Das Land wendet jährlich rd. 900 Mio. DM für Verkehrsverträge im Schienenpersonennahverkehr auf. Für diesen Förderbereich wurde gemeinsam von Rechnungshof und Ministerium ein Controlling-System entwickelt, das bei konsequenter Anwendung einen erheblichen finanziellen Spielraum für die weitere Verbesserung des Schienenpersonennahverkehrs schafft.
1 Vorbemerkung
Der RH befasste sich in der Denkschrift 1999 Nr. 17 mit den Verkehrsverträgen zwischen dem Land und Unternehmen des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV). Seinerzeit wurde empfohlen, ein Controlling-System im SPNV aufzubauen, um die mit den eingesetzten Mitteln erreichten Ziele messen und bewerten zu können.
Hintergrund war, dass die Verwaltung, ungeachtet der in § 7 LHO dargelegten Verpflichtung zur Prüfung der Notwendigkeit, Wirksamkeit und Effizienz von eingesetzten Landesmitteln, seither vorwiegend formale Gesichtspunkte wie die zweckentsprechende Mittelverwendung prüfte. Den politischen Entscheidungsträgern konnten damit von der Verwaltung nur begrenzt Informationen gegeben werden, um Zuschüsse auf den Prüfstand zu stellen bzw. Entscheidungen vorzubereiten.
Der Landtag beschloss daraufhin am 15.12.1999, dass „eine Erfolgskontrolle für die vertraglich vereinbarten Verkehrsleistungen durchzuführen ist; dafür soll ein Controlling-System aufgebaut werden“. Weiterhin sind Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen zur Steuerung des Einsatzes der Regionalisierungsmittel, zur Evaluierung der verkehrs- und strukturpolitischen Zielsetzungen des Gesetzes zur Gestaltung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNVG) und als Grundlage für das geplante Controlling-System durchzuführen.
Das gemeinsam von RH, UVM und der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg mbH (NVBW) entwickelte Controlling-Systems zeigt einen Weg auf, der es bei konsequenter Umsetzung ermöglichen wird, die für den SPNV vorhandenen Mittel noch wirtschaftlicher und effektiver einzusetzen.
2 Aufgabenträgerschaft des Landes im Schienenpersonennahverkehr
Zur Sicherung und Verbesserung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) stehen dem UVM als Aufgabenträger im Jahr rd. 1,3 Mrd. DM an Regionalisierungsmitteln zur Verfügung. Hiervon entfallen jährlich rd. 670 Mio. DM auf die Bereitstellung der Status-quo-Verkehrsleistungen im SPNV. Seit 1995/1996 hat das UVM zur Verbesserung des SPNV bislang rd. 100 Mio. DM im Jahr für Mehrverkehre aufgewandt und die im Land gefahrenen Zug-km um rd. 13 Mio. von 42 Mio. auf 55 Mio. erhöht. Die übrigen Regionalisierungsmittel werden u. a. für die S-Bahn Stuttgart, die Beschaffung von Schienenfahrzeugen, die Förderung von Verkehrsverbünden und zum Ausgleich der im Rahmen der Regionalisierung seit 1997 reduzierten GVFG-Finanzmasse eingesetzt.
Den Kern der SPNV-Verkehrsleistungen bildet der Generalvertrag zwischen dem Land und der Deutschen Bahn AG (DB), der die Status-quo-Verkehre abdeckt. Im Zuge der Abbestellung von Status-quo-Leistungen bei der DB und deren Neuvergabe sowie der Beauftragung von Mehrverkehren hat das UVM sowohl mit der DB als auch Nichtbundeseigenen Eisenbahnunternehmen bis Ende 2000 über den Generalvertrag hinaus 12 Verkehrsverträge abgeschlossen. Die Verkehrsverträge haben in der Regel eine Laufzeit von fünf Jahren und eine Kündigungsfrist von sechs bis zwölf Monaten. Die Mehrzahl der Verkehrsverträge wird in den nächsten Jahren kündbar und bedarf der Vertragsüberprüfung, zumal da einige dieser laufenden Verträge freihändig vergeben wurden und hier die wirtschaftliche Erbringung der Verkehrsleistungen zu hinterfragen ist.
