Eine ursprünglich einfache Fachförderung wurde im landesweit uneinheitlichen Vollzug komplex und undurchschaubar. Zudem führten überzogene Kostenansätze und unzulässige Anfinanzierungen zu erheblichen Förderengpässen, wodurch die Realisierung wasserwirtschaftlicher Ziele verschleppt wurde. Die Mängel wurden in den 1995 und 2000 novellierten Förderrichtlinien nur zum Teil behoben.
1 Vorbemerkung
Das Land fördert den Bau von Abwasseranlagen, um gleichwertige Lebensbedingungen zu schaffen sowie überdurchschnittliche und unangemessene Abwasserentgelte in einzelnen Gemeinden zu verhindern. Die Fördermittel wurden zunächst nach den Förderrichtlinien Wasserwirtschaft von 1984 (FrWw) verteilt. Um trotz immer knapper werdender Mittel möglichst viele Projekte fördern zu können, wurden diese RL 1992 novelliert und die Fördersätze stark herabgesetzt. Dennoch waren die Fördermittel erheblich überzeichnet, hohe Zwischenfinanzierungskosten bei den Zuwendungsempfängern waren die Folge. Dies war mit ein Grund, neue Förderrichtlinien zu erarbeiten. Diese traten 1995 in Kraft und wurden zuletzt 2000 geändert. Laufende Zuwendungsverfahren wurden jedoch weiter nach den bisherigen FrWw abgewickelt und abgeschlossen.
Nachdem der RH bei Einzelprüfungen auf Unstimmigkeiten bei der Abwicklung der Zuwendungsverfahren stieß, untersuchte er im Rahmen einer Querschnittsprüfung mit den StRPÄ die Förderpraxis. Betrachtet wurden insgesamt 29 stichprobenweise ausgewählte Vorhaben, welche nach den FrWw Jahr 1984 und deren Novellierung 1992 bewilligt, aber auch von den Übergangsbestimmungen der FrWw 1995 erfasst wurden.
2 Feststellungen zum Zuwendungsverfahren
2.1 Gesamtfinanzierung der Vorhaben
Gemäß VV zu § 44 LHO dürfen Zuwendungen nur bewilligt werden, wenn die Gesamtfinanzierung und die Funktionsfähigkeit des Vorhabens gesichert sind. Eine Anfinanzierung von Vorhaben ist unzulässig. Die Gesamtfinanzierung eines Vorhabens ist im Finanzierungsplan darzustellen, der mit dem Antrag auf Projektförderung vorzulegen ist. Die Sicherung der Gesamtfinanzierung des Vorhabens ist wesentliche Voraussetzung der Anteilfinanzierung durch das Land. Bei einer Anfinanzierung trägt dagegen der Zuwendungsempfänger das volle Risiko der Zwischen- ggf. sogar der Restfinanzierung.
Umfangreiche Kläranlagenneu- und -ausbauten wurden in sog. Finanzierungsabschnitten bezuschusst. Ein Zweckverband beantragte beispielsweise Ende 1989 Zuwendungen für die Erweiterung seiner Kläranlage. Die Baukosten waren im Finanzierungsplan mit 36,5 Mio. DM veranschlagt. Das Vorhaben umfasste nachstehende Maßnahmen:
- mechanische Reinigungsstufe,
- biologische Reinigungsstufe (Nitrifikation, Denitrifikation, Phosphatelimination),
- Schlammbehandlung und -entwässerung.
Das RP als Bewilligungsbehörde ermittelte auf Grund zuwendungsfähiger Ausgaben von 35,4 Mio. DM einen Fördersatz von 51 %, was einer Zuwendung von rd. 18,1 Mio. DM entspricht. Ungeachtet des eingereichten Finanzierungsplans wurde jedoch nur ein erster Finanzierungsabschnitt von 3,0 Mio. DM gefördert und dafür ein Zuwendungshöchstbetrag von 1,53 Mio. DM bereitgestellt. Die Finanzierung der Restbaukosten sollte in den nächsten Haushaltsjahren sichergestellt werden.
In den Folgejahren wurden die Zuwendungen nach und nach auf der Grundlage der FrWw 1984 aufgestockt, zuvor erteilte Zuwendungsbescheide wurden mit sog. Aufstockungsbescheiden aufgehoben. Die Kläranlagenerweiterung wurde Ende 1997 abgerechnet. Die ursprünglich zuwendungsfähigen Ausgaben erhöhten sich um 16,4 Mio. DM auf 51,8 Mio. DM (+ 46 %). Statt der ursprünglichen Zuwendung von rd. 18,4 Mio. DM wurden 26,4 Mio. DM ausbezahlt.
