Gefangenenentlohnung in den Justizvollzugsanstalten [Beitrag Nr. 12]

Die Justizvollzugsanstalten zahlten den Gefangenen 1999 rd. 13 Mio. DM Arbeitslohn. Die Entlohnungsvorschriften wurden teilweise zu großzügig angewendet. Eine sachgerechte Bemessung allein der Leistungszulagen hätte zu Einsparungen von rd. 1,2 Mio. DM geführt. Im Hinblick auf die ab 2001 um 80 % angehobene gesetzliche Eckvergütung wurde eine landesweite Überprüfung der Entlohnungspraxis empfohlen.

1 Ausgangslage

Das Land hat 1999 für die Vergütung der Gefangenenarbeit in den Justizvollzugsanstalten rd. 13 Mio. DM aufgewendet. Hierin sind die zusätzlich zu zahlenden Beiträge zur Arbeitslosenversicherung in Höhe von weiteren rd. 13 Mio. DM noch nicht enthalten.

Der Gefangenenlohn basierte bis zum Jahr 2000 auf einer Eckvergütung in Höhe von 5 % des durchschnittlichen Arbeitsentgelts aller Versicherten der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 01.07.1998 diese Vergütungshöhe der Gefangenenarbeit als mit dem GG unvereinbar beurteilt und eine gesetzliche Neuregelung bis zum Jahresende 2000 gefordert. Die Neuregelung der Gefangenenentlohnung im Strafvollzugsgesetz sieht ab Januar 2001 eine Erhöhung der Eckvergütung auf 9 % des Durchschnittentgelts und verschiedene nicht monetäre Maßnahmen vor. Ausgenommen hiervon sind erwachsene Untersuchungsgefangene. Nach einer überschlägigen Berechnung des JuM entstehen dem Land durch die Lohnerhöhung Mehrausgaben von fast 10 Mio. DM.

Die gesetzliche Neuregelung der Gefangenenentlohnung war Anlass zu einer landesweiten Prüfung der Entlohnungspraxis durch das StRPA Tübingen. Im Monat Mai 2000 haben insgesamt 5 830 Gefangene in den Betrieben der Justizvollzugsanstalten des Landes zumindest zeitweise gearbeitet. Durch Betriebswechsel, gleichzeitige Tätigkeit von Gefangenen an zwei Arbeitsstellen und ähnliches hat die Tätigkeit dieser Gefangenen zu 7 082 Abrechnungsfällen geführt. Diese Abrechnungsfälle dienen im Folgenden als Bezugsgröße für die Berechnungen.

2 Lohnstruktur

Das Arbeitsentgelt der Gefangenen setzt sich aus dem Grundlohn und möglichen Zulagen zusammen. Der Grundlohn wird als Zeitlohn je Arbeitsstunde oder als Leistungslohn gezahlt. Der Leistungslohn wird auf der Basis von Vorgabezeiten in Form eines Zeitakkords berechnet. Aus der Eckvergütung ergab sich im Jahr 2000 ein Tagessatz von 10,75 DM und ein Stundensatz von 1,54 DM.

Der Grundlohn ist in fünf Vergütungsstufen unterteilt, die von den Anforderungen an die jeweilige Tätigkeit abhängen. Die Lohnhöhen und die entsprechenden Anforderungen sind in Übersicht 1 dargestellt.

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Zusätzlich zum Grundlohn können den Gefangenen Zulagen für Leistung, Arbeitserschwernis, Überstunden und für Arbeit zu ungünstiger Zeit gewährt werden. Bei einer Arbeitsleistung im Normalbereich soll nach der Allgemeinen Verfügung des JuM vom 05.04.1995 keine Leistungszulage und nur bei Höchstleistung die maximale Zulage gewährt werden. Sie kann im Zeitlohn bis 30 % und im Leistungslohn bis 15 % des Grundlohnes betragen. Auf den Bereich der Leistungszulagen entfielen im Mai 2000 über 93 % aller gezahlten Zulagebeträge. Sie wurden deshalb bei der Prüfung genauer betrachtet.

