Das Land hat bisher darauf verzichtet, die Kosten für tagesstrukturierende Angebote in seinen Heimsonderschulen bei den zuständigen Kostenträgern einzufordern. Hierdurch entsteht dem Land ein Einnahmeausfall von jährlich rd. 7 Mio. €.
1 Prüfungsgegenstand
Für Schüler mit einem spezifischen sonderpädagogischen Förderbedarf unterhält das Land acht Staatliche Heimsonderschulen. Etatisiert wurden hierfür im Jahr 2006 bei Kapitel 0408 rd. 54 Mio. €. Im Schuljahr 2006/07 besuchten rd. 1.800 Schüler diese Einrichtungen; davon waren etwa zwei Drittel (1.233) externe Schüler.
Als Träger der Heimsonderschulen finanziert das Land zunächst die gesamten Kosten dieser Schulen, sowohl die des Unterrichts als auch alle sonstigen Kosten. Unterricht ist an öffentlichen Sonderschulen für die Schüler unentgeltlich. Die Kosten hierfür hat daher das Land zu tragen. Nicht erfasst von der Schulgeldfreiheit sind alle nichtunterrichtlichen Leistungen für Schüler, wie z. B. die Heimunterbringung, die Grund- und Behandlungspflege sowie die tagesstrukturierenden Angebote für die externen Schüler. Während die Kosten der Heimunterbringung vom zuständigen Sozialhilfeträger im Rahmen der Eingliederungshilfe des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch (SGB XII) für Behinderte refinanziert werden, verbleiben die Kosten der Grund- und Behandlungspflege sowie der tagesstrukturierenden Angebote für externe Schüler beim Land.
Der Rechnungshof untersuchte die Refinanzierungsmöglichkeiten der Kosten für die tagesstrukturierenden Angebote sowie für die Grund- und Behandlungspflege an Staatlichen Heimsonderschulen.
2 Tagesstrukturierende Angebote für externe Schüler
Die externen Schüler werden nicht nur unterrichtet, sondern erhalten entsprechend ihrer individuellen Behinderung auf Kosten des Landes sogenannte tagesstrukturierende Angebote. Dies sind Maßnahmen, die erforderlich und geeignet sind, dem behinderten externen Schüler den Schulbesuch an einer Heimsonderschule zu ermöglichen bzw. zu erleichtern.
Behinderte Schüler haben gegenüber dem zuständigen Sozialhilfeträger im Rahmen der Eingliederungshilfe einen Rechtsanspruch auf Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung. Dieser Anspruch umfasst grundsätzlich auch tagesstrukturierende Angebote für externe behinderte Schüler an Heimsonderschulen. Der Sozialhilfeträger ist allerdings nach den §§ 75 ff. SGB XII nur dann zur Vergütung erbrachter Leistungen der Eingliederungshilfe verpflichtet, wenn zwischen ihm und dem Leistungserbringer bzw. seinem Verband eine Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung getroffen wurde. Eine solche Vereinbarung fehlt für die tagesstrukturierenden Angebote, die externe behinderte Schüler an Staatlichen Heimsonderschulen erhalten. Dies hat zur Folge, dass das Land auf eine mögliche Refinanzierung seiner diesbezüglichen Kosten faktisch verzichtet. Bemerkenswert ist, dass private Heimsonderschulen, anders als die Staatlichen Heimsonderschulen, mit den Sozialhilfeträgern entsprechende Vereinbarungen getroffen haben und daher für ihre externen Schüler eine Vergütung für die tagesstrukturierenden Angebote erhalten.
Das Land ist verpflichtet, alle Einnahmequellen auszuschöpfen und mögliche Ansprüche geltend zu machen. Hierzu zählen auch alle Möglichkeiten der Refinanzierung von entstandenen Kosten. Auf eine mögliche Kostenerstattung darf deshalb nicht verzichtet werden.
Eine Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung nach den §§ 75 ff. SGB XII muss insbesondere die wesentlichen Leistungsmerkmale sowie die Höhe der Leistungsvergütung festlegen. Für die tagesstrukturierenden Angebote bedeutet dies, dass die Leistungen zu spezifizieren und die Vergütungen hierfür auszuhandeln sind. Eine solche Vereinbarung sichert allerdings nur dann die Refinanzierung der dem Land entstandenen Kosten, wenn diese zuvor im Wege einer angemessenen und wirtschaftlichen Kosten- und Leistungsrechnung möglichst genau bestimmt wurden.
Private Heimsonderschulen erhalten derzeit von den zuständigen Sozialhilfeträgern je externen Schüler für die tagesstrukturierenden Angebote eine durchschnittliche monatliche Vergütung von rd. 500 €. Würden die Sozialhilfeträger die Eingliederungshilfe des Landes vergüten, so hätte das Land im Schuljahr 2006/07 für die 1.233 externen Schüler insgesamt 7,39 Mio. € eingenommen. Verzichtet das Land auch künftig auf eine Vergütungsvereinbarung mit den Sozialhilfeträgern, so entsteht ein jährlicher Einnahmenausfall von mindestens 7 Mio. €.
3 Kosten der Grund- und Behandlungspflege für gesetzlich krankenversicherte Schüler
An den Staatlichen Heimsonderschulen werden auch Schüler unterrichtet, die schwer- und mehrfachbehindert sind und daher der Grund- und Behandlungspflege während des Schulbetriebs bedürfen.
