Das zwischen Finanzministerium und Justizministerium 1998 vereinbarte Finanzierungskonzept für das Elektronische Grundbuch ist gescheitert. Der Aufwand für die Erstdatenerfassung wird sich um mindestens 48 Mio. DM erhöhen. Die Rationalisierungsgewinne durch den EDV-Einsatz bleiben bisher weit hinter den ursprünglichen Erwartungen zurück. Das Justizministerium sollte alsbald ein Realisierungs- und Finanzierungskonzept entwickeln, das eine Erfassung des gesamten Grundbuchbestands bis spätestens 2010 sicherstellt.
1 Ausgangslage
Die Grundbücher konnten bis 1993 ausschließlich auf Papier geführt werden. Das Registerverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20.12.1993 ermöglicht ihre Führung in „maschineller Form als automatisierte Datei“ (Elektronisches Grundbuch - EGB). Während einige Länder bereits seit Mitte der 90er Jahre das EGB eingeführt haben, hat Baden-Württemberg erst am 20.12.1999 die landesgesetzlichen Grundlagen für das EGB geschaffen.
Das JuM hatte die Kosten für das EGB 1998 mit rd. 53 Mio. DM beziffert. Die große Bedeutung des Projekts sowohl für den Bereich der Justiz als auch für die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit Baden-Württembergs war für den RH Anlass, die Maßnahme einer Querschnittsprüfung zu unterziehen.
2 Struktur der Grundbuchämter
Während die Grundbuchämter in den anderen Bundesländern bei den Amtsgerichten angesiedelt sind, besteht in Baden-Württemberg grundsätzlich in jeder Gemeinde ein Grundbuchamt. Baden-Württemberg verfügt mit derzeit 1 088 Ämtern über mehr Grundbuchämter als alle anderen Bundesländer zusammen.
Im badischen Rechtsgebiet gibt es 384 Grundbuchämter mit kommunalem und elf Grundbuchämter mit staatlichem Personal. Im württembergischen Rechtsgebiet bestehen 233 Grundbuchämter am Sitz eines Notariats. Daneben gibt es 460 Grundbuchämter in Gemeinden ohne Notariatssitz. Die Grundbuchsachen werden dort von den beim zuständigen Notariat tätigen Bediensteten erledigt. De facto sind diese Grundbuchämter bereits heute Grundbucheinsichts- bzw. -verwahrstellen.
Die Organisationsstruktur der Grundbuchämter ist vielfältig. Für die Personal- und Sachmittelausstattung und die Unterbringung sind z. T. nur das Land, z. T. das Land und die Kommunen gemeinsam zuständig. Die Zuständigkeitsverteilung hat wiederholt zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Kommunen und dem Land geführt. Hauptstreitpunkte waren hierbei die nach Auffassung der Kommunen nicht kostendeckenden Landeszuschüsse für die Grundbuchämter. Gleichwohl haben die Kommunen bisher immer betont, dass sie die kommunale Struktur der Grundbuchämter im Interesse der Bürgernähe erhalten wollen.
Die Größenverhältnisse der Grundbuchämter sind sehr unterschiedlich. Im badischen Rechtsgebiet sind die Grundbuchämter mit staatlichem Personal durchweg überdurchschnittlich groß. Im württembergischen Rechtsgebiet gibt es Grundbuchämter am Sitz der Notariate in jeder Größenordnung. Dagegen sind die anderen Grundbuchämter insbesondere im württembergischen Rechtsgebiet weit überwiegend kleinste Behörden. Über 200 Grundbuchämter im badischen Rechtsgebiet und über 350 Grundbuchämter im württembergischen Rechtsgebiet kommen statistisch mit weniger als einer Arbeitskraft für die Erledigung der Grundbuchsachen aus.
Die stark dezentrale Organisationsstruktur der Grundbuchämter hat erhebliche Nachteile für das Land und die Kommunen. Sie erschwert nicht nur die Planung, Koordination und das Controlling für das Grundbuchwesen. Sie verursacht auch bei den Kommunen einen hohen Aufwand bei der Einführung, Ausstattung und laufenden Betreuung der DV-Programme. Gleichwohl haben die Kommunen im Gesetz zur Einführung des EGB vom 20.12.1999 ein von ihnen gefordertes Wahlrecht bezüglich der Beibehaltung oder Aufgabe ihres Grundbuchamts erhalten (Freiwilligkeitslösung). Nach überschlägigen Berechnungen des RH würde die Ablösung der derzeitigen Grundbuchamtsstruktur durch eine Zusammenfassung der kleinsten Grundbuchämter auf eine Behördengröße von beispielsweise 6 Bildschirmarbeitsplätzen/Behörde Einsparungen bei den DV-Kosten von einmalig 9,3 Mio. DM und laufend jährlich 4,0 Mio. DM bringen.
Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass die Zusammenarbeit mit einer Vielzahl von Grundbuchämtern, die in organisatorischen Teilbereichen von autonomen Entscheidungsträgern abhängig sind, schwierig ist. Die organisatorische Zersplitterung nimmt durch die gesetzliche Neuregelung künftig sogar zu, da neue Strukturen (Verwaltungsgemeinschaften, Einsichtsstellen) geschaffen werden.
Der RH ist der Auffassung, dass die dadurch entstehenden erheblichen Mehraufwendungen nicht einseitig dem Land angelastet werden können. Dies ist auch bei der künftigen Bemessung der Landeszuschüsse an die Gemeinden zu beachten.
3 Grundbuchformen und Grundbuchbestand
Im Jahr 1969 wurde in Baden-Württemberg mit der Einführung der Loseblatt-Grundbücher begonnen. Diese ermöglichen maschinenschriftliche Eintragungen auf DIN A 4-Papier. Gleichwohl existieren auch heute noch Grundbücher als sog. Folianten mit einer Sondergröße von mehr als DIN A 3. In den Folianten können Eintragungen grundsätzlich nur handschriftlich erfolgen. Die bis ins Jahr 1900 zurückreichenden Folianten enthalten oftmals Eintragungen in altdeutscher Schrift. Nicht alle Bediensteten der Grundbuchämter können diese Schrift noch lesen. In den kommenden Jahren wird sich diese Problematik weiter verschärfen.
Das JuM ging bei seinen Planungen für die Einführung des EGB davon aus, dass in Baden-Württemberg rd. 4 Mio. offene Grundbücher geführt werden, davon 2,7 Mio. bei Grundbuchämtern mit staatlichem Personal und 1,3 Mio. bei Grundbuchämtern mit kommunalem Personal im badischen Rechtsgebiet. Zur Ermittlung dieser Daten hatte das JuM - mangels eigener Statistiken - auf Verzeichnisse der Staatlichen Vermessungsverwaltung zurückgegriffen. Für die Kommunen mit städtischen Vermessungsämtern lagen diese Daten nicht vor. In den Berechnungen des JuM fehlten diese Daten bisher, z. T. waren sie fehlerhaft aufgeführt. Der RH hat die entsprechenden Daten - vorwiegend bei den Kommunen - erhoben und den Grundbuchbestand entsprechend korrigiert; das JuM hat diese Angaben im Zuge der Prüfung aktualisiert.
Der Bestand an offenen Grundbüchern in Baden-Württemberg ist in Übersicht 1 dargestellt.

Der gesamte Grundbuchbestand in Baden-Württemberg mit rd. 4,89 Mio. Grundbüchern ist um rd. 20 % höher als vom JuM ursprünglich angenommen. Dies bedingt auch einen entsprechend höheren Aufwand für die Erstdatenerfassung. Obwohl das Loseblatt-Grundbuch vor über 30 Jahren eingeführt wurde, sind noch immer 23 % der Grundbücher in Folianten enthalten.
Das JuM führt den hohen Anteil der Grundbücher im Foliantenformat im württembergischen Rechtsgebiet in erster Linie auf die geringe „personelle Ausstattung und anderweitige Prioritäten bei der Abwicklung der Notariatsgeschäfte in den vergangenen Jahrzehnten“ zurück.
4 Personal
4.1 Personaleinsatz
Das JuM ermittelt bisher nicht, wie viele Arbeitskraftanteile (AKA) für Grundbuchsachen landesweit eingesetzt werden. Der RH hat im Zuge der Erstellung der beratenden Äußerung „Notariatsreform in Baden-Württemberg“ (DS 12/5154) für das Jahr 1998 mit einer Umfrage erhoben, wie viele AKA die Bediensteten der Notariate für Grundbuchsachen aufgewendet haben. In Übersicht 2 sind die für Grundbuchsachen eingesetzten AKA und die erledigten Grundbuchgeschäfte dargestellt. Sie enthält auch die von den Kommunen angegebenen AKA für die Grundbuchtätigkeit.

