Heilfürsorge für Polizeibeamte [Beitrag Nr. 8]

Die Heilfürsorge für Polizeibeamte bedarf im Zuge der Dienstrechtsreform einer neuen gesetzlichen Regelung. Wie in den anderen Bundesländern sollte dabei eine angemessene Eigenbeteiligung der Beamten an den Kosten der Heilfürsorge erwogen werden. Bei einer zehnprozentigen Eigenbeteiligung könnte der Landeshaushalt jährlich um 2 bis 3 Mio. € entlastet werden.
Die Konzentration der Abrechnung der Heilfürsorge beim Landesamt für Besoldung und Versorgung hat sich bewährt. Allerdings muss das Abrechnungsverfahren auf der Grundlage neuer Vereinbarungen modernisiert und vereinfacht werden.
Ein Systemwechsel von der Heilfürsorge zur Beihilfe brächte in Baden-Württemberg derzeit keine Einsparung.

1 Vorbemerkungen

Die Beamten des Landes erhalten im Falle der Krankheit Beihilfeleistungen, mit denen sich das Land anteilig (mit 50 % oder 70 %) an den notwendigen Behandlungskosten beteiligt.

Im Gegensatz dazu erhalten die (aktiven) Polizeibeamten des Landes bei Krankheit freie Heilfürsorge, d. h. das Land trägt die entstandenen Aufwendungen - von wenigen Ausnahmen abgesehen - zu 100 %. Rechtsgrundlage dafür sind die §§ 141 und 147 des Landesbeamtengesetzes und die vom Innenministerium erlassene Heilfürsorgeverordnung vom 21.04.1998.

Hintergrund dieser Regelung, die bis in die Neunzigerjahre in vergleichbarer Weise für die Polizeibeamten des Bundes und aller Bundesländer galt, ist die besondere Verantwortung des Dienstherrn für die Gesundheit der Polizeibeamten, die sich aus der Besonderheit des Polizeidienstes ergibt. Mittlerweile haben die meisten Bundesländer die freie Heilfürsorge abgeschafft und die Polizeibeamten an den Heilfürsorgeaufwendungen beteiligt oder in das System der Beihilfe integriert.

Für ihre Familienangehörigen erhalten die Polizeibeamten keine Heilfürsorge, sondern Beihilfeleistungen. Ebenfalls Beihilfeleistungen erhalten die Polizeibeamten im Ruhestand.

Im Unterschied zur Beihilfe, bei der der Beamte vorleistet und seine Aufwendungen gegenüber dem Land abrechnet, werden die Leistungen für Heilfürsorgeberechtigte von den kassenärztlichen Vereinigungen, den Abrechnungsstellen der Apotheker und den Krankenhäusern unmittelbar mit dem Landesamt für Besoldung und Versorgung (LBV) abgerechnet. Grundlage dafür sind Vereinbarungen zwischen dem Land und den Leistungserbringern.

Im Jahre 2007 hatten insgesamt 25.165 Polizeibeamte Anspruch auf die Leistungen der Heilfürsorge. Die Ausgaben des Landes für die Heilfürsorge beliefen sich auf 38,57 Mio. €, dies entspricht Ausgaben von 1.533 € je anspruchsberechtigten Polizeibeamten.

Zuständig für die Abrechnung der Heilfürsorge waren bis 2005 die Heilfürsorgestellen der Bereitschaftspolizeidirektion und der fünf Landespolizeidirektionen. In den Jahren 2005 und 2006 wurde die Zuständigkeit sukzessive auf das LBV übergeleitet. Die im Einzelplan des Innenministeriums für die Abrechnung der Heilfürsorge vorhandenen Stellen wurden in den Einzelplan des Finanzministeriums übertragen.

Das Staatliche Rechnungsprüfungsamt Stuttgart hat - nach vollzogener Überleitung der Zuständigkeit auf das LBV - die Abrechnungspraxis der Heilfürsorge geprüft und dabei die folgenden Feststellungen getroffen.

2 Organisation und Verfahren

2.1 Konzentration beim Landesamt für Besoldung und Versorgung

Durch die Zusammenfassung der Zuständigkeit für die Abrechnung der Heilfürsorge beim LBV hat sich der Verwaltungsaufwand deutlich reduziert:

Waren bis 2005 insgesamt 26,8 Stellen für die Abrechnung der Heilfürsorge bei den befassten Dienststellen der Polizei vorgesehen, so werden seit November 2007 nur noch 18,5 Stellen für diese Aufgabe in Anspruch genommen. Nicht eingerechnet sind dabei allerdings Aufsichts- und Serviceleistungen der Querschnittseinheiten im LBV, die sich nicht im Einzelnen beziffern lassen.

