehlte auch an einer dem Programmzweck entsprechenden Abgrenzung zwischen Investitionen, die für den Ganztagsbetrieb spezifisch erforderlich sind und denen, die bei jedem ordnungsgemäßen Schulbetrieb anfallen. Folglich wurden Vorhaben mit bis zu 13,5 Mio. € gefördert. Die Höhe der Zuwendung stand in keinem Bezug zu der geplanten Zahl der Ganztagsplätze. Deshalb wurden solche mit weniger als 500 € aber auch mit mehr als 70.000 € bezuschusst. Die enorme Spreizung der Zuwendungen für einen neuen Ganztagsplatz ist den unzulänglichen Vorgaben des Kultusministeriums anzulasten.
Das Kultusministerium versäumte auch, als Grundlage für die Bewilligungsbehörden mit der baufachtechnischen Dienststelle die Rahmenbedingungen zu definieren. Die Regelungen des Kultusministeriums zur Umsetzung des IZBB-Programms waren unzureichend konkretisiert oder wurden erst verspätet und zum Teil fehlerhaft getroffen. Dies führte zu großen Unsicherheiten und einer regional sehr unterschiedlichen Bewilligungspraxis. Das Kultusministerium ließ eine Förderpraxis zu, mit der nicht nur die spezifischen Mehrkosten von Ganztagsschulen, sondern auch Investitionen für den gesamten Schulbetrieb aus dem IZBB-Programm finanziert wurden.
Die lückenhaften Fördervorgaben setzten sich in einer großzügigen und oft fehlerhaften Förderpraxis der Bewilligungsstellen fort. So wurden u. a. kritiklos die Kostenschätzungen der Schulträger übernommen, in unzulässiger Weise Grundstücke, Erschließungskosten, Außenanlagen und die darauf entfallenden Baunebenkosten gefördert sowie den Berechnungen falsche Flächen- und Kostenrichtwerte zugrunde gelegt. In den beanstandeten Förderfällen hätten die Zuwendungen statt 36,0 Mio. € nur 32,1 Mio. € betragen dürfen; 3,9 Mio. € wurden zu viel bewilligt. Die Regierungspräsidien haben deshalb die Neufestsetzung der Zuwendungen zu prüfen.
Auch waren u. a. wegen veränderter oder nicht umgesetzter Bauausführung Zuwendungen um mindestens 2,9 Mio. € zu hoch festgesetzt. Die Regierungspräsidien haben in diesen Fällen die Zuwendungen neu festzusetzen.
Insgesamt war bei dem Förderprogramm weder beim Bund noch beim Land eine in sich schlüssige Konzeption erkennbar, weil die Förderung in der Hauptsache an formalen und weniger an inhaltlichen Kriterien ausgerichtet war. Die allgemeinen Formulierungen in der Verwaltungsvereinbarung des Bundes mit den Ländern können noch als Ausdruck für die schwierigen Kompromissverhandlungen gesehen werden. Den Ländern war aber eigens die Möglichkeit eingeräumt, die Fördermittel in diesem Rahmen angepasst an ihre jeweiligen Problemlagen einzusetzen und dafür genauere Vorgaben zu machen. Das Ministerium hat diesen Spielraum nicht genutzt.
Mit dieser Vorgehensweise vergab das Land die Chance, Fördermittel von weit mehr als einer halben Milliarde Euro entsprechend der spezifischen Problemlage in Baden-Württemberg bedarfsgerecht, zielgenau und wirtschaftlich einzusetzen.
4 Empfehlungen
Die Ergebnisse der Untersuchung des Investitionsprogramms IZBB zeigen in verschiedener Hinsicht Handlungsbedarf auf. Der Rechnungshof empfiehlt,
- bei den hauptsächlich mit IZBB-Mitteln finanzierten Schulneubauten die spezifischen Mehrkosten für den Ganztagsbetrieb zu ermitteln und nur diese als zuwendungsfähige Kosten anzuerkennen,
- alle Maßnahmen zügig zu überprüfen, um - so weit wie möglich - freiwerdende Mittel nach regionalen und sachlichen Gesichtspunkten innerhalb des Landes umzuverteilen und
- bei dem Landesprogramm „Chancen durch Bildung“ und dem Bundesprogramm zur Förderung von Investitionen für die Kleinkinderbetreuung, die Erkenntnisse dieser Untersuchung zu berücksichtigen.