Der hohe Personaleinsatz im badischen Rechtsgebiet wird durch den großen Anteil des kommunalen Personals geprägt. Nach den Feststellungen des RH sind die Angaben der Kommunen zu ihrem Personaleinsatz für die Grundbuchämter z. T. überhöht, da diese Bediensteten neben den Grundbuchsachen noch weitere, kommunale Aufgaben erledigen. Gleichwohl zeigt die Übersicht wesentliche Unterschiede beim Personaleinsatz für Grundbuchsachen bei den verschiedenen Grundbuchämtern auf. Im kleineren badischen Rechtsgebiet werden jedenfalls mehr AKA für die Erledigung der Grundbuchsachen eingesetzt als im größeren württembergischen Rechtsgebiet.
4.2 Personalbedarf
Für das Grundbuchwesen wurden bisher keine analytischen Personalbedarfsberechnungen durchgeführt. Nur in Ansätzen wurden Bewertungssysteme für eine gleichmäßige Personalauslastung und -verteilung entwickelt. Im württembergischen Rechtsgebiet werden auch gegenüber den Grundbuchämtern mit staatlichem Personal im badischen Rechtsgebiet noch über 80 % mehr Grundbuchgeschäfte je AKA bearbeitet.
Bei den Grundbuchämtern mit staatlichem Personal im badischen Rechtsgebiet sind nach Ansicht des RH insbesondere die ausgeprägten Vorbereitungstätigkeiten die Ursache für den höheren Personalaufwand. Diese führen zu einer teilweise doppelten Bearbeitung. Der Grundbuchbeamte prüft in weitem Umfang nochmals nach, was die Unterstützungskraft - der sog. Beschließer - schon geprüft hat. In anderen Ländern, beispielsweise in Bayern, Hamburg oder Sachsen, werden durch die Unterstützungskräfte bei den Grundbuchämtern keine Eintragungen vorbereitet.
Der RH hält im Grundbuchbereich eine analytische Personalbedarfsermittlung für erforderlich. Die Ablauforganisation bei den elf Grundbuchämtern mit staatlichem Personal im badischen Rechtsgebiet ist zu optimieren; die aufwändigen Vorarbeiten der Unterstützungskräfte für die Grundbuchbeamten sollten eingeschränkt werden.
Auch das JuM hält für den Grundbuchbereich eine analytische Personalbedarfsermittlung für erforderlich. Sie werde allerdings erst nach Einführung des EGB zu aussagekräftigen Ergebnissen führen. Ob eine Beschränkung der Vorarbeiten der Beschließer Kosten einspare, hält das JuM für fraglich und eine Organisationsuntersuchung darüber für eine zwingende Voraussetzung.
5 DV-Konzept
5.1 DV-Einsatz und DV-Ausstattungsplanungen
Bei den Grundbuchämtern kommt ein speziell für Baden-Württemberg entwickeltes Vorgangsbearbeitungsprogramm (FOLIA) zum Einsatz. Nachdem die Grundbuchsachen (Vorgänge) bearbeitet sind, werden die Bearbeitungsergebnisse (Eintragungen) gespeichert. Die gespeicherten Eintragungen ergeben das EGB. Ihre Speicherung erfolgt mittels eines Datenbankprogramms (EGB-Programm).
Ende des Jahres 2000 waren im badischen Rechtsgebiet die elf Grundbuchämter mit staatlichem Personal und rd. 80 von 385 Grundbuchämtern mit kommunalem Personal sowie im württembergischen Rechtsgebiet 117 von 250 Grundbuchämtern am Notariatssitz oder einer ständigen Notariatsaußenstelle mit DV und dem Programm FOLIA ausgestattet. Die bereits erfolgten und noch erforderlichen DV-Ausstattungen werden im Schaubild 1 grafisch dargestellt.

Das JuM beabsichtigt, die noch ausstehenden 134 württembergischen Grundbuchämter, für die das Land ausstattungspflichtig ist, bis Ende 2003 mit DV und dem Programm FOLIA auszustatten. Die Finanzierung des Vorhabens EGB sollte nach bisheriger Planung über den IuK-Strukturpool erfolgen.
Nach Auffassung des RH ist der plangerechten Installation der DV-Geräte und des Programms FOLIA sowie der abgestimmten Schulung der Bediensteten weiterhin besonderes Augenmerk zu schenken. Das JuM sollte seine Bemühungen um die zeitnahe DV-Einführung bei den Grundbuchämtern mit kommunalem Personal intensivieren.