3 Vergütungsstufen im Zeitlohn

Von den Justizvollzugsanstalten wird die Einordnung der Gefangenenarbeiten in die Vergütungsstufen unterschiedlich gehandhabt. Übersicht 2 zeigt diese beispielhaft bei fünf Justizvollzugsanstalten, die in ihrer Betriebsstruktur vergleichbar sind.

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Insgesamt wurden in den fünf Anstalten 35 % der Tätigkeiten nach den Vergütungsstufen IV und V entlohnt, die mindestens die Kenntnisse und Fähigkeiten eines Facharbeiters erfordern. Die Bandbreite erstreckte sich von 14 - 45 % der erfassten Abrechnungsfälle.

Der RH ist sich bewusst, dass für die Eingruppierung in eine Vergütungsstufe der einzelne Arbeitsplatz zu bewerten ist und Anstaltsvergleiche deshalb nur bedingt aussagefähig sind. Die festgestellten Unterschiede der insoweit vergleichbaren Anstalten weisen jedoch darauf hin, dass die Eingruppierungen teilweise zu großzügig vorgenommen werden.

4 Vergütungsstufen und Zeitgrade im Leistungslohn

Die im Leistungslohn in Auftrag gegebenen Arbeiten erfordern regelmäßig nicht die Kenntnisse und Fähigkeiten eines Facharbeiters; ihre Eingruppierung erfolgt meist in den Vergütungsstufen I - III. Rund 97 % der Tätigkeiten wurden in diese Vergütungsstufen eingruppiert. Im Leistungslohn richtet sich die Vergütung vor allem nach der Arbeitsmenge. Hierzu ist es erforderlich, Vorgabezeiten festzulegen und diese je nach verrichteter Arbeitsmenge anzupassen. Nach den Entlohnungsvorschriften hat eine Anpassung zu erfolgen, wenn die festgesetzte Vorgabezeit von der Mehrheit der Gefangenen um 40 % überschritten wird.

Eine Division der gezahlten Arbeitszeit durch die tatsächliche Arbeitszeit ergibt den sog. Zeitgrad. Für alle Leistungslohnarbeiten ergab sich im Mai 2000 landesweit ein durchschnittlicher Zeitgrad von 120,8 %. Die in den einzelnen Justizvollzugsanstalten erreichten Zeitgrade wiesen eine Bandbreite von 97 - 143 % auf. Auch in vergleichbaren Anstalten ergaben sich Zeitgrade zwischen 105 % und 133 %. In 16 % der Betriebe und in 18,3 % aller Leistungslohnfälle lag der Zeitgrad über 140 %.

Einen Zeitgrad von über 100 % hält der RH im Grundsatz für vertretbar. Der ermittelte durchschnittliche Zeitgrad von landesweit 120,8 % sowie die durchschnittliche Überschreitung der Vorgabezeiten um mehr als 40 % bei 16 % der Betriebe deuten jedoch in Teilbereichen auf eine zu großzügige Festsetzung der Vorgabezeiten hin. In einzelnen Fällen wurde die Überprüfung und Anpassung der festgesetzten Vorgabezeiten versäumt. Überschreitungen der Vorgabezeiten lassen sich, insbesondere bei den Unternehmerbetrieben, zwar oft erst am Ende der teilweise zeitlich kurz bemessenen Aufträge feststellen. Gleichwohl ist eine Überprüfung der Zeitgrade angezeigt, um mittelfristig überhöhte Werte anzupassen.

5 Leistungszulagen

Eine Leistungszulage kann bei Normalleistung nicht und nur bei Höchstleistung in der maximalen Höhe gewährt werden. Die tatsächliche Zulagenverteilung im Mai 2000 ist in Übersicht 3 dargestellt.