Da mit dem ersten Zuwendungsbescheid nur ein Bruchteil der eigentlich beantragten Fördermittel bewilligt wurde, war die Gesamtfinanzierung der Kläranlagenerweiterung nicht gesichert und somit der ursprüngliche Finanzierungsplan des Zuwendungsempfängers hinfällig. Es lag also eine unzulässige Anfinanzierung durch das Land vor.
Die landesweit gängige Förderpraxis mit unzulässigen Anfinanzierungen führte zu faktischen Verpflichtungen gegenüber den Zuwendungsempfängern, sodass mittelfristig der Handlungsspielraum für die Fördermittelverteilung sowie auch für neue politische Zielsetzungen (z. B. Richtlinienänderungen) erheblich eingeengt wurde. So entstanden beispielsweise bei einem RP bis Mitte 1991 faktische Verpflichtungen von über 300 Mio. DM, die im Jahr 1994 immer noch weit über 200 Mio. DM betrugen. Für die Maßnahmen, die unter den alten RL anfinanziert und in den Folgejahren in Form von „Aufstockungsbescheiden“ noch ausfinanziert werden mussten, wurden 40 % des jährlich zur Verfügung stehenden Fördermittelvolumens eingesetzt. Diese unter die Übergangsbestimmungen der FrWw 1995 fallende „Altfälle“ konnten erst 2000 abgeschlossen werden.
2.2 Förderung von Funktions-/Finanzierungsabschnitten
Mit den FrWw 1992 wurden u. a. die Fördersätze stark herabgesetzt. Für die Abwicklung nicht abgeschlossener Zuwendungsverfahren erließ das ehemalige Umweltministerium Bearbeitungs- und Auslegungshilfen. Danach war der Fördersatz für jeden Funktionsabschnitt aus den anrechenbaren Gesamtkosten der Anlage zu ermitteln. Zu diesen Kosten zählten die Ausgaben für bereits 17 bzw. 25 Jahre zuvor errichtete Abwasseranlagen, abzüglich der ausbezahlten Zuwendungen, und die zuwendungsfähigen Investitionen für die beantragte neue Maßnahme. War der beantragte Funktionsabschnitt Teil eines Gesamtvorhabens, konnte der Antragssteller darüber hinaus auch die zuwendungsfähigen Ausgaben für die in künftigen Jahren projektierten Maßnahmen angeben, vorausgesetzt, das Gesamtvorhaben war innerhalb von sechs Jahren durchzuführen.
Für den im Zuwendungsbescheid ausgewiesenen Funktionsabschnitt waren die zum Zeitpunkt der Bewilligung geltenden Förderbestimmungen anzuwenden; dies galt auch, wenn sich die Förderbestimmungen während der Durchführung des Vorhabens änderten. Dagegen waren die Zuwendungen für nicht begonnene Funktionsabschnitte nach den FrWw 1992, also mit den stark reduzierten Fördersätzen, zu bewilligen.
Zu Gesamtvorhaben konnten Funktionsabschnitte zusammengefasst werden, durch die die Reinigungsleistung der Kläranlage, der Betrieb der Anlage oder die Entsorgung der Reststoffe verbessert oder erleichtert wird. Insofern hätte die zuvor dargestellte Kläranlagenerweiterung (s. Pkt. 2.1) in bautechnisch überschaubare Funktionsabschnitte aufgeteilt und wie selbständige Vorhaben nach den zum Zeitpunkt der Bewilligung geltenden FrWw gefördert werden können. Da für die Finanzierung eines Funktionsabschnittes jedoch nicht genügend Fördermittel zur Verfügung standen, wurden noch kleinere Abschnitte, sog. Finanzierungsabschnitte, gebildet. Hierbei handelte es sich in der Regel um willkürlich gewählte „Investitionsabschnitte“, mit welchem lediglich Teile eines Funktionsabschnittes finanziert wurden, also keine in sich funktionsfähigen Bauabschnitte.
Das RP förderte den ersten Finanzierungsabschnitt wie eine selbständige Maßnahme. Der Fördersatzermittlung wurden zwar die gesamten Anlagekosten des beantragten Vorhabens zu Grunde gelegt, zuwendungsrechtlich ist dies jedoch nicht mit einer Bewilligungszusage für das Gesamtvorhaben gleichzusetzen. Ebenso konnte die im Zuwendungsbescheid enthaltene Willenserklärung über die angestrebte Förderung der Restbaukosten nicht als Bewilligungszusage für das Gesamtvorhaben gewertet werden. Der Zuwendungsempfänger konnte also aus dem Erstbescheid weder Rechtsansprüche auf die Beibehaltung des Fördersatzes noch auf eine später zu erteilende Bewilligung weiterer Zuwendungen ableiten.