Außerdem hat die Konzentration der Zuständigkeit beim LBV zu einer einheitlichen Verwaltungspraxis geführt, die das stark differierende Ausgabenverhalten der einzelnen Heilfürsorgestellen nivelliert hat. Konsequent wäre es, nunmehr auch die ministerielle Zuständigkeit für die Regelung der Heilfürsorge auf das Finanzministerium zu übertragen.

2.2 Rechtsgrundlagen

Die gesetzliche Grundlage der Heilfürsorge in den §§ 141 und 147 des Landesbeamtengesetzes entspricht nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung einer Verordnungsermächtigung. Es bedarf daher im Zuge der anstehenden Dienstrechtsreform einer ausführlicheren Regelung im Gesetz, durch die die wesentlichen Rahmenbedingungen der Heilfürsorge normiert werden.

Außerdem wird in der Praxis noch immer die Verwaltungsvorschrift zur Heilfürsorgeverordnung aus dem Jahr 1998 angewendet, die zum 31.12.2005 außer Kraft getreten ist.

2.3 Zusammenarbeit mit den Leistungserbringern

Nach wie vor unbefriedigend ist die technische Ausgestaltung der Abrechnung der im Rahmen der Heilfürsorge erbrachten Leistungen durch die (Zahn-)Ärzte und ihre Vereinigungen sowie die übrigen Leistungserbringer.

Die zugrunde liegenden Rahmenverträge sind teilweise mehr als 20 Jahre alt und müssen dringend an die veränderten Verhältnisse im Gesundheitswesen und die Möglichkeiten moderner Datentechnik angepasst werden.

2.3.1 Ärztliche Behandlungen und Medikamente

Die Polizeibeamten erhalten von ihrer Dienststelle für die ärztlichen und zahnärztlichen Behandlungen Behandlungsausweise, auf deren Grundlage die (Zahn-)Ärzte ihre Leistungen mit der kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung abrechnen. Diese prüfen die Abrechnungen, stellen sie zusammen und reichen sie vierteljährlich beim LBV ein. Dort werden diese Sammelabrechnungen nicht noch einmal im Einzelnen überprüft.

Die Medikamente werden gesammelt durch zwei von den Apotheken eingeschaltete Unternehmen abgerechnet.

Der Rechnungshof schlägt vor, die Abrechnung künftig auf ein System beleglosen Datenaustausches umzustellen und den Polizeibeamten dafür maschinenlesbare Krankenversichertenkarten auszuhändigen.

2.3.2 Behandlungen im Krankenhaus

Die Krankenhäuser rechnen ihre Leistungen auf der Grundlage eines Kostenübernahmebescheids unmittelbar mit dem LBV ab.

Das Staatliche Rechnungsprüfungsamt hat festgestellt, dass diese Abrechnungen bislang nicht mit derselben Sorgfalt überprüft werden wie Krankenhausabrechnungen im Rahmen des Beihilfeverfahrens, obwohl nach den Erfahrungen der Finanzkontrolle in diesem Bereich typischerweise Fehler auftreten.

Der Rechnungshof schlägt deshalb vor, die im Rahmen der Heilfürsorge anfallenden Krankenhausabrechnungen intensiver zu prüfen.

3 Ausgaben für die Heilfürsorge

3.1 Ist-Ausgaben

Die Ausgaben für die Heilfürsorge sind - wie alle Ausgaben im Gesundheitswesen - in den letzten Jahren stark angestiegen.

Die Entwicklung der Ausgaben von 2000 bis 2007 ergibt sich aus der Tabelle.

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Trotz eines Rückgangs der Zahl der Heilfürsorgeberechtigten sind die Ausgaben im Zeitraum 2000 bis 2007 um 23,5 % gestiegen. Die Ausgaben je Berechtigten haben sich im selben Zeitraum um 26,4 % erhöht.

Gleichwohl liegen die Ausgaben je Berechtigten für die Heilfürsorge unter den Ausgaben, die das Land für seine aktiven Beamten im Bereich der Beihilfe leistet (2007: 1.923 € je aktiven Beamten).