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In 73,7 % aller erfassten Abrechnungsfälle wurden Leistungszulagen gewährt. In zwei Anstalten erhielt sie nahezu jeder arbeitende Gefangene.

Im Zeitlohn wurden rd. 72,5 % aller erfassten Abrechnungsfälle vergütet. Bei 74,8 % dieser Fälle wurde eine Leistungszulage gezahlt. Die maximal mögliche Leistungszulage beträgt im Zeitlohn 30 %; im Landesdurchschnitt wurden bei Einbeziehung aller Zeitlohnempfänger 18,5 % gewährt.

Im Leistungslohn wurden rd. 27,5 % aller erfassten Fälle abgerechnet. Bei 71 % dieser Fälle wurde eine Leistungszulage gezahlt. Die maximal zulässige Leistungszulage beträgt im Leistungslohn 15 %; im Landesdurchschnitt wurden bei Einbeziehung aller Leistungslohnempfänger 10 % gewährt.

Im Mai 2000 wurden insgesamt 166 132 DM für Leistungszulagen - im Zeitlohn 138 362 DM und im Leistungslohn 27 770 DM - aufgewendet. Hochgerechnet auf das gesamte Jahr ergibt dies einen Betrag von rd. 2 Mio. DM.

Die Mehrheit der arbeitenden Gefangenen wird von den Bediensteten der Anstalten als nicht überdurchschnittlich leistungsfähig oder leistungswillig beurteilt. Da Gefangenen bei Normalleistung keine Leistungszulage zu gewähren ist, sollten deshalb nach Ansicht des RH maximal die Hälfte aller arbeitenden Gefangenen eine Leistungszulage erhalten. Dies würde dem tatsächlichen Leistungsniveau näher kommen. Weil nur bei Höchstleistung der Höchstwert der Leistungszulage gezahlt werden soll, sollte durch sachgerechte Staffelung die Zulagenhöhe im Durchschnitt aller Empfänger die Hälfte des jeweiligen Höchstwertes nicht übersteigen. Im Zeitlohn sollten demnach maximal 7,5 % der Grundlohnsumme (50 % Zulagenempfänger mit durchschnittlicher Zulage von 15 %) und im Leistungslohn maximal 3,75 % der Grundlohnsumme (50 % Zulagenempfänger mit durchschnittlicher Zulage von 7,5 %) landesweit als Orientierungswert für Leistungszulagen erreicht werden. Die tatsächliche Zulagengewährung im Mai 2000 im Vergleich zu diesen Orientierungswerten ist in Übersicht 4 dargestellt.

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Bei sachgerechter Anwendung der Entlohnungsvorschriften wäre die Gesamtsumme der Leistungszulagen im Mai 2000 nach dieser Berechnung um 99 825 DM geringer ausgefallen. Dies entspricht nach dem alten Lohnniveau einer Differenz von rd. 1,2 Mio. DM/Jahr.

Bei Ansatz der ab 2001 geltenden Vergütungshöhe werden sich die finanziellen Auswirkungen deutlich erhöhen.

6 Stellungnahme des Justizministeriums und Schlussbemerkung

Der RH hat das JuM im Oktober 2000 gebeten, im Zuge der bevorstehenden Erhöhung der Gefangenenbezüge eine landesweite Überprüfung der Löhne vorzunehmen und das finanzielle Ergebnis mitzuteilen. Das JuM hat gegen die Prüfungsfeststellungen keine Einwendungen erhoben und entsprechende Aufträge an die Justizvollzugsanstalten erteilt. Nach Durchführung der Umstellungsmaßnahmen beabsichtigt das JuM, die Lohnabrechnungen eines Kalendermonats auszuwerten, um die finanziellen Auswirkungen zu ermitteln.

Nach Auffassung des RH sollten die Einordnung in Vergütungsstufen, der durchschnittliche Zeitgrad im Leistungslohn und die Gewährung von Leistungszulagen in ein laufendes Controlling im vollzuglichen Arbeitswesen einbezogen werden.