5.2 Entwicklung des DV-Programms FOLIA
Am 02.01.1990 erteilte das JuM der DV-Stelle Justiz den Projektauftrag für die Entwicklung und Einführung eines DV-Programms zur Unterstützung der Grundbuchämter. Erst 1993 wurde eine Firma mit der Erstellung des fachlichen und DV-technischen Feinkonzepts für das DV-Programm beauftragt. Das Programm wurde vom JuM nach einem Testbetrieb 1996 zum „Echteinsatz“ freigegeben.
Zwischen der Erteilung des Projektauftrags und der Beauftragung der DV-Firma lag ein Zeitraum von über drei Jahren, vom Beginn der Entwicklung bis zum „Echteinsatz“ vergingen weitere 3,5 Jahre. Insgesamt waren somit fast sieben Jahre vergangen, bis das Programm einsatzbereit war.
Der RH ist der Auffassung, dass ein Zeitraum von fast sieben Jahren für die Realisierung eines DV-Vorhabens erheblich zu lang ist. Falls eine schnelle Gesamtlösung nicht erzielt werden kann, muss ein Vorhaben in einzelne Module zerlegt werden, damit der Praxis in angemessener Zeit wenigstens für Teilbereiche Lösungen zur Verfügung stehen.
5.3 Entwicklung des Elektronischen Grundbuch-Programms
Das JuM hatte bei der Vergabe der Programmentwicklung für das EGB die Wahl zwischen dem Einsatz des seit 1995 vorhandenen Programms SOLUM-STAR und einer Neuprogrammierung. SOLUM-STAR, das inzwischen in zwölf Ländern eingesetzt wird, hätte insbesondere an die dezentrale Struktur in Baden-Württemberg und die Funktionalität von FOLIA angepasst werden müssen. Das JuM entschied sich für eine Neuprogrammierung. Diese umfasst das sog. EGB1-Programm zur Unterstützung der Erstdatenerfassung und das EGB-Programm für die zentrale Grundbuchspeicherstelle. Ein Vertrag über die Programmentwicklung wurde am 30.12.1998 geschlossen.
Das EGB1-Programm wurde von Mai 2000 bis Januar 2001 bei acht Grundbuchämtern getestet. Die endgültige Abnahme erfolgte im Februar 2001. Das EGB-Programm befindet sich noch in der Entwicklungsphase. Es muss spätestens zum 01.01.2002 verfügbar sein, um den vom JuM angestrebten Betriebsbeginn der zentralen Grundbuchspeicherstelle zu ermöglichen.
Die EGB können entweder nach einer Scan-Erfassung als Grafikdatei (nicht codierte Informationen - nci-Daten) oder nach einer Tastaturerfassung bzw. Texterkennung der Grafikdatei als Datei mit codierten Informationen (ci-Daten) angelegt werden. Mit dem Programm FOLIA können nur ci-Daten verarbeitet werden. Dagegen können mit SOLUM-STAR die unterschiedlichen Datenformate nebeneinander bearbeitet, nicht aber nci- in ci-Daten umgewandelt werden. Falls EGB mittels Scan-Erfassung angelegt werden, besteht bei SOLUM-STAR auf lange Sicht kein homogener Datenbestand.
Die vom JuM gewählte Lösung - Einsatz von FOLIA, Neuprogrammierung eines EGB-Programms und Anlage der EGB als ci-Datensätze - bietet hier Vorteile. Durch die homogene Datenstruktur im ci-Format sind vielfältige Recherchen möglich, der Speicherplatzbedarf ist wesentlich geringer und die Datenübertragungszeiten sind kürzer.
Der bei SOLUM-STAR enthaltenen Möglichkeit, nci- und ci-Daten innerhalb eines Grundbuchblatts kombinieren zu können, kam nach dem Konzept des JuM „keine ausschlaggebende Bedeutung zu“. Bei dieser Entscheidung ging das JuM davon aus, dass die Erstdatenerfassung durch Tastatureingabe erfolgt und keine Scan-Lösung angestrebt wird.
Im April 1999 ergänzte das JuM seinen Entwicklungsauftrag für das EGB-Programm dahingehend, dass auch die Funktionalität zur Verwaltung von nci-Daten enthalten ist. Die nci-Daten können damit zwar verwaltet, nicht aber bearbeitet werden. Im Jahr 2000 entschied es entgegen seinen ursprünglichen Planungen, dass rd. 800 000 Grundbücher mittels Scanner erfasst werden sollen. Nach derzeitigem Stand der Technik ist eine Umwandlung der nci-Daten in strukturierte ci-Daten nicht möglich. Daher müssen die mittels Scanner erfassten Grundbücher bei der nächst folgenden Bearbeitung über Tastatur nochmals ganz erfasst werden. Die fehlende Möglichkeit der Parallelbearbeitung von ci- und nci-Daten bei FOLIA erweist sich nunmehr als Nachteil. Die Scanerfassung der 800 000 Grundbücher verursacht 2,9 Mio. DM und die Tastaturerfassung weitere 16 Mio. DM Kosten.