In Zusammenhang mit den bislang abgeschlossenen Verkehrsverträgen förderte das UVM nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) außerdem mit rd. 250 Mio. DM die Beschaffung von Schienenfahrzeugen, den Aus- und Neubau von Trassen sowie Haltepunkten und die Errichtung von Wartungsanlagen für den SPNV.
3 Ausgangspunkt für das Controlling-System im Schienenpersonennahverkehr
Die verringerten finanziellen Spielräume beim Land zwingen dazu,
- Maßstäbe für den wirtschaftlichen Einsatz von Landesmitteln zu entwickeln, die es erlauben, die günstigste Relation zwischen verfolgtem Ziel und den eingesetzten Mitteln festzustellen und
- Mechanismen zur Erfolgskontrolle einzuführen, mittels derer die Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit des Mitteleinsatzes untersucht werden können.
Damit werden zwei Aspekte verfolgt: Die knappen Mittel mit dem höchsten Nutzen einzusetzen („Sparsamkeitsprinzip“) und/oder mit den vorhandenen Mitteln möglichst viele wirtschaftlich sinnvolle Fördervorhaben zu realisieren („Ergiebigkeitsprinzip“). Unter Berücksichtigung von § 7 LHO, der eine Erfolgskontrolle bei Maßnahmen mit einem jährlichen Mittelbedarf über 500 000 DM vorgibt, kann dadurch immer wieder kurzfristig eine Rückkopplung zur Politik erfolgen. Das Controlling im SPNV ist folglich als Instrument zu verstehen, das den Entscheidungs- und Steuerungsprozess der Politik und Verwaltung durch zielgerichtete quantitative wie qualitative Informationen unterstützt und somit eine ständige, schrittweise Optimierung ermöglicht.
Das Controlling in seiner Funktion der Steuerungsunterstützung sollte u. a. Aussagen erlauben zu
- der sachgerechten Mittelvergabe,
- der effizienten Mittelverwendung,
- den Einsparpotenzialen,
- den Angebotsoptimierungen unter Beachtung eines bedarfsgerechten Angebots,
- dem Maß des Zielerreichungsgrades und
- der flexibleren Handhabung von Veränderungen auch im Hinblick auf die zügige Anpassung von Inhalten der Verkehrsverträge.
4 Ziele des Controlling-Systems im Schienenpersonennahverkehr
Das Controlling setzt ein definiertes und - quantitativ wie qualitativ - messbares Zielfeld voraus, dessen Erreichung durch geeignete Methoden gemessen werden soll.
Im SPNV werden die qualitativen Ziele durch das ÖPNVG folgendermaßen definiert:
- der ÖPNV soll im gesamten Landesgebiet im Rahmen eines Integrierten Gesamtverkehrssystems als eine vollwertige Alternative zum motorisierten Individualverkehr zur Verfügung stehen,
- jedes Verkehrsmittel soll im ÖPNV entsprechend seiner besonderen Vorteile eingesetzt werden,
- das Eisenbahnnetz soll für eine leistungsfähige und bedarfsgerechte Erschließung erhalten und ausgebaut werden, und
- der SPNV ist das Rückgrat des ÖPNV.
Diese Ziele geben einen Soll-Zustand wieder, der durch das Verwaltungshandeln zu erreichen ist. Folglich sollten für ein wirksames Controlling im SPNV die qualitativen Ziele operationalisiert, also auch in messbarer quantitativer Form formuliert werden. Ein Ziel sollte dabei mindestens durch eine Kennzahl abgebildet werden und für die Controllingzwecke möglichst entscheidungs- und steuerungsrelevant sein.
5 Anwendungsfelder für das Controlling im Schienenpersonennahverkehr
Für das Land als Aufgabenträger des SPNV ergeben sich, ausgehend von den Zielen des Controlling, zwei Anwendungsfelder:
- Betriebswirtschaftliches Controlling
Das betriebswirtschaftliche Controlling liefert Aussagen zu den Linienergebnissen, die sich aus der Differenz zwischen Erlösen und Kosten von Linien ergeben. Hiermit können zum einen bei Ausschreibungen für das Land wirtschaftlich sinnvolle Linienzuschnitte gewählt und Obergrenzen für die Zuwendungen überschlägig ermittelt werden, zum anderen bietet das Linienerfolgscontrolling die Möglichkeit zur Überprüfung und Steuerung umgesetzter Vorhaben.
