Ableitung und Behandlung von Straßenoberflächenwasser [Beitrag Nr. 13]

Das von Straßen abfließende Niederschlagswasser wird häufig in eigens dafür erstellten Behandlungsanlagen gereinigt. Mit der Optimierung von Planung, Betrieb und Unterhaltung könnten Bau und Folgekosten dieser Anlagen verringert und der Gewässerschutz - auch unter ökologischen Gesichtspunkten - verbessert werden.

1 Ausgangslage

Die Notwendigkeit der Entwässerung von Verkehrsflächen ergibt sich in erster Linie aus den konstruktiven Anforderungen des Straßenoberbaus, aber auch aus nutzungsbedingten Sicherheitsansprüchen an das Bauwerk. Zugleich darf sich die Niederschlagswasserbeseitigung nicht nachteilig auf Boden und Gewässer auswirken, zumal mit ihr zahlreiche belastende Stoffe von den Straßenoberflächen abgespült werden. Verkehrsunfälle, z. B. mit Tanklastfahrzeugen, bei denen Wasser gefährdende Flüssigkeiten freigesetzt werden, sind vor allem in Wassergewinnungsgebieten ein zusätzliches Gefährdungspotenzial.

Das von Verkehrsflächen abfließende Niederschlagswasser wird daher meist gesammelt, abgeleitet und in eigens dafür erstellten Behandlungsanlagen gereinigt. Je nach Schutzziel werden Anlagen zur Ablagerung von Stoffen oder zum Rückhalt von Leichtflüssigkeiten (z. B. Benzin, Öle) eingesetzt. Regenrückhaltebecken werden für den Fall errichtet, dass Fließgewässer in Spitzenlastzeiten das Straßenoberflächenwasser mengenmäßig nicht mehr aufnehmen können. Häufig werden auch Anlagenkombinationen erstellt, um stoffliche und zugleich hydraulische Gewässerbelastungen zu reduzieren.

Seit Inkrafttreten der Verwaltungsstrukturreform am 01.01.2005 sind die Regierungspräsidien als Straßenbaubehörden zuständig für Planung, Bau und Erhaltung der Landesstraßen einschließlich der Entwässerungsanlagen. Der gesamte Straßenbetriebsdienst, und damit auch die Unterhaltung der Entwässerungsanlagen, wurde den Landratsämtern und den Bürgermeisterämtern der Stadtkreise übertragen; die Kreise erhalten dafür vom Land jährliche Ausgleichszahlungen.

2 Planung, Bau und Betrieb von Straßenentwässerungsanlagen

Beim Aus- oder Neubau von Straßen ist zu klären, ob und wie das von Verkehrsflächen abfließende Niederschlagswasser zu sammeln, abzuleiten und zu beseitigen ist.

Innerhalb geschlossener Ortschaften wird das von befestigten Verkehrsflächen abfließende Niederschlagswasser bislang überwiegend gesammelt und in die öffentliche Kanalisation eingeleitet. Das Straßenoberflächenwasser außerhalb geschlossener Ortschaften fließt normalerweise großflächig über die Bankette und Böschungen ab und versickert oder es wird in Straßenentwässerungsgräben eingeleitet. Diese Entwässerungsart wird angewendet, wenn die Auswirkungen auf den Boden- und Wasserhaushalt tolerierbar sind.

Reichen die Platzverhältnisse entlang der Straßen nicht aus bzw. lassen die Untergrundverhältnisse oder ein zu geringer Abstand zum Grundwasserleiter eine Versickerung nicht zu, werden die Niederschlagsabflüsse gesammelt, in Kanälen oder Rohrleitungen abgeleitet und an geeigneter Stelle versickert oder in oberirdische Gewässer eingeleitet.

In Wassergewinnungsgebieten ist im Regelfall die Behandlung des Straßenoberflächenwassers geboten, bevor es in Gewässer eingeleitet wird. Außerhalb der sensiblen Bereiche wird dies dann erforderlich, wenn das Straßenoberflächenwasser in leistungsschwache und/oder ökologisch empfindliche Oberflächengewässer eingeleitet werden soll.

Welche Art der Abwasserbeseitigung anzuwenden ist, wird im Einzelfall, ggf. im Rahmen einer Machbarkeitsstudie, entschieden. Hierbei werden mögliche Kombinationen von Entwässerungsarten für einzelne Streckenabschnitte bzw. für Abflussteilmengen untersucht. Die Art der Entwässerung wird maßgeblich von den örtlichen Gegebenheiten beeinflusst.