Der RH stellt die vom JuM vorgetragenen Programmvorteile von FOLIA gegenüber SOLUM-STAR nicht in Frage. Angesichts des hohen Aufwands für die Erstdatenerfassung ist er aber der Auffassung, das JuM hätte eine Funktionalität zum Parallelbetrieb von ci- und nci-Daten vorsehen sollen.
5.4 Stellungnahme des Justizministeriums
Das JuM weist darauf hin, seine Planungen für die Installation der DV-Geräte seien bisher nicht nur eingehalten, sondern sogar übertroffen worden. Durch die inzwischen kostenlose Überlassung von FOLIA an die Grundbuchämter mit kommunalem Personal im badischen Rechtsgebiet habe sich die DV-Einführung dort deutlich beschleunigt. Die lange Einführungszeit für FOLIA sei u. a. durch die Ausarbeitung detaillierter Konzepte und Anpassungen des Programms an die weiteren Entwicklungen der Windowswelt begründet.
Die Möglichkeit, ci- und nci-Daten innerhalb eines Grundbuchblattes zu mischen, halte es nach wie vor für unzweckmäßig, wie auch die langen Übertragungszeiten in den SOLUM-Ländern zeigten. Die zusätzliche Scannerfassung sei zudem die notwendige Vorstufe für eine kostengünstige Texterkennung. Hierfür würden sich inzwischen konkrete Lösungen abzeichnen.
6 Finanzierungskonzept des Elektronischen Grundbuchs
6.1 Zielvereinbarung
Die bis 1998 für den Grundbuchbereich vorhandenen Haushaltsmittel erlaubten zwar die Entwicklung des Programms FOLIA, nicht aber eine flächendeckende Ausstattung der Grundbuchämter mit dem Programm. Eine Finanzierungsmöglichkeit eröffnete sich, als der Ministerrat am 15.12.1997 die Einrichtung eines IuK-Strukturpools beschloss. Damit sollte die Finanzierung von DV-Projekten ermöglicht werden, die sonst nicht zu realisieren wären (s. auch DS 2000 Nr. 9 - Sonderfonds Informations- und Kommunikations-Pool).
Nach Auffassung des JuM eignete sich das Projekt EGB für eine Finanzierung durch den IuK-Strukturpool. Am 09.06.1998 schlossen das JuM und das FM eine Zielvereinbarung zur Umsetzung des Vorhabens EGB ab. Danach erhält das JuM die erforderlichen Mittel zur Durchführung des Vorhabens aus dem IuK-Strukturpool und sichert die Rückführung dieser Mittel bis zum Jahr 2005 zu. Mit den Investitionen sollte 1998 begonnen werden. Wesentliche finanzwirksame Positionen der Zielvereinbarung sind:
- Der Finanzbedarf aus dem IuK-Strukturpool beträgt rd. 52,9 Mio. DM in den Jahren 1998 bis 2005 (ohne Kosten der Zwischenfinanzierung).
- Es werden rd. 54,6 Mio. DM Einnahmen und Einsparungen in den Jahren 1999 bis 2005 erzielt.
- Die höchste tatsächliche Belastung des IuK-Strukturpools beträgt rd. 16,2 Mio. DM im Jahr 2002. Danach sinkt die Belastung wieder. Im Jahr 2005 hat sich das Vorhaben amortisiert. Nach der Amortisation werden durch das Vorhaben jährliche Überschüsse von 6 Mio. DM erwartet.
Nach diesen Basisdaten wäre das Vorhaben EGB wirtschaftlich zu betreiben bzw. „sich selbst refinanzierend“. Der Amortisationszeitpunkt wäre nach sieben Jahren erreicht und läge damit im Rahmen der im IuK-Strukturpool in Ausnahmefällen grundsätzlich möglichen maximalen Laufzeit von zwölf Jahren.
In der Folgezeit stellte sich heraus, dass die in der Zielvereinbarung enthaltenen Ansätze nicht realisiert werden können. Das JuM sieht nach einem Schreiben an das FM vom 05.07.2000 insbesondere Änderungsbedarf bei den in Übersicht 3 dargestellten Sachverhalten.

