Angesichts der Überzeichnung des Förderprogramms Kommunaler Straßenbau wurden in den Jahren 1999 und 2000 rd. 200 Vorhaben nur mit relativ geringen Beträgen anfinanziert. Dies führt zu einer faktischen weiteren Vorbelastung von etwa 460 Mio. DM. Neuaufnahmen von Vorhaben sind derzeit nahezu unmöglich. Der Rechnungshof gibt Empfehlungen für die künftige Förderung.
1 Vorbemerkung
Das Land fördert nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) mit rd. 260 Mio. DM im Jahr Vorhaben des Kommunalen Straßenbaus. Für die Förderung stehen Bundesmittel, die dem Land als Finanzhilfen zustehen und als Landesmittel bewirtschaftet werden, sowie ergänzend Mittel des Kommunalen Finanzausgleichs und originäre Landesmittel zur Verfügung.
Den seit Jahren gleichbleibenden Fördermitteln steht eine wachsende Zahl an Anträgen der Gebietskörperschaften gegenüber. Um die knappen Mittel auf mehr Vorhaben verteilen zu können, senkte das UVM im Juni 1998 die bis dahin auf bis zu 80 % festgesetzte Förderquote auf bis zu 70 % ab. Übergangsweise galt, dass nur Vorhaben, bei denen mit der „Bauausführung oder zumindest mit einer wesentlichen Bauleistung bis zum 31.12.1999 begonnen wird, bis zu 80 % der förderfähigen Ausgaben gewährt werden“.
Da trotz der Absenkung die vorhandenen Mittel nicht ausreichten, um alle Vorhaben des GVFG-Programms zu fördern, wies das UVM in einem Erlass vom 06.04.1999 die Präsidien an, dass „GVFG-Vorhaben mit Baubeginn im Hj. 1999 grundsätzlich nur mit einem Anlaufbetrag von 10 000 DM gefördert werden können“.
2 Vorhaben mit einer Anlaufbetrags-Förderung
2.1 Anzahl der Vorhaben mit Anlaufbetrag-Förderung im Jahr 1999
Landesweit wurden mit einem Anlaufbetrag von 10 000 DM 146 Vorhaben gefördert, die mehr als die Hälfte aller 1999 begonnenen Vorhaben ausmachten. Einen Überblick über alle im Jahr 1999 in den einzelnen Regierungspräsidien begonnenen Vorhaben gibt die Übersicht 1.

Von den mit Anlaufbetrag geförderten Vorhaben weisen 84 Maßnahmen zuwendungsfähige Ausgaben unter 2 Mio. DM auf, die von den Straßenbauämtern in eigener Zuständigkeit bewilligt werden; bei 36 Vorhaben liegen diese zuwendungsfähigen Ausgaben zwischen 2 und 5 Mio. DM; weitere 26 sind Vorhaben mit über 5 Mio. DM an zuwendungsfähigen Ausgaben.
2.2 Umfang der Zuwendungen für Vorhaben mit Anlaufbetrags-Förderung (1999)
Der Umfang der erforderlichen Zuwendungen für Vorhaben mit Anlaufbetrags-Förderung aus dem Jahr 1999 sowie deren Verteilung auf die Jahre 2000 bis 2004 nach dem GVFG-Programm sind Übersicht 2 zu entnehmen.

Danach werden landesweit über 400 Mio. DM erforderlich sein, um die 1999 mit einem Anlaufbetrag bewilligten Vorhaben insgesamt fördern zu können; fast die Hälfte hiervon entfällt mit 192 Mio. DM auf das RP Stuttgart.
2.3 Art der mit Anlaufbeträgen geförderten Vorhaben
In der Regel werden Vorhaben ohne erkennbare Prioritätensetzung gefördert. Die Vorhaben decken insgesamt ein breites Spektrum des Kommunalen Straßenbaus ab, zu dem u. a. zählen:
- Neu- und Ausbau von Entlastungsstraßen, Brücken und Tunnel,
- Neubau von (Teil-) Umgehungen und Ausbau von Gemeindeverbindungsstraßen
- Anlage von Kreisverkehren,
- Bau von Geh- und Radwegen, einschließlich Fußgänger- und Radfahrerbrücken,
- Parkleitsysteme und Errichtung von Verkehrssteuerungssystemen.