5 Stellungnahme des Ministeriums
Das Kultusministerium bemerkt zunächst, der Rechnungshof vernachlässige in seiner Auslegung der Bekanntmachung des Landes, dass danach auch Neubaumaßnahmen möglich seien. Diese stünden insbesondere im Einklang mit der Verwaltungsvereinbarung des Bundes zum IZBB und trügen deren Zielsetzung Rechnung. Außerdem unterstelle die Kritik des Rechnungshofs einen Generalverdacht zulasten der Schulträger, obwohl diese die bereitgestellten Mittel entsprechend der Bekanntmachung bedarfsgerecht, zweckentsprechend und wirtschaftlich einsetzen müssen. Weiter weist das Ministerium die Vorwürfe des Rechnungshofs zurück, es habe unzureichend konkrete und unvollständige Regelungen bzw. Regelungen zu spät und zum Teil fehlerhaft getroffen. Vielmehr habe es durch zeitnahe Dienstbesprechungen aktuelle Fragen und Probleme im Zusammenhang mit dem IZBB mit den Regierungspräsidien erörtert. In einem komplexen Förderprogramm könnten naturgemäß auch unvorhersehbare Einzelfragen auftauchen, die im Blick auf eine zeitnahe und unbürokratische Umsetzung in der Bekanntmachung nicht abschließend geregelt werden können. Die unbürokratische Umsetzung habe bei hoher Akzeptanz der Schulträger dazu geführt, dass die zur Verfügung gestellten Fördermittel vollständig belegt und entsprechend der Intention des Bundes an Ganztagsschulen verwendet werden konnten.
Die Entscheidung nach Antragseingang sei ein rasches und ökonomisches Verfahren, das mit den Kommunalen Landesverbänden abgestimmt sei und eine objektive Grundlage für messbare Kriterien gewährleisten würde.
Alle pädagogischen Konzepte der Antragssteller seien - entsprechend der Intention der Verwaltungsvereinbarung - auf ihre Tragfähigkeit sowie auf die zur Umsetzung erforderlichen Investitionen hin geprüft worden.
Die Antragsteller hätten ein Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung bei der Auswahl der förderfähigen Vorhaben. Eine Änderung dieser Praxis für möglicherweise zurückfließende Mittel würde diesem Grundsatz entgegenstehen. Das Ministerium äußert Bedenken, ob der Vorschlag des Rechnungshofs, Zuschussbescheide für den „schulischen Teil“ bei Neubau und Neueinrichtung von Ganztagsschulen zurückzunehmen, rechtlich umsetzbar sei. Es sieht hier ein beträchtliches Prozessrisiko.
Bei den neuen Programmen seien das Kultusministerium und das Ministerium für Arbeit und Soziales auf die Anregungen des Rechnungshofs weitgehend eingegangen. Ein Windhundverfahren werde es nicht geben, im Übrigen seien Höchstbeträge und Pauschalen vorgesehen.
Im Ergebnis könne sich das Kultusministerium mit den Empfehlungen des Rechnungshofs zum Investitionsprogramm „Zukunft Bildung und Erziehung“ nicht einverstanden erklären.
6 Schlussbemerkung
Der Rechnungshof bleibt bei seinen Empfehlungen. Eine wesentliche Erkenntnis seiner Untersuchung ist, dass insbesondere bei Förderprogrammen mit hoher finanzieller Ausstattung mehr als bisher darauf geachtet werden sollte, ob die beabsichtigten Wirkungen auch tatsächlich erreicht werden. Die Rückabwicklung gescheiteter Förderverfahren zählt zu den üblichen Verwaltungsaufgaben, die mit einer Förderung zwangsläufig verbunden sind.
Der Rechnungshof regt dringend an, bei solchen Programmen durch eine angemessene Steuerung die bedarfs- und zielgerichtete, zweckentsprechende und wirtschaftliche Verwendung der öffentlichen Mittel sicherzustellen.