Diese Differenz von 390 € ist verschiedenen Umständen geschuldet:

  • Die Sätze, nach denen Heilfürsorgeleistungen abgerechnet werden, orientieren sich an den Vergütungssätzen der Ersatzkassen für vertragsärztliche Leistungen. Diese sind in der Regel geringer als die Sätze, die die Ärzte den beihilfeberechtigten Privatpatienten in Rechnung stellen (dürfen). Bei den Medikamenten gewähren die Apotheken dem Land einen Rabatt, den die beihilfeberechtigten Beamten nicht erhalten.
  • Bei der Heilfürsorge gelten verschiedene Leistungseinschränkungen aus dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, die das Beihilferecht bislang nicht übernommen hat (z. B. die Nichterstattung des Aufwands für nicht verschreibungspflichtige Medikamente).
  • Die Heilfürsorgeberechtigten unterscheiden sich in maßgeblichen Merkmalen von den Beihilfeberechtigten. Dabei spielen der vergleichsweise geringe Frauenanteil, das niedrigere Durchschnittsalter und die besondere Altersgrenze bei Polizeibeamten sowie die Tatsache eine entscheidende Rolle, dass die Polizeibeamten nach ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit ausgewählt werden.

3.2 Möglichkeiten der Begrenzung der Ausgaben für die Heilfürsorge

Bereits in der Denkschrift 1994 hat der Rechnungshof verschiedene Kostendämpfungsvorschläge für die Heilfürsorge unterbreitet und dabei u. a. verschiedene Möglichkeiten der Eigenbeteiligung der Heilfürsorgeberechtigten an den durch Krankheit verursachten Kosten vorgeschlagen. Landtag und Landesregierung sind diesen Vorschlägen seinerzeit nur teilweise gefolgt.

Immerhin wurden in der Folgezeit eine Reihe von Leistungseinschränkungen aus dem Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung in das System der Heilfürsorge übernommen. Nach dem Vorbild der Beihilfe leisten diejenigen Polizeibeamten, die im Krankenhaus Wahlleistungen in Anspruch nehmen wollen, einen monatlichen Beitrag von 13 €.

Die zurückhaltende Reaktion der Landesregierung auf die Vorschläge des Rechnungshofs wurde seinerzeit im Wesentlichen damit begründet, dass auch die anderen Bundesländer keine Eigenbeteiligungen vorsehen und eine bundeseinheitliche Regelung geboten sei.

Mittlerweile gewähren nur noch die Länder Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen allen aktiven Polizeibeamten uneingeschränkte Heilfürsorge. In Bayern, Rheinland-Pfalz und Thüringen ist die uneingeschränkte Heilfürsorge auf Polizeibeamte in der Ausbildung, bei Übungen und Einsätzen beschränkt.

Die Eigenbeteiligung an den Krankheitskosten erfolgt entweder durch die Integration der Polizeibeamten ins Beihilfesystem mit entsprechenden Kostendämpfungspauschalen (Bayern, Berlin, Hessen, Saarland, Rheinland-Pfalz, Thüringen), durch Anwendung der in der gesetzlichen Krankenversicherung vorgesehenen Zuzahlungen (Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen) oder durch eine pauschale Eigenbeteiligung in Höhe von 1,4 % des Grundgehalts (Brandenburg, Schleswig-Holstein, Hamburg) oder sogar 1,6 % des Grundgehalts (Niedersachsen).

Die Eigenbeteiligung schafft bei entsprechender Ausgestaltung neben dem unmittelbaren Einspareffekt ein wirtschaftliches Interesse des Beamten an einer sparsamen Inanspruchnahme der angebotenen Heilfürsorgeleistungen.

Der Rechnungshof regt deshalb an, im Zuge der Novellierung des Landesbeamtengesetzes und der Heilfürsorgeverordnung eine Eigenbeteiligung der Polizeibeamten an den Kosten der Heilfürsorge zu erwägen.