2.4 Vorleistungen der Zuwendungsnehmer für die Vorhaben mit Anlaufbetrag
Die Auswertung der für 1999 vorliegenden Anträge auf Abschlagszahlungen zeigt, dass für alle Vorhaben die tatsächlichen, in diesem Jahr getätigten zuwendungsfähigen Ausgaben über 10 000 DM liegen. Für eine Mehrzahl der Vorhaben bewegten sich die zuwendungsfähigen Ausgaben in einer Größenordnung von bis zu 100 000 DM. Es gibt aber auch Vorhaben, bei denen die zuwendungsfähigen Ausgaben bei über 1 Mio. DM lagen. Die stichprobenhafte Sichtung von Bauausgabebüchern macht deutlich, dass mit diesen Beträgen nicht nur „Anlaufausgaben“ getätigt wurden, sondern im Sinne der Übergangsregelung bereits tatsächliche Bautätigkeiten erfolgten. Die Gebietskörperschaften finanzieren daher in großem Umfang die Maßnahmen des Kommunalen Straßenbaus vor.
2.5 Vorhaben mit Anlaufbetrags-Förderung im Jahr 2000
Im Kommunalen Straßenbau hielt die Mittelknappheit 2000 unvermindert an, sodass auch in diesem Jahr von der Möglichkeit der Förderung mit Anlaufbeträgen Gebrauch gemacht wurde. Die Zahl beläuft sich auf 62 Vorhaben, die auf die Präsidien Freiburg (17 Vorhaben) und Stuttgart (45 Vorhaben) beschränkt waren (lt. GVFG-Programm). Die Vorhaben bewegten sich vorrangig unter 2 Mio. DM an zuwendungsfähigen Ausgaben, die zu veranschlagenden Zuwendungen lagen bei rd. 60 Mio. DM.
3 Bewertung
3.1 Ordnungs- und Rechtmäßigkeit
Ein Vorhaben darf nach den Verwaltungsvorschriften (VV) zu § 44 LHO u. a. nur dann bewilligt werden, wenn die Gesamtfinanzierung und die Funktionsfähigkeit des Vorhabens sicher gestellt sind; eine Anfinanzierung von Vorhaben ist unzulässig (Nr. 1.1). Die bis Mitte 2000 geltende VV zu § 44 LHO sah vor, dass abweichende Verwaltungsvorschriften über zwingend notwendige Ausnahmen wegen gesetzlicher Vorschriften oder sonstiger Besonderheiten nicht hinausgehen dürfen; die Abweichung kann ferner nur im Einvernehmen mit dem FM erfolgen. Derartige Besonderheiten lagen nach Ansicht des RH weder auf Grund der generellen Mittelknappheit noch wegen der Absenkung der Förderquote vor; das formale Einvernehmen mit dem FM wurde nicht hergestellt.
Die Förderung von 146 Vorhaben im Jahr 1999 und von 62 weiteren im Jahr 2000 mit Anlaufbeträgen von 10 000 DM kommt dem Grunde nach einer Anfinanzierung gleich. Es wurden zwar die insgesamt zuwendungsfähigen Ausgaben ermittelt, die Bewilligung aber letztlich auf 10 000 DM festgesetzt. Da der Antragsteller in der Finanzierungsplanung von Zuwendungen für das insgesamt beantragte Vorhaben ausging, war nun die Gesamtfinanzierung nicht gesichert, da der Zuwendungsempfänger keine Ansprüche auf weitere Zuwendungen herleiten konnte.
2001 bestehen Vorbelastungen aller Maßnahmen im fünfjährigen GVFG-Programm von rd. 1,9 Mrd. DM. Bei jährlichen Fördermitteln von bis zu 295 Mio. DM würde allein das 5-Jahres-Programm damit um 1½ Jahre überschritten; in diesem Zeitraum könnten neue Maßnahmen also nicht gefördert werden. Zwar machen die in Übersicht 2 dargestellten Zuwendungen von durchschnittlich 60 Mio. DM im Jahr für die anfinanzierten Vorhaben nur einen Teil der jährlich verfügbaren Fördermittel aus. Insgesamt aber engen sie die Mittelverfügbarkeit zusätzlich ein und tragen angesichts der generellen Vorbelastungen zu erheblichen Einschränkungen des Handlungsspielraums für künftige Förderungen bei.