Anstatt jedoch die weiteren Finanzierungsabschnitte auf der Grundlage geltender Förderbestimmungen (FrWw 1992) zu bewilligen, wurden die wesentlich höheren Fördersätze der FrWw 1984 unzulässig beibehalten. Somit wurden die weiteren Bauabschnitte einschließlich der Mehrausgaben mit zu hohen Zuwendungen bedient. Auf diese Weise wurde bei der eingangs aufgezeigten Kläranlagenerweiterung der durch die Übergangsregelung nicht abgedeckte Fördersatz von 51 % beibehalten und die Mehrzahl der Gewerke mit zu hohen Zuwendungen bedient. Nach Modellberechnungen des RH lagen die Überzahlungen bei rd. 8,4 Mio. DM.
2.3 Beachtung des Subsidiaritätsgrundsatzes
Zuwendungen dürfen gemäß § 23 LHO u. a. nur dann gewährt werden, wenn das Land an der Erfüllung von Leistungen durch Stellen außerhalb der Landesverwaltung ein erhebliches Interesse hat, die Leistung ohne Zuwendungen nicht oder nicht im notwendigen Umfang erbracht werden kann.
Im Fall der anfinanzierten Vorhaben wurde den §§ 23 und 44 LHO nicht entsprochen, da die Zuwendungsempfänger mit Kenntnis des Zuwendungsgebers über viele Jahre und in großem Umfang Eigenmittel eingesetzt hatten.
Die Akzeptanz der Anfinanzierungen von Bruchteilen der für die Vorhaben veranschlagten Ausgaben sowie die Bereitschaft zu teilweise erheblichen Vorfinanzierungen durch die Antragsteller sieht der RH als ein Indiz dafür, dass die Zuwendungsempfänger die Fördermittel im beantragten Umfang eigentlich nicht benötigten.
2.4 Fördersätze unter Berücksichtigung der tatsächlichen Ausgaben
Die Höhe des Fördersatzes wurde an Hand der in den Förderrichtlinien ausgewiesenen Fördersatztabellen und der spezifischen Anlagekosten (Gesamtkosten der Anlage in Relation zu den durch die Einwohnerzahlen vorgegebene Ausbaugröße der Kläranlage) in Prozent ermittelt.
Im Zuwendungsantrag wurde für den ersten Funktionsabschnitt richtlinienkonform der Kostenanschlag zu Grunde gelegt; für die weiteren, vorwiegend weder genehmigungsfähig noch baureif geplanten Bauabschnitte konnten allerdings vielfach lediglich Kostenschätzungen ausgewiesen werden. Für die Bewilligungsstelle war es außerordentlich aufwändig, oft sogar unmöglich, die Angaben der Antragsteller zu prüfen. Diese Angaben waren jedoch Bemessungsgrundlage für die Fördersatzermittlung.
Geringere Kosten eines Bauabschnitts führten konsequenter Weise zwar zu einer Reduzierung der bewilligten Zuwendung sowie gelegentlich auch des Fördersatzes für diese Teilmaßnahme. Jedoch wurde die Zuwendung für jeden Bauabschnitt eines Gesamtvorhabens nach dessen Abrechnung einzeln, und zwar endgültig festgesetzt, sodass Kostenminderungen späterer Bauabschnitte oder auch Programmreduzierungen unberücksichtigt blieben. Die Bewilligungsstellen unterließen es zudem regelmäßig, die antragsgemäße Realisierung des Gesamtvorhabens zu überprüfen, was für die Festlegung eines einheitlichen Fördersatzes für die Gesamtmaßnahme unverzichtbar gewesen wäre. Die Folge war in den meisten Fällen eine überhöhte Förderung.
Bei den unter die Übergangsbestimmungen fallenden „Altfällen“ wurde der bewilligte Fördersatz beibehalten, was aus Gründen des einfacheren Fördervollzugs mit zwei parallel geltenden RL vertretbar war. Wurde allerdings ein Gesamtvorhaben nicht plangemäß ausgeführt, hätte dem Grunde nach auch hier der Fördersatz reduziert werden müssen. Angesichts der gebotenen Neubemessung des Fördersatzes hätten zahlreiche Zuwendungsempfänger z. T. erheblich geringere Zuwendungen erhalten.
3 Empfehlungen
Mit den 2000 novellierten FrWw wurde in Teilen auf frühere Feststellungen des RH eingegangen. Aus Sicht des RH sollte aber eine weitere, wesentliche Vereinfachung im Verwaltungsvollzug angestrebt werden.