Die Kosten der Grund- und Behandlungspflege werden derzeit vom Land getragen. Begründet wird dies mit der bisherigen Regelung des § 37 Abs. 2 SGB V, wonach gesetzlich Versicherte nur dann einen Anspruch auf Grund- und Behandlungspflege im Rahmen der „häuslichen Krankenpflege“ haben, wenn diese im Haushalt des Versicherten geleistet wird. 2007 sind im Staatshaushaltsplan 68.000 € zur Sicherstellung der medizinischen Behandlungspflege für schwer- und mehrfachbehinderte Schüler veranschlagt. Es ist offen, ob der etatisierte Betrag die tatsächlichen Kosten der medizinischen Behandlungspflege in den Staatlichen Heimsonderschulen deckt, da diese Schulen über keine detaillierte Kostenrechnung verfügen.
§ 37 SGB V wurde durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.03.2007 geändert. Diese Neufassung gewährt Versicherten nunmehr einen Anspruch auf häusliche Krankenpflege nicht nur in ihrem Haushalt, sondern auch an sonst geeigneten Orten, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten. Gesetzlich krankenversicherte Schüler haben somit gegenüber ihrer Krankenkasse einen Anspruch auf Grund- und Behandlungspflege in Staatlichen Heimsonderschulen, wenn diese zur Sicherung des Ziels ärztlicher Behandlung erforderlich und angeordnet ist. Die Kosten hierfür hat deshalb nicht das Land, sondern haben die Krankenkassen zu tragen. Das Land hat daher in geeigneter Form dafür Sorge zu tragen, dass anfallende Kosten für medizinische Behandlungspflege solcher Schüler durch die zuständigen Krankenkassen refinanziert oder durch Dritte getragen werden.
Verzichtet das Land auf diese Refinanzierungsmöglichkeit, entsteht ein Einnahmeausfall zumindest in Höhe des bisher etatisierten Aufwandes von jährlich 68.000 €. Da die tatsächlichen Kosten dieser Leistungen nicht bekannt sind, ist nicht auszuschließen, dass ein wesentlich höherer Einnahmeausfall besteht.
4 Empfehlungen
Der Rechnungshof ist der Auffassung, dass bei allen nichtpädagogischen Leistungen der Staatlichen Heimsonderschulen zu prüfen ist, ob Dritte Kostenträger sein könnten. Besteht eine entsprechende Verpflichtung auch nur gegenüber den Leistungsempfängern (Schüler), so ist durch geeignete Maßnahmen darauf hinzuwirken, dass - möglichst kostendeckend - die Leistungen des Landes über die Kostenträger refinanziert werden.
Der Rechnungshof empfiehlt im Einzelnen,
- die Kosten aller nichtpädagogischen Leistungen der Eingliederungshilfe, die vom Land in Staatlichen Heimsonderschulen für externe Schüler erbracht werden, soweit wirtschaftlich vertretbar, möglichst umfassend und genau durch eine geeignete Kostenrechnung zu bestimmen;
- mit dem zuständigen Träger der Sozialhilfe für externe Schüler eine Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung zu treffen, damit die Leistungen, die das Land im Rahmen der Eingliederungshilfe erbringt, möglichst umfassend refinanziert werden;
- die Kosten der notwendigen Grund- und Behandlungspflege an Staatlichen Heimsonderschulen nur dann zu tragen, wenn keine anderen Kostenträger zur Finanzierung verpflichtet sind. Das Land sollte daher insbesondere in Anbetracht der Neufassung des § 37 SGB V prüfen, ob die Kosten für die notwendige Grund- und Behandlungspflege von den gesetzlichen Krankenkassen zu tragen sind.
5 Stellungsnahme des Ministeriums
Das Kultusministerium teilte hinsichtlich der tagesstrukturierenden Angebote an Staatlichen Heimsonderschulen mit, dass sich aufgrund der gestiegenen Nachfrage, die seitens der Erziehungsberechtigten und der zuständigen Kostenträger geäußert wurde, die Zahl der Tagesschüler erhöht habe. Das Ministerium verwies außerdem darauf, dass Aufgaben, die nicht Lehrkräften obliegen, vom jeweiligen Schulträger übernommen würden. Bei Staatlichen Heimsonderschulen sei dies das Land. Private Träger würden behinderungsspezifische tagesstrukturierende Angebote von den Landkreisen im Wege der Eingliederungshilfe refinanziert bekommen.
Das Kultusministerium werde den Bericht des Rechnungshofs zum Anlass nehmen, die Fragen einer möglichen Refinanzierung aufzubereiten und mit den Beteiligten zu erörtern.
Zum Thema Refinanzierung der Kosten für die Grund- und Behandlungspflege informierte das Kultusministerium, dass die Kosten der Grund- und Behandlungspflege bisher von den Schulträgern übernommen würden, die Grundpflege allerdings durch den Sachkostenbeitrag gedeckt sei. In Kürze würde mit dem Ministerium für Arbeit und Soziales und danach mit der Landesvereinigung der Krankenkassen ein Gespräch über die Umsetzung der betreffenden Gesetzesänderung stattfinden.
6 Schlussbemerkung
Das Kultusministerium weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass die Stadt- und Landkreise als Schulträger von Sonderschulen auch die Leistungen trügen, welche Lehrkräfte nicht übernehmen würden. Dies ist zutreffend. Allerdings lässt das Kultusministerium außer Betracht, dass Stadt- und Landkreise in solchen Fällen sowohl die Aufgaben des Schulträgers als auch die des Sozialhilfeträgers wahrnehmen und ein Landkreis, trotz Funktionseinheit, Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII nicht als Schulträger, sondern als Sozialhilfeträger erbringt. Dagegen ist das Land zwar Schulträger von Staatlichen Heimsonderschulen, nicht jedoch Sozialhilfeträger. Die Kosten der Eingliederungshilfe für Schüler an Staatlichen Heimsonderschulen sind daher nicht vom Land, sondern von den zuständigen Sozialhilfeträgern zu übernehmen.