Dem betriebswirtschaftlichen Controlling ist nach § 7 LHO besondere Beachtung zu schenken. Das betriebswirtschaftliche Controlling ist dabei keineswegs gleichbedeutend mit dem Ziel vollständiger Kostendeckung im SPNV.
- Verkehrswirtschaftliches Controlling
Das verkehrswirtschaftliche Controlling zeigt die Entwicklung der Fahrgastnachfrage bezogen auf die eingesetzten Mittel im Zeitablauf auf. Zwischenzeitlich getätigte Investitionen werden berücksichtigt, aber auch raumstrukturelle Rahmenbedingungen wie Einwohnerzahlen und die Qualität der Straßenverbindungen fließen in die Bewertungen ein.
6 Bausteine des Controlling-Systems im Schienenpersonennahverkehr
Das Controlling im SPNV soll Richtungen aufzeigen, wie dem durch das ÖPNVG vorgegebenen Auftrag der Angebotssicherung und -ausweitung bei zunehmenden Finanzierungsengpässen entsprochen werden kann. Aus diesem Auftrag lässt sich ersehen, dass es sich um ein System handeln wird, das flexibel sowie im Zeitablauf veränderlich sein muss. Die zwei Bausteine „Linienerfolgsrechnung“ und „Verkehrswirtschaftliches Controlling“, die hierfür entwickelt wurden, erfüllen diese Voraussetzungen. Sie sind überdies, wie verschiedene Anwendungsbeispiele belegen, in der tatsächlichen Anwendung praktikabel.
6.1 Linienerfolgsrechnung
Die Linienerfolgsrechnung stellt ein gut handhabbares Berechnungsinstrument dar. Die Berechnungen erfolgen auf der Basis „Linie“, da diese einen definierten Anfangs- und Endpunkt sowie festgelegte Haltestellen aufweist, während die „Strecke“ lediglich eine räumliche (Gleis-) Verbindung zwischen zwei Punkten darstellt; eine Strecke können unter Umständen auch mehrere Linien befahren.
In Anbetracht der Steuerungsaufgaben steht für das Land als Aufgabenträger des SPNV bei der Linienerfolgsrechnung weniger eine buchhalterische Genauigkeit im Raum als vielmehr eine überschlägige Berechnung der Linienerfolge mit leicht fassbaren Größenordnungen. Von daher sind mitunter angeführte Schwierigkeiten bei der Umlegung von Kosten und Erlösen auf Linien keine unüberwindbaren Hürden.
6.1.1 Aufbau der Linienerfolgsrechnung
Eine Linienerfolgsrechnung wird üblicherweise als Deckungsbeitragsrechnung durchgeführt. Die Linienrechnung vergleicht hierbei die Erlöse aus dem Fahrscheinverkauf mit den Kosten für die Erbringung des Verkehrsangebots. Die Differenz aus Erlösen und Kosten ergibt den Deckungsbeitrag bzw. -fehlbetrag (s. Übersicht 1).

Um die Aussagekraft der Linienerfolgsrechnung zu erhöhen, werden auch hier - wie bei Deckungsbeitragsrechnungen üblich - verschiedene Deckungsbeiträge ermittelt, die jeweils die zeitliche und/oder inhaltliche Möglichkeit der Kostenbeeinflussung wiedergeben. So sind laufleistungsabhängige Kosten in der Regel kurzfristig änderbar, während Kosten in Zusammenhang mit der Infrastruktur über längere Zeiträume Bestand haben dürften. Auf diese Weise können Ansatzpunkte für kurz- bis mittelfristige Steuerungen ebenso wie ggf. nur langfristig veränderbare Stellgrößen aufgezeigt werden.
Zu den Linienkosten im Einzelnen:
- Leistungsabhängige Kosten
Die Ermittlung erfolgt aus Fahrzeug-km des Betriebsprogramms der Linie und dem Energieverbrauch der eingesetzten Schienenfahrzeuge; Kostenrichtwerte für den Energieeinsatz liegen in der Regel vor.