3 Wirtschaftliche Aspekte bei der Planung

Die Investitionen für die Ableitung und Behandlung von Straßenoberflächenwasser binden langfristig viel Kapital. Das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit erfordert, dass für diejenigen Verkehrsflächen, an denen Schutzmaßnahmen durchzuführen sind, die Notwendigkeit von Art und Umfang der Maßnahmen qualifiziert und angemessen abgewogen wird.

Im Rahmen einer Prüfung von Behandlungsanlagen an Landesstraßen hat der Rechnungshof zusammen mit dem Staatlichen Rechnungsprüfungsamt Stuttgart festgestellt, dass nur vereinzelt Varianten für die Ableitung und Behandlung von Straßenoberflächenwasser untersucht wurden. Auch die Festlegung der Standorte für Behandlungsanlagen orientierte sich nur vereinzelt an ökonomischen Aspekten für den Bau und Betrieb solcher Anlagen. Der Wirtschaftlichkeitsnachweis der jeweils gewählten Art der Niederschlagswasserbeseitigung beschränkte sich regelmäßig auf die Gegenüberstellung von Vor- und Nachteilen möglicher Varianten. Hinzu kommt, dass bei keinem der geprüften Straßenentwässerungsprojekte die in der Regel nicht unerheblichen Folgekosten berücksichtigt wurden.

Es ist hinreichend bekannt, dass der Einfluss auf die Optimierung eines Projekts und dessen Bau- und Folgekosten zu Beginn eines Planungsprozesses am größten ist, während Möglichkeiten zur Kostenminimierung in den weiteren Planphasen immer geringer werden.

Entsprechend kann bei der Niederschlagswasserbeseitigung von Verkehrswegen eine Kostenoptimierung und umfassende Qualitätsverbesserung nur erzielt werden, wenn mögliche Abwasseranlagen bereits in die Untersuchung von Trassenvarianten einbezogen werden.

Die Planungen sollten nicht nur stärker auf eine wirtschaftliche und technische Optimierung neuer und ggf. bestehender Anlagen ausgerichtet werden, sondern vorzugsweise auch die Belange der Bauausführung und des Betriebs berücksichtigen. Ein wesentliches Kosteneinsparpotenzial kann dabei durch eine differenzierte und zeitgemäße Anlagenbemessung ausgeschöpft werden. Hierzu gehört beispielsweise die Anwendung hydrodynamischer Berechnungsmethoden, die zu kleineren Kanalrohr- oder Leitungsquerschnitten führen können.

Ein unverzichtbarer Bestandteil der Planoptimierung ist ein intensiver Informationsaustausch zwischen den planenden Ingenieuren, den Bauleitern und dem Straßenbetriebsdienstpersonal. Viele Anlagen für die Behandlung von Straßenoberflächenwasser sind bereits seit mehreren Jahrzehnten in Betrieb, sodass nunmehr auch Schlussfolgerungen für eine optimierte Bemessung, Gestaltung und den Betrieb zukünftiger Anlagen abgeleitet werden können. Die Bemessungs- und Konstruktionsansätze sollten anhand praktischer Erkenntnisse ebenso regelmäßig hinterfragt werden wie die Ansätze hinsichtlich Betrieb, Kontrolle und Unterhaltung. Somit könnten planungs-, bau- und betriebsbedingte Erschwernisse künftig bereits frühzeitig weitgehend ausgeschlossen werden.

4 Wirtschaftliche Aspekte bei Betrieb und Unterhaltung

Der ordnungsgemäße Betrieb der Behandlungsanlagen (z. B. Bedienung von Absperrschiebern und Pumpen) war in etwa der Hälfte der Fälle nicht in vollem Umfang sichergestellt. Überdies wurden Kontroll-, Wartungs- und Reinigungsintervalle der Straßenentwässerungsanlagen häufig nicht eingehalten. Der Grund dafür waren fehlende Anlagendokumentationen (u. a. die für den jeweiligen Betriebsablauf erforderlichen Angaben und Anweisungen).

Kanäle, Leitungen, Pumpwerke und Anlagen für die Behandlung von Straßenoberflächenwasser sind jedoch kostenintensive abwassertechnische Einrichtungen, deren Funktionsfähigkeit regelmäßige Kontrollen voraussetzt. Wartung und zeitnahe Instandsetzung müssen von gut aus- und fortgebildetem Betriebspersonal durchgeführt werden. Vor allem in Einzugsbereichen von Wassergewinnungsanlagen müssen die Schutzfunktionen der Anlagen sichergestellt werden. Dazu sind genaue Kenntnisse über die Anlagen sowie die verfahrenstechnischen Zusammenhänge der Ableitung und Behandlung von Straßenoberflächenwasser erforderlich.

