Bei der Förderung von Brückenausbauten im kommunalen Straßenbau wurden bislang die Aspekte der vernachlässigten Unterhaltung nicht berücksichtigt. Verkehrliche Nachweise fehlten häufig. Dies führte in vielen Fällen zu überdimensionierten Bauwerken. Die künftigen Förderregelungen müssen dem entgegenwirken.
1 Vorbemerkung
Die Beanspruchung von Straßen und der zugehörigen Ingenieurbauwerke, wie Brücken und Tunnel, ist durch den stark gestiegenen Verkehr und die immer schwereren Fahrzeuge im Güterverkehr gewachsen.
In Baden-Württemberg gibt es rd. 10.000 Brücken an Kreis- und Gemeindeverbindungsstraßen, die in der Mehrzahl zwischen 1965 und 1985 gebaut wurden. Angesichts der Nutzungsdauer der Bauwerke stehen die für die kommunalen Straßen unterhaltungspflichtigen Gemeinden einem wachsenden baulichen Erhaltungsbedarf (Instandhaltung, Instandsetzung, Erneuerung) gegenüber, der über eigene Mittel abzudecken ist.
Die Förderung der kommunalen Verkehrsanlagen steht mit dem Außerkrafttreten des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes zum 31.12.2006 vor einem Umbruch. Bisher standen nach diesem Gesetz Fördermittel mit einer Förderquote von bis zu 70 % der zuwendungsfähigen Ausgaben für Neu- und Ausbau sowie für Erweiterungen, die der Erhöhung der Leistungsfähigkeit des Bauwerks dienen, zur Verfügung. Im Falle von Brücken sind danach förderfähig:
- Überbauerneuerungen und Verbreiterungen zwischen den Geländern zur Aufnahme zusätzlicher Fahrstreifen oder von Geh- und Radwegen sowie
- Tragfähigkeitserhöhungen gegenüber der ursprünglichen Bemessung.
Das Innenministerium wird im Einvernehmen mit dem Finanzministerium bis Ende 2008 eine Nachfolgeregelung erarbeiten, welche die durch bundesgesetzliche Vorgaben auferlegten engen finanziellen Spielräume berücksichtigt. Fördermittel werden auch künftig eine wichtige Säule der Finanzierung kommunaler Verkehrsinfrastruktur sein. Der Rechnungshof und die staatlichen Rechnungsprüfungsämter haben im Hinblick auf die künftige Förderpraxis nach dem Zufallsprinzip 27 Vorhaben mit einem Fördervolumen von 23 Mio. € landesweit ausgewählt und geprüft.
2 Förderfähigkeit der geprüften Vorhaben nach dem bisherigen Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz
Die geprüften Bauwerke erfüllen formal die Fördervoraussetzungen, nämlich Erhöhung der Brückentragfähigkeit bzw. Verbesserung des Verkehrsablaufs. Ursächlich für eine kapazitive Erweiterung können aber sowohl steigende Verkehrsmengen als auch kritische Bauwerkszustände sein, welche die Nutzung einer Brücke einschränken.
Die Fördersystematik differenziert aber nicht, ob eine vernachlässigte Bauwerksunterhaltung oder andere Einflüsse (u. a. zunehmende Verkehrsbelastung, Alter des Bauwerks) vorliegen. Die Förderfähigkeit wurde deshalb in diesen Fällen stets als gegeben betrachtet.
3 Vernachlässigte Unterhaltung der Bauwerke
Der Unterhaltungspflichtige hat das Bauwerk funktionsfähig zu erhalten und eventuell eingetretene Mängel und Schäden am Bauwerk rechtzeitig zu erkennen und zu beseitigen. Hierdurch sollen der Bestand und die Verkehrssicherheit des Bauwerks gewährleistet und eine vorzeitige Erneuerung vermieden werden.
Die Überwachung und Prüfung erfolgt nach der DIN 1076 „Ingenieurbauwerke im Zuge von Straßen und Wegen“, die alle sechs Jahre Hauptprüfungen, alle drei Jahre einfache Prüfungen und jährlich Besichtigungen sowie laufende Beobachtungen vorgibt. Wesentliche Unterlage ist das Brückenbuch, in dem neben den wichtigsten technischen Daten zum Bauwerk auch die durchgeführten Prüfungen und die zur Behebung von Mängeln oder Schäden ausgeführten baulichen Erhaltungsmaßnahmen zu dokumentieren sind.