- Fahrzeug- und Personalkosten
Die Zahl der eingesetzten Schienenfahrzeuge und des Personals richtet sich nach den Erfordernissen des Betriebsprogramms. Üblicherweise bestehen Spielräume, die wegen der finanziellen Bedeutung der beiden Kostenbestandteile die Linienrechnung erheblich beeinflussen. Die Fahrzeugkosten werden abhängig vom Typ ermittelt und schließen neben dem Kapitaldienst auch Reparaturen usw. ein. Hierfür liegen im Normalfall Kostenrichtwerte vor. Die Personalkosten werden über die üblichen Tarife für Fahrer und ggf. des Zugbeleitpersonals festgestellt.
- Vertriebs- und Verwaltungskosten
Diese Kosten werden auf der Grundlage der gefahrenen Zug-km überschlägig ermittelt. Das Verfahren ist hinsichtlich Größenordnung und deren geringer Veränderbarkeit angemessen.
Die Trassen- und Stationskosten stellen einen bedeutenden Kostenblock dar; sie sind jedoch überwiegend extern durch die DB-Geschäftsbereiche „Netz“ und „Service & Stationen“ vorgegeben; die Kosten können dem Trassen- und Stationspreiskatalog entnommen werden.
Die Linienerlöse können über die in einer Fahrplanperiode durch Zählungen erhobenen Personenkilometer und die jeweiligen Erlössätze näherungsweise berechnet werden. Um die Erlöse einzelnen Linien zuscheiden zu können, sind umfassende und regelmäßige Zählungen, wie sie beispielsweise die DB mehrmals je Jahr durchführt, Voraussetzung. Die Überlassung von Fahrgastzählungen sowie ggf. von Fahrgastbefragungen auf Stichprobenbasis sollte daher weiter fester Bestandteil der Verkehrsverträge zwischen Land und Eisenbahnunternehmen sein bzw. dies zwingend werden.
Hilfsweise können nach den bisherigen Erfahrungen mit Linienerfolgsrechnungen auch Multiplikationen von Zug-km und auf regionale Besonderheiten abgestimmte Erlössätze herangezogen werden. Hierdurch können sich gewisse Bandbreiten bei der Ermittlung der Linienerlöse ergeben, die aber trotz möglicher Unschärfen im Sinne eines funktionsfähigen Controlling Aufschluss über evtl. Steuerungsansätze zulassen.
6.1.2 Einsatzmöglichkeiten der Linienerfolgsrechnung
Die Linienerfolgsrechnung erfüllt mit der Bereitstellung von Kennzahlen der einzelnen Deckungsbeitragsstufen sowie mit der Analyse von Erlösen und Kosten den Auftrag des Controlling als Steuerungsinstrument von bereits abgelaufenen Leistungserstellungsprozessen. Für diese Art der Linienerfolgsrechnung werden tatsächliche Kosten herangezogen, die das bestehende Schienenverkehrsangebot widerspiegeln.
Folgende Ziele können hiermit verfolgt werden:
- Schaffung einer generellen Kostentransparenz.
- Ableitung von Ansätzen zur ergebnisorientierten Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Linie auf allen Deckungsbeitragsstufen; Anhaltspunkte für derartige Verbesserungen können beispielsweise die Optimierung des Schienenfahrzeugeinsatzes oder die kostengünstigere Gestaltung der Wartung der Fahrzeuge sein.
- Feststellung des Kostendeckungsgrades einer Linie und Aufzeigen des Beitrags einer Linie zum Gesamtergebnis eines Netzes; hiermit können zum einen wirtschaftlich gute und schlechte Linien herausgefiltert werden; zum anderen wird es möglich, schlechte Linien durch ihren Beitrag zum Netzergebnis zu relativieren.
- Erarbeitung einer Argumentationsbasis für Verhandlungen zwischen Land und Gebietskörperschaften über die anteilige Finanzierung von SPNV-Leistungen; Aufzeigen der finanziellen Auswirkungen ggf. überzogener Angebotsforderungen.
- Schaffung einer Arbeitsgrundlage für eine Optimierung bestehender Verträge auf einzelnen Linien und für Neu-Ausschreibungen von Liniennetzen.