Neben den in der Übersicht 3 enthaltenen Sachverhalten ergeben sich für das Projekt EGB höhere Kosten für den Anschluss der Grundbuchämter an das LVN III von geschätzt 1,3 - 3,8 Mio. DM/Jahr. Durch das Outsourcing des LVN müssen alle Dienststellen, die an das LVN angeschlossen sind, mit neuen Kostenbeträgen kalkulieren. Nach Auffassung des JuM waren diese Änderungen zum Zeitpunkt der Kalkulation für das EGB nicht vorhersehbar.
Auf der Basis der bisherigen Berechnungsmethode wäre nach Kalkulationen des JuM eine Amortisation des EGB-Projekts nunmehr nicht mehr zu erwarten. Nach seiner Auffassung sollen die Finanzierungsgrundlagen korrigiert werden. Ein Anteil von 30 % des Grundbuchbestands soll mittels Scanner, ein weiterer Anteil von mindestens 25 % durch Fremdvergabe erfasst werden. Hierfür würden geschätzte Kosten von 23 Mio. DM anfallen, die ebenso wie die Kosten für das LVN III außerhalb des Strukturpools finanziert werden sollen.
Das JuM und das FM haben sich bislang noch nicht auf ein gemeinsames Finanzierungskonzept für die Fortführung des Projekts verständigt. Es ist derzeit offen, ob das Projekt ganz oder teilweise innerhalb des IuK-Strukturpools fortgeführt oder eine „klassische“ Haushaltsfinanzierung realisiert wird. Entscheidungen des Ministerrats und des Haushaltsgesetzgebers stehen noch aus.
Die in der Zielvereinbarung enthaltenen Annahmen des JuM zu den Abrufgebühren, den Personaleinsparungen und dem Erstdaten-Erfassungsaufwand waren aus folgenden Gründen unrealistisch.
6.2 Abrufgebühren
Nach Auffassung des JuM lassen sich durch Gebühren im automatisierten Abrufverfahren auch unter Berücksichtigung evtl. im Gegenzug wegfallender Gebühren für Grundbuchabschriften Mehreinnahmen erzielen. Die bisherigen Gebühreneinnahmen für Grundbuchabschriften sind der Justiz nicht bekannt. In der Zielvereinbarung vom 09.06.1998 wurden bereits ab dem Jahr 1999 Mehreinnahmen aus Abrufgebühren von zunächst rd. 1 Mio. DM/Jahr angesetzt. Die Mehreinnahmen sollten jährlich um rd. 0,8 Mio. DM bis auf 5 Mio. DM/Jahr ab 2004 steigen. Bei Abschluss der Zielvereinbarung war weder das EGB-Programm fertig gestellt, noch war die Mehrzahl der Grundbuchämter mit DV ausgestattet. Tatsächlich wurde der Auftrag zur EGB-Programmierung erst am 30.12.1998 erteilt. Das EGB-Programm wird voraussichtlich erst im Laufe des Jahres 2001 fertiggestellt. Die Einrichtung der „Zentralen Stelle“ wird frühestens zum 01.01.2002 möglich sein.
Das JuM geht inzwischen davon aus, dass Einnahmen aus dem automatisierten Abrufverfahren erst ab 2002 anfallen werden. Bis zum Ende des geplanten Amortisationszeitpunkts 2005 werden voraussichtlich 14 Mio. DM geringere Einnahmen erzielt.
Der Zielvereinbarung lag die Annahme des JuM zu Grunde, innerhalb von knapp sieben Monaten das EGB-Programm fertig stellen sowie die Mehrzahl der Grundbuchämter mit DV ausstatten zu können. Dem RH erscheint diese Annahme auch aus damaliger Sicht als unrealistisch. Im Übrigen hat er das JuM gebeten, die derzeitigen Einnahmen für die Erteilung von Grundbuchabschriften zu ermitteln, damit die Prognosen des JuM bezüglich der Mehreinnahmen für das automatisierte Abrufverfahren überprüfbar sind.
6.3 Personaleinsparungen
Die „Gemeinsame DV-Stelle Justiz“ hat 1994 erstmals die Wirtschaftlichkeit des Verfahrenseinsatzes von FOLIA beschrieben. Danach sollte im Grundbuchbereich das Personal um durchschnittlich 27 % entlastet werden. Insgesamt hätte das rechnerische Entlastungspotenzial rd. 185 Stellen entsprochen. Nach Auffassung der DV-Stelle Justiz ließ sich diese Erwartung nicht bzw. nur mit immens hohem Aufwand untermauern; eine eigene Untersuchung hierfür unterblieb deshalb.