Bei einer Eigenbeteiligung in Höhe von 10 % der auf den jeweiligen Beamten entfallenden Heilfürsorgeaufwendungen würde sich ein Einsparpotenzial für das Land in Höhe von 2 bis 3 Mio. € jährlich ergeben. Um die finanzielle Belastung des einzelnen Beamten in Grenzen zu halten, könnte ein Höchstbetrag für die Eigenbeteiligung (z. B. 400 € jährlich) vorgesehen werden, der etwa der Höhe der Prämie entspricht, die bei einer privaten Krankenversicherung für die Absicherung von 10 % der Krankheitskosten fällig wäre. Die Besserstellung der aktiven Polizeibeamten gegenüber den beihilfeberechtigten Beamten (90 % statt 50 bis 70 % Kostenerstattung) bliebe bei dieser Regelung erhalten.

3.3 Überführung der Heilfürsorge in das System der Beihilfe

Der in mehreren anderen Bundesländern vollzogene Systemwechsel von der freien Heilfürsorge zur Beihilfe für aktive Polizeibeamte bzw. neu eingestellte aktive Polizeibeamte empfiehlt sich für das Land Baden-Württemberg nicht.

Aufgrund der in Baden-Württemberg geltenden Beihilferegelungen würde ein solcher Systemwechsel voraussichtlich nicht zu einer Einsparung, sondern zu Mehrausgaben führen.

4 Stellungnahme der Ministerien

Das Finanzministerium erhebt keine grundsätzlichen Einwendungen, wendet sich aber in seiner Stellungnahme gegen die Feststellung, die Krankenhausabrechnungen würden nicht intensiv geprüft. Vielmehr erfolge im Rahmen des Möglichen eine Plausibilitätsprüfung.

Weiterhin stellt das Finanzministerium die vom Rechnungshof genannten Beihilfeausgaben je aktiven Beamten infrage.

Schließlich wendet sich das Finanzministerium gegen den Vorschlag, eine prozentuale Beteiligung des Polizeibeamten an seinen Heilfürsorgeaufwendungen vorzusehen, da dies mit unverhältnismäßig großem Verwaltungsaufwand verbunden sei und erstmals eine individuelle Zurechnung der Heilfürsorgeausgaben notwendig machen würde. Eine nach der Höhe des Grundgehalts bemessene Beteiligung des Beamten an den Heilfürsorgeaufwendungen komme deshalb aus der Sicht des Ministeriums eher in Betracht als die vom Rechnungshof vorgeschlagene Lösung. Auch die Frage der Integration der heilfürsorgeberechtigten Beamten in das System der Beihilfe müsse ergebnisoffen geprüft werden.

Das Innenministerium erhebt keine Einwände gegen die Sachdarstellung und die Vorschläge des Rechnungshofs. Es wendet sich jedoch gegen die vom Finanzministerium in die Diskussion gebrachte nach der Höhe des Grundgehalts bemessene Beteiligung der Beamten an den Heilfürsorgeaufwendungen.

5 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof bleibt bei seiner Empfehlung, dass die Krankenhausabrechnungen im Rahmen der Heilfürsorge intensiver geprüft werden müssen. Die vom Finanzministerium genannte Prüfungstiefe trägt der wirtschaftlichen Bedeutung dieser Kostengruppe nicht ausreichend Rechnung.

Die vom Rechnungshof genannten Zahlen beruhen auf Ergebnissen des LBV und sind korrekt. Würden die vom Finanzministerium in seinen Statistiken genannten Zahlen eingesetzt, ergäbe sich eine noch größere Differenz zwischen den Heilfürsorgeaufwendungen und den Aufwendungen für die Beihilfe.

Vor diesem Hintergrund bleibt der Rechnungshof bei seiner Auffassung, dass ein Systemwechsel zur Beihilfe gegenwärtig keine Einsparung brächte.

Richtig ist, dass das vom Rechnungshof vorgeschlagene Modell der Eigenbeteiligung einen höheren Verwaltungsaufwand verursacht als eine nach der Höhe des Gehalts bemessene pauschale Eigenbeteiligung der Polizeibeamten. Dieser Verwaltungsaufwand wäre jedoch bei Einsatz einer maschinenlesbaren Krankenversichertenkarte überschaubar und würde zugleich eine kostendämpfende Wirkung entfalten, die den Verwaltungsaufwand kompensiert.

Andererseits trägt auch die vom Finanzministerium in Betracht gezogene und in einigen anderen Bundesländern realisierte Form der Eigenbeteiligung den Bedenken des Rechnungshofs gegen das heutige System Rechnung und könnte zu einer vergleichbaren Entlastung des Landeshaushalts führen wie der Vorschlag des Rechnungshofs.