- Entwicklung von Entscheidungshilfen für den Zuschnitt von wirtschaftlich sinnvoll zu betreibenden Liniennetzen, die zur Ausschreibung anstehen; hiermit kann eine evtl. „Rosinenpickerei“ vermieden werden.
- Berechnung des voraussichtlichen Auftragswertes für Ausschreibungen und Preisanfrageverfahren im Sinne einer Vorkalkulation; Bewertung von Angeboten. Auf diese Weise kann die Linienerfolgsrechnung als Methode zur Wirtschaftlichkeitsberechnung angewandt werden.
- Abschätzung der wirtschaftlichen Auswirkungen geplanter Erweiterungen oder Kürzungen im Liniennetz bzw. von Angebotsänderungen; hinzukommende und wegfallende Linien und selbst einzelne Zugangebote können durch eine Grenzkostenbetrachtung der Linie/der Züge näherungsweise quantifiziert werden.
Darüber hinaus kann die Linienerfolgsrechnung unter Heranziehung der dargestellten Kennzahlen dazu dienen, die wirtschaftlichen Auswirkungen einer modifizierten Angebotsgestaltung, z. B. die Verlängerung einer Linie oder Änderungen im Fahrgastverhalten, für den Aufgabenträger Land darzustellen. Die Linienrechnung ist dann auf der Basis von Plan- und Prognosewerten durchzuführen.
6.2 Verkehrswirtschaftliches Controlling
Das verkehrswirtschaftliche Controlling soll dazu dienen, aus dem Vergleich der Fahrgastzahlen des Status-quo-Fahrplans 1995 mit den aktuellen Werten unter Berücksichtigung des jeweiligen Mitteleinsatzes Strecken mit Handlungsbedarf aufzuzeigen bzw. den verkehrswirtschaftlichen Erfolg getätigter Angebotsverbesserungen zu dokumentieren. Hierfür wird die Veränderung der Relation von Personen-km zu laufendem Zuschuss berechnet. Gegebenfalls erfolgte investive Fahrzeugförderungen werden bei den Berechnungen berücksichtigt. Für die Berechnung werden auch die regionalen Rahmenbedingungen wie die Einwohnerzahlen und die Qualität des Straßennetzes herangezogen.
6.2.1 Aufbau des verkehrswirtschaftlichen Controlling
Das verkehrswirtschaftliche Controlling unterteilt sich in sechs Module, die von der Streckencharakteristik über die Reisezeiten im Verhältnis zum motorisierten Individualverkehr bis hin zur Entwicklung des Fahrgastaufkommens reichen (s. Übersicht 2).
Die für das verkehrswirtschaftliche Controlling erforderlichen Daten und Informationen können aus verfügbaren Reisendenzählungen der Eisenbahnunternehmen, dem vom Land jährlich erbrachten Mitteleinsatz sowie aus Regional- und Nahverkehrsplänen generiert werden. Diese Mengengerüste sind kontinuierlich zu aktualisieren und zu überarbeiten, sodass ein dauerhafter, wenngleich überschaubarer Arbeitsaufwand entstehen wird.

6.2.2 Einsatzmöglichkeiten des verkehrswirtschaftlichen Controlling
Das verkehrswirtschaftliche Controlling soll insgesamt an Hand der Entwicklung der ermittelten Kennzahlen DM/Personen-km und DM/Ein- und Aussteiger Erkenntnisse liefern, inwieweit das Schienenverkehrsangebot mittlerweile verkehrspolitischen Zielsetzungen besser gerecht wird als vor der Regionalisierung bzw. wo ggf. Handlungsbedarf besteht. Für die berechneten Kennzahlen gilt, dass das Ergebnis nicht die Analyse ersetzt. So ist denkbar, dass bei einer optimalen Gestaltung der Rahmenbedingungen eine wesentlich bessere Relation „Fahrgäste je Einwohner“ erreichbar wäre.
Zu den Einflussgrößen, die bei ansonsten gleichen Rahmenbedingungen zu deutlich unterschiedlichen Ergebnissen führen können, gehören u. a. die Taktdichte im SPNV, die Gestaltung der Umsteigeanlagen, der Komfort der eingesetzten Schienenfahrzeuge sowie das Marketing für die Schienenverkehrsangebote. Insofern müssen die ermittelten Kennzahlen noch um die Bewertung derartiger Inhalte und Wechselwirkungen von Einflussfaktoren ergänzt werden.