3.2 Wirtschaftliche und sparsame Verwendung von Fördermitteln
Im Zuwendungsbereich besteht das Wirtschaftlichkeitsprinzip insbesondere im Gebot der Beachtung der Landesinteressen und dem Subsidiaritätsgrundsatz. Hieraus ergeben sich u. a. als Ansatzpunkte zur Ermittlung der Wirtschaftlichkeit eines Vorhabens im Zuwendungsbereich:
- Plausibilität der Förderung im Hinblick auf vergleichbare Förderungen,
- Notwendigkeit der Förderung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit des Zuwendungsempfängers,
- Priorität gegenüber anderen Vorhaben, die ggf. zurückzustellen sind.
Bei den Zuwendungen für Vorhaben des Kommunalen Straßenbaus hat das UVM derartige Betrachtungen nicht konsequent durchgeführt. Das knappe Gut „Fördermittel im Kommunalen Straßenbau“ wurde nicht optimal eingesetzt.
4 Empfehlungen
4.1 Sicherung der Gesamtfinanzierung
In Anbetracht der hohen Vorbelastung des GVFG-Programms können im Grundsatz auf einige Jahre hinaus bis zum Abbau des bisher aufgelaufenen Mittelvolumens keine Vorhaben des Kommunalen Straßenbaus mehr bezuschusst werden. Die vom UVM bisher gewählte Form, diesem Mittelengpass durch Anfinanzierungen zu begegnen, hat nur unwesentlich zur beabsichtigten Entschärfung der Situation beigetragen. Durch die Bewilligungsbescheide der Anfinanzierungen ergaben sich zwar keine rechtlich verbindlichen Zahlungsverpflichtungen des Landes; faktisch wird sich das Land jedoch der Gewährung von Zuwendungen in Höhe der normalen Förderquote nicht entziehen können. Damit einhergehend werden sich die Vorbelastung des Förderprogramms erhöhen und die Spielräume für weitere Bewilligungen nochmals einengen.
Vor diesem Hintergrund sollte das UVM künftig nur noch die Vorhaben im Kommunalen Straßenbau bewilligen, deren Gesamtfinanzierung gesichert ist. Damit soll nicht nur ein formaler Verstoß gegen die VV zur LHO unterbunden, sondern vor allem eine weitere langfristige Vorbelastung des GVFG-Programms vermieden werden.
4.2 Erstellen einer Prioritätenliste
Zur Auswahl der zu bewilligenden Vorhaben ist vom UVM eine Prioritätenliste unter Einbeziehung von Kriterien wie Dringlichkeit und Notwendigkeit der Einzelmaßnahme aufzubauen. Weitere Auswahlkriterien sind zu entwickeln sowie ggf. eine Gewichtung festzulegen. Dabei sollte ein Kriterienkatalog entwickelt werden, an Hand dessen Maßnahmen unter 2 Mio. DM an zuwendungsfähigen Ausgaben von den bewilligenden Straßenbauämtern beurteilt werden können.
4.3 Einführung von Pauschalen, Absenkung der Förderquote
Da eine einzelfallbezogene Prüfung hinsichtlich des damit verbundenen Verwaltungsaufwands generell kein sinnvolles Verfahren ist, wird aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung empfohlen, den Zuwendungsbereich Kommunaler Straßenbau sukzessive auf eine Förderung über Pauschalen umzustellen. Pauschalen bei Förderungen im Kommunalen Straßenbau sind beispielsweise in Bayern seit 1995 für ausgewählte Bereiche, wie bituminöse Oberbauverstärkungen (z. B. 25 DM/m² bei einer Gesamtdicke von 14 cm), oder für den Neubau kleinerer Brücken (z. B. 3 200 DM/m²) eingeführt. Mit der Einführung von Pauschalen kann darüber hinaus der angespannten Mittelsituation begegnet werden, da Pauschalen Ausgaben definieren, die einem üblichen Standard entsprechen und meist untere Grenzen markieren.