3.1 Fördersatzermittlung im Hinblick auf eine Verwaltungsvereinfachung
Mit den Novellierungen der FrWw 1995 und 2000 ist die Höhe des Fördersatzes nunmehr abhängig von der Höhe des sog. fiktiven Abwasser- und Wasserentgelts, für das ein Antragsschwellenwert von 8,51 DM/m3 eingeführt wurde. Dieses Entgelt errechnet sich dadurch, dass neben den von den Bürgern erhobenen Wasser- und Abwassergebühren auch die künftig möglichen zusätzlichen Gebühren infolge von Investitionen in Anlagen berücksichtigt werden. Der Anteil dieses fiktiven Entgelts am gesamten fördersatzrelevanten Entgelt ist in der Regel jedoch verhältnismäßig gering und rechtfertigt deshalb den erheblichen Verwaltungsaufwand sowohl bei den Kommunalaufsichtsbehörden, der Bewilligungsstelle als auch bei den Antragstellern nicht.
Der RH empfiehlt daher erneut, die Förderung von Vorhaben der Wasserversorgung und der Abwasserentsorgung auf der Basis der effektiven Gebührenbelastung zu ermitteln. Damit die Zuwendungsempfänger dadurch nicht schlechter gestellt werden, sollte der Antragsschwellenwert abgesenkt werden. Neben der vereinfachten Fördersatzermittlung hätte dies zudem den Vorteil, dass bei der endgültigen Festsetzung der Zuwendung der Fördersatz nicht neu ermittelt und ggf. reduziert werden müsste. Damit könnte die Problematik mit abgeschlossenen, aber noch als „laufend“ geführten Maßnahmen, überhöhten Kostenansätzen und Fördersatzreduzierungen vermieden werden.
3.2 Sicherung der Gesamtfinanzierung
Bei Antragsprüfung ist zu gewährleisten, dass die Gesamtfinanzierung und Funktionsfähigkeit der Fördermaßnahme, also z. B. auch die eines Funktionsabschnitts, gesichert ist. Damit soll gegenüber dem Antragsteller eine zuverlässige Finanzplanung sichergestellt werden. Hierbei müssen auch die in künftigen Jahren zu erwartenden Folgekosten berücksichtigt werden, welche die Gesamtfinanzierung ebenso in Frage stellen können wie Nachfinanzierungen. Insofern ist bei der Antragsprüfung künftig dem Kosten- und Finanzierungsplan besondere Bedeutung beizumessen.
3.3 Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes
Der Gleichheitsgrundsatz gebietet es, dass die Fördermittel nach landeseinheitlichen Grundsätzen verwendet werden, was nach Prüfungserkenntnissen des RH nur teilweise der Fall war. Die FrWw sollten daher künftig so ausgestaltet und weiterentwickelt werden, dass sie von den Bewilligungsbehörden und den zuständigen Technischen Fachbehörden einheitlich und ohne Auslegungshinweise umgesetzt werden können.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Nach Ansicht des UVM sind die Feststellungen des RH weitgehend zutreffend. In den Novellierungen der FrWw 1995 und 2000 sieht das UVM jedoch eine Vereinfachung des Förderverfahrens, die vergleichbare Fehlentwicklungen künftig ausschließe.
Die ursprünglich vom UVM vorgeschlagene weitere Verfahrensvereinfachung, den Fördersatz nur auf der Basis der effektiven Gebührenbelastung zu ermitteln, sei nicht weiter verfolgt worden, weil sich das Ressort der Meinung der Kommunalen Landesverbände angeschlossen habe, dass die Vereinfachung der Fördersatzermittlung bei kleineren Kommunen zu erheblichen finanziellen Härten führen könnte.
Im Übrigen will das UVM prüfen, ob und in welcher Form noch Auslegungshinweise zu den FrWw 2000 erforderlich sind.
5 Schlussbemerkung
Der RH verkennt nicht, dass mit den FrWw 2000 u. a. auf Grund neuer Begriffsbestimmungen und Zuwendungsvoraussetzungen eine gesicherte Gesamtfinanzierung erreicht werden kann. Das mit den FrWw 2000 angestrebte Ziel einer grundlegenden Verfahrensvereinfachung für Zuwendungsgeber und Zuwendungsnehmer wurde aber nicht erreicht.
Nach wie vor besteht daher, wie bei den geprüften Förderfällen aus früheren RL, das Risiko eines überhöhten Fördermittelbedarfs, da Fördersätze zu hoch angesetzt und Zuwendungen für Gesamtvorhaben nicht geprüft werden. Eine Umsetzung der Empfehlungen des RH bei der nächsten Novellierung der FrWw 2000 könnte zu einer erheblichen Verbesserung sowie vor allem zu einer weiteren Vereinfachung des Förderverfahrens beitragen.