Unter Steuerungsgesichtspunkten werden die ermittelten Kennzahlen dann Handlungsbedarf aufzeigen, wenn sich die Relationen der Vergleiche 1995 zum aktuellen Fahrplanjahr deutlich verschlechtert haben. Der sich ggf. aus relevanten Abweichungen ergebende Handlungsbedarf kann sich vom Überdenken des Leistungsumfangs bis hin zu einer verbesserten Kundenansprache erstrecken. Spezifische Entscheidungsvorschläge sind jeweils zu entwickeln. Kurzzeitige Schwankungen sollen explizit nicht berücksichtigt werden, da hierfür ein breites Spektrum an Einflüssen verantwortlich sein kann.
Bisherige Beispielberechnungen haben gezeigt, dass die ermittelten Kennzahlen plausibel und belastbar sind. Das Verfahren kann daher in Ergänzung zu den Linienerfolgsrechnungen sukzessive auf alle Schienenstrecken im Land angewandt werden.
7 Beispielrechnung mit den Controlling-Bausteinen
Die beiden Controlling-Bausteine wurden auf verschiedenen Linien getestet. Um die Anwendungen und Aussagemöglichkeiten des SPNV-Controlling sowie das Zusammenwirken der beiden Bausteine besser aufzeigen zu können, wurde auf Grund der Erfahrungen der bisherigen Tests ein Berechnungsfall konstruiert. Dargestellt wird eine Erfolgsrechnung für eine einzelne Linie, auf der 20 dieselbetriebene Schienenfahrzeuge eingesetzt werden (s. Übersicht 3).
Aus dem dargelegten Beispiel lässt sich ein Kostendeckungsgrad für den Betrieb der Linie von 26 % (Verhältnis Erlöse zu Betriebskosten) und für die gesamte Leistungserbringung (Betriebskosten + Kosten für Fahrweg und Stationen) von 17 % berechnen. Im Hinblick auf einen aus Landessicht möglichst wirtschaftlichen Einsatz der Mittel, bieten sich nunmehr verschiedene Ansatzpunkte, die Kennzahlen (= Ergebnisse der einzelnen Deckungsbeitragsstufen) und die Kostendeckungsgrade zu verändern.

7.1 Zielerreichung von Kennzahlen
Kennzahlen sollten linienspezifisch definiert werden, landesweite Vorgaben sind kaum machbar. Unter der Prämisse, dass im vorliegenden Fall gegriffene Kennzahlen vorgegeben werden und beispielsweise ein maximaler Betriebskostenzuschuss von rd. 7,00 DM und/oder ein Kostendeckungsgrad des Betriebs von rd. 30 % angestrebt wird, sind für die dargelegte Linie u. a. folgende Veränderungen im Mengengerüst möglich:
- Änderung der Erlössituation
Das Verkehrsangebot kann ausgebaut und durch eine höhere Taktdichte und ggf. die Anpassung des regionalen Busverkehrs eine stärkere Nachfrage erzeugt werden; weiterhin können verstärkte Werbemaßnahmen zur Gewinnung weiterer Fahrgäste durchgeführt werden, auch Fahrpreiserhöhungen sind denkbar, allerdings sind die Realisierungschancen wegen der Tarifhoheit eher begrenzt.
- Beeinflussung der Laufleistungskosten
Hierzu gehören z. B. die Änderung des Fahrtenangebots mit Reduzierungen/Ausweitungen des Fahrplans und damit der Zug-km; weiterhin können andere Fahrzeugtypen eingesetzt werden, deren Energieverbrauch niedriger liegt; ggf. werden durch derartige Eingriffe auch die Erlöse positiv oder negativ betroffen, sodass Wechselwirkungen in die Überlegungen einzubeziehen sind.
- Reduzierung der Fahrzeugkosten
Veränderungen sind über die Verringerung der Fahrzeugflotte erreichbar; dies ist möglich, wenn der Fahrzeugeinsatz im Hinblick auf das gefahrene Betriebsprogramm noch Optimierungspotenzial aufweist; weiterhin kann der Einsatz anderer, in der Kapitalbindung günstigerer Fahrzeugtypen von Bedeutung sein.