Zu einem ordnungsgemäßen Betrieb gehören ferner Dienst- und Betriebsanweisungen. In aktuellen Alarm- und Gefahrenabwehrplänen sind insbesondere Eingriffsmöglichkeiten und Schadenabwehrmaßnahmen für den Fall vorzusehen, dass Wasser gefährdende Stoffe durch einen Unfall freigesetzt werden. Dazu gehören auch dokumentierte und zugängliche Anfahrtswege sowie die Abstimmung der Zusammenarbeit mit den Einsatzkräften der örtlichen Feuerwehren.

5 Entsorgung von Abfällen und Rückständen

Zur Klärung möglicher Entsorgungspfade für die Reststoffe aus Behandlungsanlagen für Straßenoberflächenwasser (z. B. Ablagerungen und Leichtstoffe) wurden z. T. sehr teure Wasser- und Schlammanalysen durchgeführt. Ebenso war die Entsorgung von Reststoffen durch private Entsorgungsunternehmen mit sehr hohen Kosten verbunden.

Durch optimierte Entnahmezyklen für Leichtstoffe und Ablagerungen aus den Behandlungsanlagen und kostengünstige Entsorgungswege, z. B. Abfuhr der Reststoffe auf kommunale Kläranlagen, könnten erhebliche Kosten eingespart werden. Ferner sollte die Reststoffentsorgung wegen der erheblichen Kosten auch bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung von Behandlungsanlagen im Hinblick auf die Folgekosten berücksichtigt werden.

6 Bestands- und Zustandserfassung, Dokumentation

Straßenbauämter, die mit der Erfassung der Behandlungsanlagen begonnen hatten, haben diese wegen der Umsetzung der Verwaltungsstrukturreform zum 01.01.2005 eingestellt. Die für technische Einrichtungen vorgeschriebenen Dokumentationen - sogenannte Beckenbücher - lagen daher nur selten vor.

Der ordnungsgemäße Anlagenbetrieb kann jedoch nur sichergestellt werden, wenn Kenntnisse über den Anlagenbestand, die Funktionsweise sowie den baulichen und technischen Zustand der Bauwerke vorliegen. Die Erfassung dieser Grunddaten und deren Dokumentationen sind daher zwingend erforderlich. Zudem ist die vollständige Erfassung der technischen und betriebswirtschaftlichen Daten für eine Kostenkontrolle unerlässlich. Sie trägt wesentlich zu einer transparenten Kostenplanung sowohl für das Land als auch für die Landratsämter und Bürgermeisterämter der Stadtkreise bei. Ferner eignet sie sich dazu, u. a. Defizite aufzudecken und Verbesserungsmöglichkeiten zu erkennen.

Im Hinblick auf optimierte Planungen sollten betriebliche Besonderheiten von Anlagen zur Ableitung und Behandlung von Straßenoberflächenwasser dokumentiert und den Planern zur Verfügung gestellt werden. Die Rückkopplung aus der Praxis ist für die Planung von Straßenentwässerungsanlagen eine wertvolle Grundlage, um künftig bessere, an die örtlichen Gegebenheiten angepasste und damit wirtschaftlichere Lösungen zu ermöglichen. Durch Informationsrückflüsse können Fehlplanungen sowohl bei Neubau- als auch bei Sanierungsvorhaben vermieden und damit die Investitionen und Folgekosten verringert werden. Dieses Vorgehen gewährleistet auch, dass die Funktionsweise der Bauwerke dauerhaft aufrechterhalten und der Betrieb optimal geführt werden kann.

Einen Beispiel gebenden Ansatz hierzu verfolgte ein ehemaliges Straßenbauamt. Die Grobkonzeption zur Verbesserung des Anlagebetriebs umfasste die Vorgehensweise von der Planung, dem Bau und dem Betrieb sowie der Ertüchtigung von Abwasseranlagen und mündete in ein Kostenmanagement. Ziel war die wirtschaftliche und technische Optimierung neuer, aber auch bestehender Anlagen unter Berücksichtigung der Investitionen und Folgekosten. Die Arbeiten wurden wegen der Umsetzung der Verwaltungsstrukturreform unterbrochen und durch das inzwischen zuständige Landratsamt bislang nicht fortgeführt.

Unter dem Gesichtspunkt der Trennung der Zuständigkeiten für die Erhaltung (Regierungspräsidium) und die Unterhaltung (Landratsämter und Bürgermeisterämter der Stadtkreise) ist eine koordinierte Gesamtkostenplanung - auch im Sinne der gezielten Bewirtschaftung der Landesmittel - künftig unumgänglich.