Der RH hält den Verzicht auf eine detaillierte Ermittlung des Einsparvolumens bei einem Projekt mit Gesamtkosten von deutlich über 50 Mio. DM für bemerkenswert.
In der zwischen JuM und FM geschlossenen Zielvereinbarung vom 08.06.1998 und der zu Grunde liegenden Wirtschaftlichkeitsberechnung wird von einem Einsparungsvolumen von 140 Stellen ausgegangen. Dies entspricht rd. 20 % der 1998 eingesetzten Grundbuch-AKA. Eine analytische Ermittlung des Einsparungsvolumens erfolgte wiederum nicht.
Erst 1999/2000 wurde eine justizinterne Organisationsuntersuchung zur Feststellung der Rationalisierungseffekte von FOLIA durchgeführt. Nach deren Ergebnis wird das Personal in Grundbuchsachen durch FOLIA während der Zeit des Papiergrundbuchs um 6 % entlastet. Durch das EGB ließen sich weitere Einspareffekte erzielen, die noch ermittelt werden müssten, wenn das EGB eingeführt sei. Das JuM hat dem FM am 05.07.2000 mitgeteilt, dass auf Grund des nunmehr ermittelten Rationalisierungspotenzials von 6 % statt der bisher vorgesehenen 140 Stellen nur 50 Stellen abgebaut werden können. Auf das weitere Einsparpotenzial durch das EGB-Programm wurde nicht hingewiesen. Entscheidungen über die weitere Personalentwicklung stehen noch aus.
Der RH hält es für einen gravierenden Mangel im bisherigen Projektverlauf, dass vor der DV-Einführung keine analytische Berechnung des Personalbedarfs im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsberechnungen vorgenommen wurde. Dadurch ist kein Vergleich des Personalbedarfs vor und nach der DV-Einführung möglich. Somit werden auch alle künftigen Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen für die DV-Verfahren ungenau und letztlich Schätzungen sein.
Das JuM hat gegenüber dem FM das zu erwartende Einsparungsvolumen von 20 % auf 6 % reduziert. Ohne Berücksichtigung des durch das EGB weiter möglichen Rationalisierungspotenzials wurde damit ein zentraler Baustein des Finanzierungskonzepts in Frage gestellt. Nach Auffassung des RH ist das durch das EGB-Programm mögliche Rationalisierungspotenzial vom JuM alsbald nach Einführung des EGB durch eine analytische Personalbedarfsberechnung zu ermitteln. Im Hinblick auf die in anderen Ländern mit dem Programm SOLUM-STAR erreichten Rationalisierungserfolge erwartet der RH, dass das JuM alle Möglichkeiten nutzt, um dem in der Zielvereinbarung angenommenen Einsparpotenzial nahe zu kommen.
6.4 Kosten der Erstdatenerfassung
6.4.1 Das JuM ging 1997 bei seinen Wirtschaftlichkeitsberechnungen von rd. 4 Mio. offenen Grundbüchern aus, davon 2,7 Mio. bei Grundbuchämtern mit staatlichem Personal. Bei Kalkulationen zum Erstdaten-Erfassungsaufwand setzte es nur für die Grundbuchämter mit staatlichem Personal einen Kostenaufwand an. Dabei wurden nur die Loseblattgrundbücher berücksichtigt, da die noch vorhandenen Folianten auch ohne die Einführung des EGB umzuschreiben wären. In der Berechnung des Erfassungsaufwands wurden daher nur rd. 2 Mio. Grundbücher berücksichtigt. Auch die 1998 mit dem FM abgeschlossene Zielvereinbarung beruht auf diesem Ansatz.
Diese Wirtschaftlichkeitsberechnungen des JuM sind zu unterscheiden von Realisierungskonzepten. Für die Betrachtung der Wirtschaftlichkeit eines Projekts kann es richtig sein, einen ohnehin anfallenden Aufwand nicht zu berücksichtigen. Dagegen muss ein Realisierungskonzept die erfolgreiche Umsetzung des gesamten Vorhabens ermöglichen.
Die Umschreibung der noch vorhandenen Folianten in Loseblattgrundbücher unterblieb bisher, da hierfür keine Personalkapazität vorhanden war. Auch für die Zeit nach 1997 hatte das JuM hierfür kein zusätzliches Personal vorgesehen. Die vollständige Realisierung der Erstdatenerfassung war somit nicht absehbar.