Erfahrungen aus bisherigen Linienerfolgsrechnungen belegen, dass bei bestehenden Angeboten insbesondere die Fahrzeugkosten durch bessere Anpassung der Flotte an das Betriebsprogramm abzusenken sind - dies hat gleichzeitig den Effekt, dass in der Angebotsqualität selbst keine Abstriche verzeichnet werden müssen. In der Beispielsrechnung könnte dann, wie in Übersicht 4 dargestellt, mit der Optimierung der Fahrzeugumläufe und der Reduzierung des Fahrzeugeinsatzes auf 15 Einheiten die vorgegebenen Ziele erreicht werden. Der Betriebskostenzuschuss würde dann etwas mehr als 7,00 DM/Zug-km betragen und der Kostendeckungsgrad des Betriebs läge nun bei rd. 30 %.

Die dargelegten Überlegungen müssen durch Module des verkehrswirtschaftlichen Controlling ergänzt und gestützt werden. So kann es in Regionen mit einem hohen Pkw-Zulassungsgrad und vermutlich kaum noch einer „Kultur des Bahnfahrens“ u. U. weniger Sinn machen, den Weg von Angebotsausweitungen zu gehen und sonstige Verbesserungen im SPNV anzubieten.
Hier bietet sich vielmehr der in Übersicht 4 dargelegte Schritt der Rationalisierung des Fahrzeugeinsatzes an. Eine entsprechende Anpassung des Landeszuschusses für die Verkehrsleistung wäre die Folge.
7.2 Vergleich von Kennzahlen der Linienerfolgsrechnungen
Der Vergleich von Kennzahlen bietet die Möglichkeit, evtl. vorhandene Stärken und Schwächen des Angebots zu erkennen. Darüber hinaus können die finanziellen Auswirkungen der in der Folge ergriffenen Maßnahmen im Einzelnen berechnet und prognostiziert werden. Hierdurch lassen sich Unsicherheiten über die gewählten Steuerungen vermeiden, und der Prozess wird sich für alle Beteiligten transparenter gestalten. Die Module des verkehrswirtschaftlichen Controlling sollten hier einbezogen werden.
Der Vorteil dieses Verfahrens besteht letztlich darin, dass Schlussfolgerungen nicht ausschließlich aus der Gegenüberstellung von Erlösen und Kosten sowie der Modifikation der Mengengerüste herrühren. Vielmehr werden durch die explizite Einbindung des SPNV-Angebots und dessen Qualität Gründe für das gute oder schlechte Abschneiden von Linien deutlich.
Vor diesem Hintergrund sind dann beispielsweise folgende Ableitungen vorstellbar:
- Erklärungen für einen niedrigen Kostendeckungsgrad einer Linie, die aber ansonsten einen durchschnittlichen Betriebskostenzuschuss aufweist. In diesem Fall kann u. a. ein sehr guter Ressourceneinsatz der Fahrzeugflotte und des Personals vorliegen, der relativ niedrige Erlöse kompensieren hilft.
In der Konsequenz bedeutet dies, dass der Kostendeckungsgrad alleine keine Aussagekraft besitzt, sondern stets mit anderen Kennzahlen in Relation gesetzt werden muss.
- Konsumtive Zuschüsse und investive Förderungen können in ihren Wechselwirkungen erfasst werden. Die Beschaffung neuer moderner Fahrzeuge wird sich zum einen auf die Höhe der Laufleistungskosten auswirken, zum anderen aber auch Erlössteigerungen mit sich bringen, die wiederum den Umfang des Verkehrsvertrages mitdefinieren.
- Status-quo- und Mehrverkehre können in ihren Fehlbeträgen exakt ermittelt werden. Bisherige Verrechnungen der Status-quo-Zuschüsse mit vermeintlich eigenwirtschaftlich gefahrenen Mehrverkehren werden nachvollziehbar. Die jeweiligen Zuschüsse können dann in den Verkehrsverträgen aufgeführt werden.