7 Stellungnahme des Ministeriums

Das Innenministerium gibt zu bedenken, dass sich die Ausführungen des Rechnungshofs im Wesentlichen auf Erkenntnisse aus einem Regierungsbezirk gründen und deshalb nicht ohne Weiteres auf die gesamte Straßenbauverwaltung übertragen werden können. Es teilt aber grundsätzlich die Auffassung des Rechnungshofs, dass durch gezielte Maßnahmen erhebliche Kosteneinsparpotenziale ausgeschöpft und zugleich ein verbesserter Gewässerschutz erzielt werden können. Hierzu zählen vor allem die frühzeitige Abstimmung zwischen den für die Planung verantwortlichen Straßenbaubehörden und den anderen Fachplanungen, die Berücksichtigung der Belange der Bauausführung und des ordnungsgemäßen Betriebs bereits bei der Planung sowie eine differenzierte und zeitgemäße Anlagenbemessung.

Das Innenministerium geht davon aus, dass ein großer Teil der vom Rechnungshof beschriebenen Defizite mittelfristig nicht mehr bestehen wird. Es sieht einen wichtigen Lösungsansatz in der Einführung des gemeinsam von Straßenbau- und Wasserwirtschaftsverwaltung aufgestellten, bislang als Entwurf bei den Dienststellen vorliegenden und mittlerweile nochmals überarbeiteten „Handbuchs zur Ableitung und Behandlung von Straßenoberflächenwasser". Das Handbuch soll in Kürze mit einer gemeinsamen Verwaltungsvorschrift von Innen- und Umweltministerium innerhalb der Straßenbau- und Wasserwirtschaftsverwaltung verbindlich eingeführt werden, wobei auch die Landratsämter in ihrer Funktion als untere Verwaltungsbehörden die technischen Regeln anwenden müssen. Die Einführung soll durch Schulungsmaßnahmen und durch einen mittelfristig durchzuführenden interdisziplinären Erfahrungsaustausch zwischen Straßenbauverwaltung (Bereiche Planung und Betrieb) und Wasserwirtschaftsverwaltung begleitet werden.

Die Forderung des Rechnungshofs nach Einhaltung der Vorschriften zur Dokumentation der Behandlungsanlagen wird vom Innenministerium unterstützt. Es werde darauf hinwirken, dass die hierfür vorgesehenen Beckenbücher künftig ausnahmslos bereits während der Planung erstellt werden. Soweit dies bisher nicht erfolgt sei, solle die erforderliche Dokumentation durch Nacherfassungen gewährleistet werden. Der vom Rechnungshof empfohlene Aufbau eines speziellen Fachinformationssystems für die Behandlungsanlagen könne derzeit mangels personeller und finanzieller Ressourcen nicht realisiert werden. Das Innenministerium weist aber darauf hin, dass seitens der Straßenbauverwaltung angedacht sei, den Datenbestand der dortigen Straßendatenbank Zug um Zug um Informationen über Bestand, Zustand und Betriebsdaten von Anlagen zur Behandlung von Straßenoberflächenwasser zu erweitern.

8 Schlussbemerkung

Angesichts der erheblichen Investitionen und Folgekosten müssen für die Niederschlagswasserbeseitigung bei Verkehrswegen zeitgemäße, ganzheitliche und wirtschaftliche Lösungen angestrebt werden. Das von der Beseitigung des Straßenoberflächenwassers ausgehende Restrisiko für den Boden und den Wasserhaushalt muss dabei auf ein für die Umwelt vertretbares Maß reduziert werden.

Die Regierungspräsidien sollten stärker als bisher im Rahmen ihrer Fachaufsicht auf die Erfüllung der Unterhaltungsarbeiten an den Entwässerungsanlagen durch die unteren Verwaltungsbehörden achten. Der erhebliche Einsatz von Landesmitteln ist nämlich nicht zu rechtfertigen, wenn die Ableitungs- und Behandlungsanlagen für Straßenoberflächenwasser nach ihrer Inbetriebnahme mehr oder weniger sich selbst überlassen werden und infolgedessen ihre Funktionen immer mehr nachlassen.

Der vom Innenministerium eingeschlagene Weg, alle Beteiligten einzubeziehen und sowohl aus wirtschaftlichen als auch aus ökologischen Gründen der Optimierung von Planung, Betrieb und Unterhaltung der Entwässerungsanlagen mehr Bedeutung beizumessen, ist richtig.