Die Prüfung des Rechnungshofs ergab, dass nur für 13 der 27 geprüften Vorhaben Brückenbücher vorlagen. Für die übrigen Brücken war nach Angaben der Baulastträger nie ein Brückenbuch geführt worden. Auch wurden die Brückenbücher bei keinem der geprüften Vorhaben ordnungsgemäß geführt, da nur die Protokolle der Hauptuntersuchungen aufgeführt waren. Die Prüfprotokolle der anderen Prüfungen und der jährlichen Besichtigungen fehlten ebenso wie Angaben zu den durchgeführten Instandsetzungsarbeiten.
Weiterhin wurde festgestellt, dass größtenteils nur die vorgeschriebenen Hauptprüfungen durchgeführt wurden, einfache Prüfungen hingegen deutlich seltener waren und sich in der Regel auf Brücken mit höherem Verkehrsaufkommen beschränkten. Die gesichteten Protokolle der Hauptuntersuchungen zeigten ferner, dass zwar Schadensbilder (Stand- und Verkehrssicherheit, Dauerhaftigkeit) genannt, aber keine konkreten Zeitvorgaben zur Schadensbehebung gemacht wurden.
Die oftmals identischen, sich über mehrere Zyklen der Hauptprüfungen hinweg stetig verschlechternden Schadensbilder belegen, dass die festgestellten Mängel und Schäden häufig nicht beseitigt wurden. Dies führte dazu, dass letztlich wegen inzwischen sehr starker Beschädigungen eine Grunderneuerung oder ein Ersatzneubau der Brücke empfohlen werden musste. Lediglich bei einem Vorhaben wurde festgestellt, dass im Laufe der letzten Jahre in größerem Umfang eine bauliche Erhaltung stattfand, die dazu diente, eine Reduzierung der Tragfähigkeit zu verzögern.
Angesichts der festgestellten vernachlässigten baulichen Erhaltung verkürzte sich in der Regel die theoretische Nutzungsdauer der Bauwerke; der Erfahrungswert für die mögliche Dauer der Nutzung bewegt sich für den Unterbau bei rd. 110 Jahren, für den Überbau bei 70 bis 80 Jahren. So ergab sich anhand der Baujahre der Brücken und der Daten für die Bewilligungen, dass zumindest für ein Drittel der geprüften Brücken eine vorzeitige „Wiederherstellung“ des Bauwerks vorlag. Lediglich in Einzelfällen machten Materialprobleme oder andere Einflüsse (z. B. Spätfolgen von Kriegsschäden mit Notreparaturen) das Ersatzbauwerk erforderlich (siehe Tabelle 1).

4 Baulicher Zustand der geprüften Brückenbauwerke
Nachdem an den geprüften Bauwerken meist über Jahre keine ausreichenden Unterhaltungsarbeiten oder baulichen Erhaltungen durchgeführt wurden, befanden sie sich in einem schlechten (befriedigend bis noch ausreichend) oder gar in einem kritischen bzw. ungenügenden Bauwerkszustand (siehe Tabelle 2); dieser wird auf Veranlassung des Baulastträgers von einem sachkundigen Ingenieur beurteilt.

Infolge des schlechten Bauwerkszustands erfüllten die Brücken in weiten Teilen nur noch eingeschränkt ihre Funktion. So war bei etwa der Hälfte der geprüften Bauwerke die zugelassene Tragfähigkeit gegenüber der Traglast bei Inbetriebnahme im Laufe der Zeit aus Verkehrssicherheitsgründen herabgesetzt worden. Die Absenkung der ursprünglichen Traglast reichte von 4 t bis 29 t, prozentual von 20 % bis über 75 %.
5 Prognostizierte Verkehrsaufkommen
Eine wesentliche Grundlage für die Förderung stellt der verkehrliche Bedarf dar, der durch aktuelle Zählungen und Prognosen nachzuweisen ist.
Die Prüfung ergab, dass bei der Antragstellung fast immer auf hohe oder steigende Verkehrsmengen hingewiesen wurde, in mehreren Fällen aber keine Unterlagen über Verkehrszählungen beigefügt waren. Außerdem prognostizierten die vorliegenden Gutachten hohe, teilweise nicht nachvollziehbare Verkehrsaufkommen, welche die „notwendige Traglasterhöhung“, also die förderfähige kapazitive Erweiterung eines Brückenbauwerks, untermauerten.
Die hohen Verkehrsprognosen führten dazu, dass die neu zu bauenden bzw. zu erweiternden Brücken entsprechend dimensioniert wurden. So wurden bei allen geprüften Vorhaben die Brücken vergrößert, damit sie dem - tatsächlich oder nur per Prognose ermittelten - erhöhten Verkehrsaufkommen entsprechen. Beispielsweise wurden gegenüber den Vorgängerbrücken erhöht
- die Brückenflächen um 60 % bis 188 %,
- die Gesamtbreiten um 17 % bis 101 % und
- die Fahrbahnbreiten um 4 % bis 62 %.