Angesichts sich fortsetzender Mittelengpässe wird außerdem empfohlen, die Förderquote weiter zu reduzieren, um eine möglichst große Zahl dringender Vorhaben in den Genuss von Zuwendungen kommen zu lassen und überzogenen Standards entgegen zu wirken.
5 Stellungnahme des Ministeriums
Das UVM führt aus, dass es auf die reduzierten finanziellen Ressourcen im Kommunalen Straßenbau und die hohe Vorbelastung im GVFG-Programm von ursprünglich 2,7 Mrd. DM mit einer Vielzahl von einschneidenden Maßnahmen reagiert habe. So wurden 1998 die Fördersätze auf bis zu 70 % abgesenkt, die Aufnahme neuer Vorhaben in das Programm weitreichend eingeschränkt und die Fördermittel 2000 und 2001 um jeweils 35 Mio. DM auf 295 Mio. DM im Jahr erhöht. Ein Bewilligungsstopp habe sich dadurch vermeiden lassen; das Land habe sich hiermit als verlässlicher Partner für die Gebietskörperschaften gezeigt.
Das UVM ist der Auffassung, dass die durchgeführten Steuerungsmaßnahmen gegriffen haben, da der offene Zuwendungsbetrag aus den GVFG-Programmen seit 1996 von 2,7 Mrd. DM auf nunmehr 1,9 Mrd. DM (Stand 2001) reduziert werden konnte. Dies führe es insbesondere auf die Einschränkung bei der Aufnahme von Vorhaben in die Förderung zurück. Insofern teilt das UVM die Ansicht des RH nicht, dass in der Regel Vorhaben im Land ungeachtet ihrer jeweiligen Dringlichkeit und Notwendigkeit gefördert würden. Im Übrigen sei zu beachten, dass für die Maßnahmen die Planungshoheit bei den Kommunen liege, das Land letztlich aber nur festlege, welche Ausgaben nach GVFG förderfähig sind.
Das UVM ist ferner der Meinung, dass die Beschränkung auf den Anlaufbetrag von 10 000 DM im ersten Förderjahr grundsätzlich kein Hinweis auf eine nicht gesicherte Gesamtfinanzierung der genehmigten Mittel sei. Der Zuwendungsempfänger erhalte in den Folgejahren entsprechend Baufortschritt sogenannte Fortsetzungszuwendungsbescheide, eine unzulässige Anfinanzierung läge demnach nicht vor.
Die vom RH gemachten Empfehlungen, wie die weitere Absenkung der Förderquote oder die Einführung von Pauschalen, würden nach Ausführungen des UVM laufend in eigene Überlegungen einbezogen und soweit notwendig auch umgesetzt.
6 Schlussbemerkung
Der RH verkennt nicht, dass sich das UVM angesichts der dramatischen Mittelsituation im Kommunalen Straßenbau bemühte, ein für die Zuwendungsempfänger annehmbares Maßnahmenpaket zu schnüren. Gleichwohl hält der RH den vom UVM 1999 und 2000 eingeschlagenen Weg, dem Mittelengpass durch Anlaufbeträge zu begegnen, die nach der VV zu § 44 LHO Anfinanzierungen darstellen, nachteilig für die künftige Entwicklung des Förderprogramms.
So konnte zwar im Moment das Unbehagen unter den antragstellenden Gebietskörperschaften beseitigt werden. Auf lange Sicht ergeben sich aber durch die umfangreichen Zahlungsverpflichtungen und die hohe Vorbelastung des GVFG-Programms unabsehbare Folgewirkungen für die Weiterführung des Förderbereichs Kommunaler Straßenbau.
Mit den dargelegten Empfehlungen zur sukzessiven Einführung von Pauschalen, zur Absenkung der Förderquote sowie zum Erstellen von Prioritätenlisten auf der Grundlage nachvollziehbarer Kriterien werden bei deren konsequenter Umsetzung aus Sicht des RH Möglichkeiten aufgezeigt, auch weiterhin ohne deutliche Einschnitte für die antragstellenden Gebietskörperschaften Vorhaben des Kommunalen Straßenbaus zu fördern.