8 Weiteres Vorgehen
An Hand der Erkenntnisse aus den Tests der beiden Controlling-Bausteine auf verschiedenen Linien, ergibt sich für die praktische Anwendung folgendes Vorgehen:
- Das Controlling im SPNV wird sowohl aus zeitlichen und Kapazitätsgründen als auch wegen der kontinuierlichen Verbesserung und Anpassung der Instrumente stufenweise aufgebaut werden müssen.
- In einem ersten Arbeitsschritt sollen alle an NE und die DB vergebenen Status-quo- und Mehrverkehre überprüft werden. Dieses Arbeitspaket umfasst derzeit 12 Verkehrsverträge (außerhalb des Generalvertrags Land - DB mit diversen Annex-Verträgen). Im Mittelpunkt sollte die Überprüfung der Fehlbeträge (= Landeszuschüsse) stehen, die Maßstab für den Umfang der Verkehrsverträge sind. Die vertraglich vereinbarten Kündigungsmöglichkeiten sind in Abhängigkeit der Prüfungsergebnisse bei Bedarf zu nutzen und Ausschreibungen vorzubereiten.
- Für Planungen, Ausschreibungen und Bewertungen von Angeboten sollen Linienerfolgsrechnungen künftig herangezogen werden, um über Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen den Umfang der erforderlichen Landeszuschüsse abzuschätzen. Den Schwerpunkt bildet neben der Bemessung des erforderlichen Zuschusses der für Ausschreibungen sinnvolle Zuschnitt von Liniennetzen.
- Ein Raster für die DB-Linienverkehre des Generalvertrags und seiner Annex-Regelungen (überwiegend Status-quo-Verkehre, aber auch Mehrverkehre) ist schrittweise aufzubauen. Den Beginn sollten die Diesellinien/-netze bilden, da diese im gesamten Liniennetz am einfachsten abzugrenzen sind. Im Weiteren sind dann ebenfalls sämtliche elektrisch betriebenen Linien in das Controlling aufzunehmen. Im Übrigen hatte sich die DB im Generalvertrag zu den Status-quo-Leistungen verpflichtet, „dem Land linienbezogene Preise unter Berücksichtigung ihrer Erlöserwartungen vorzulegen, sobald sie hierzu in der Lage ist“. Obgleich der Generalvertrag nach wie vor die Geschäftsgrundlage ist, kam die DB ihren Verpflichtungen bislang nicht nach. Das UVM sollte hier die Vertragserfüllung anmahnen.
- Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass die landesweite Einführung und Umsetzung des Controlling-Systems rd. zwei Jahre in Anspruch nehmen wird. Hierzu sollte bei der NVBW ein erfahrener Controller beschäftigt werden. Im Übrigen ist nach Einführung des Controlling-Systems die Evaluierung der praktischen Anwendung der Bausteine beabsichtigt.
9 Schlussbemerkungen
Controlling bedeutet die Abkehr von der reinen Ausgabenplanung hin zu der ziel- und leistungsorientierten Vergabe der verfügbaren Haushaltmittel mit der Möglichkeit kurz- und mittelfristiger Nach- und Feinsteuerungen. Gerade der betriebswirtschaftlich ausgerichtete Baustein der Linienerfolgsrechnung macht den Nutzen eines SPNV-Controlling deutlich, da es finanziellen Spielraum für weitere Umsetzungen und Optimierungen schafft.
Mit den zwei entwickelten Bausteinen des Controlling liegen nun flexible Instrumente vor, deren Handhabung möglich ist und die innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes aufgebaut werden können. Die Konzentration gilt dabei zunächst dem eigentlichen Aufbau des Controlling-Systems; sie muss aber bereits heute auch vorbereitende Schritte für die kontinuierliche Pflege und Aktualisierung der Mengengerüste der Bausteine umfassen.
Das erstmals in der Landesverwaltung in Zusammenarbeit von Ressort und RH für einen Sektorbereich installierte Controlling schafft mithin auch dem Land durch den Aufbau eines landesweiten, transparenten Systems einen erheblichen finanziellen Spielraum, den der Aufgabenträger benötigt, um noch mehr SPNV-Vorhaben realisieren und den SPNV insgesamt mit optimiertem Mitteleinsatz weiter verbessern zu können.