Außerdem wurde bei allen geprüften Bauwerken generell die Tragfähigkeit auf 60 t festgelegt, obgleich nur eines der geprüften Vorhaben bereits eine Traglast von 60 t auswies. Die übrigen Brücken hatten eine Tragfähigkeit von unter 45 t, bei 6 davon lag sie sogar unter 10 t.
Die Bewilligungsstellen erwogen vor diesem Hintergrund nicht, ob die eventuelle Verstärkung zur Wiederherstellung der ursprünglichen Tragfähigkeit eine wirtschaftlichere Lösung dargestellt hätte.
6 Dimensionierung, Standards und Bauausgaben der neuen Brücken
Die Auswertungen zeigen, dass bei der Erneuerung von Brücken fast immer der oberste technische Standard herangezogen wurde. So weist die Hälfte der geprüften Vorhaben Ausgaben von mehr als 2.200 €/m² Brückenfläche auf. Ausgaben in dieser Größenordnung sind für den Neubau von Brücken üblich.
Ob ein reduzierter Standard (z. B. einbahnige Führung, Verringerung der Fahrbahnbreite, Tragfähigkeit 30 t oder 45 t) unter kritischer Betrachtung der Bedeutung der Straße und der Verkehrsbelastung möglich gewesen wäre, wurde nicht geprüft.
7 Empfehlungen
Der Rechnungshof empfiehlt, die nachfolgenden Punkte in die Nachfolgeregelung zum Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz aufzunehmen.
7.1 Erhaltungsmanagement
In Anbetracht der angetroffenen Fälle mangelnder Überwachung und Prüfung sowie der unzureichenden baulichen Erhaltung der Brückenbauwerke, die häufig zu vorzeitigen und kostenintensiven Grunderneuerungen bzw. einer kapazitiven Erweiterung des Brückenbauwerks führten, wird empfohlen, die Antragsteller ihre kontinuierlich zu leistenden Erhaltungsarbeiten für einen festzulegenden Zeitraum nachweisen zu lassen. Bei fehlendem Nachweis wird empfohlen, einen Abzug von der Förderung vorzunehmen, der sich nach dem jährlich erforderlichen Mindestbetrag für die bauliche Erhaltung bemisst.
7.2 Bedarfsorientierter Aus- und Neubau
Voraussetzung für die Förderung nach dem bisherigen Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz war stets, dass das Bauvorhaben dringend notwendig ist, um die Verkehrsverhältnisse in der Gemeinde zu verbessern. In diesem Sinne sollten die Antragsteller künftig beim Aus- und Neubau darlegen, welche Gründe maßgebend für eine Höherdimensionierung der Brücke sind und ob die Aufwendungen der Verkehrsbedeutung der Straße entsprechen. Hierzu sollten in den Antragsunterlagen aktuelle Verkehrsgutachten enthalten sein, aus denen die derzeitige und die künftige Verkehrssituation hervorgeht. Im Weiteren sollte der Antragsteller darlegen, dass dem ermittelten verkehrlichen Bedarf nur durch Aus- und Neubaumaßnahmen, nicht aber durch bauliche Erhaltung, begegnet werden kann.
7.3 Anwendung von Festbetragsfinanzierungen und Förderhöchstbeträgen
Zur Vereinfachung des Zuwendungsverfahrens und letztlich auch zur Überprüfung der Plausibilität von Kostenansätzen sollten vermehrt Festbetragsfinanzierungen gewählt werden. Der Umfang der Festbetragsfinanzierung kann sich an Förderhöchstbeträgen oder Pauschalen orientieren. Die entsprechenden Größen können bei Brückenbauwerken sowohl bei Erneuerungen als auch bei Neu- und Ausbauten nach der Brückenfläche bemessen werden.
8 Stellungnahme des Ministeriums
Das Innenministerium erhebt keine grundsätzlichen Einwände gegen die Ausführungen des Rechnungshofs. Das Ministerium sagt zu, die Empfehlungen in die Überlegungen zur Nachfolgeregelung zum Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz einzubeziehen.
9 Schlussbemerkung
Die Förderung von Brückenbauwerken sollte sich eindeutig am ermittelten verkehrlichen Bedarf ausrichten und die Vorhabensträger nicht zu Überdimensionierungen veranlassen. So kann für das Land als Zuwendungsgeber und für die Kommunen als Vorhabensträger ein wirtschaftlicherer Einsatz der knappen Fördermittel erreicht werden.