Das JuM hatte den Grundbuchbestand um etwa 20 % zu niedrig angesetzt, weil insbesondere Bestände in einzelnen Kommunen mit städtischen Vermessungsämtern nicht vollständig berücksichtigt worden waren. Weiterhin muss - unabhängig von Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen - der Erstdatenerfassungsaufwand des Gesamtbestands der Grundbücher einschließlich der Folianten gesichert sein. Auch in anderen Ländern wird der gesamte Grundbuchbestand erfasst. Daher muss - ohne den kommunalen Bereich - von einem Erfassungsvolumen von rd. 3,3 Mio. Grundbüchern ausgegangen werden. Dieses liegt um mehr als 60 % über den in der Zielvereinbarung enthaltenen Annahmen.
Die Vorschläge des JuM zur Anpassung der Zielvereinbarung vom Juli 2000 weisen zwar verbal auf die Notwendigkeit der Erfassung der Folianten hin. Ein Gesamtkonzept, aus dem sich eine Vollerfassung aller Grundbuchbestände bis zu einem bestimmten Zeitpunkt ergibt, ist hieraus jedoch nicht ersichtlich.
6.4.2 Nach dem derzeitigen Stand der Technik ist davon auszugehen, dass alle EGB in Baden-Württemberg letztlich mittels Tastatur zu erfassen sind. Das JuM hat für die Tastaturerfassung in den vergangenen Jahren verschiedene Annahmen zu Grunde gelegt.
Im „Abschlussbericht der Arbeitsgruppe des JuM EGB“ von 1997 basierten die Berechnungen zum Erstdatenerfassungsaufwand auf einer erforderlichen Erfassungszeit von 15 Minuten/Grundbuch. Bei einem (zu gering) veranschlagten Erfassungsvolumen von 2,7 Mio. Grundbüchern im staatlichen Bereich und einer Begrenzung auf die rd. 2 Mio. Loseblatt-Grundbücher ergab sich ein Erfassungsaufwand von 30 Mio. DM.
Nach der „Konzeption und Wirtschaftlichkeitsberechnung“ des JuM von 1998 sollte die Erstdatenerfassung der Loseblatt-Grundbücher bei den Grundbuchämtern mit staatlichem Personal durch die Bediensteten der Grundbuchämter erfolgen. Das erforderliche Potenzial sollte über die Rationalisierungsgewinne durch den DV-Einsatz und einen um zwei Jahre nach dessen Beginn verschobenen Personalabbau gewonnen werden. Ein gesonderter Finanzmittelbedarf für die Erstdatenerfassung wurde nicht mehr ausgewiesen.
Die vom JuM prognostizierten und nach der Zielvereinbarung um zwei Jahre verzögerten Stelleneinsparungen hätten von 1998 bis 2005 ein Bearbeitungspotenzial von 180 Personenjahren für die Erstdatenerfassung ergeben. Die 180 Personenjahre entsprechen einem kalkulierten Erstdatenerfassungsaufwand von rd. 18 Mio. DM. Gegenüber der Annahme der Arbeitsgruppe EGB im Jahr 1997 wurde er fast halbiert. Hierbei wurde zwar zunächst gleichfalls ein Zeitaufwand von 15 Minuten/Grundbuch angenommen. Als Mehraufwand gegenüber der ursprünglich ins Auge gefassten Fremderfassung wurde jedoch nur ein Anteil von rd. 50 % dieses Aufwands kalkuliert, da bei einer Eigenerfassung der Aufwand für die Überprüfung der Fremddaten entfiele. Die DV-Stelle hielt zu diesem Zeitpunkt einen Erfassungsaufwand von 15 Minuten und einem Prüfaufwand von 7 Minuten je Grundbuch für erforderlich.
Das JuM geht inzwischen von einem Zeitbedarf von 20 Minuten/Grundbuch aus. Dieser Wert erscheint aus Sicht des RH immer noch optimistisch. Bei Ansatz dieses Wertes und des gesamten Grundbuchbestands ergibt sich der in Übersicht 4 dargestellte Erfassungsaufwand für die Anlegung der EGB.

Die Erfassung aller Grundbücher würde einen Arbeitsaufwand von 965 Personenjahren erfordern. Bei Berücksichtigung von Personal- und Sachkosten von rd. 100 TDM/Jahr, was dem durchschnittlichen Kostenaufwand für eine Schreibkraft entspricht, ergibt sich ein finanzieller Gesamtaufwand von rd. 97 Mio. DM. Hiervon entfallen rd. 66 Mio. DM auf die mit staatlichem Personal besetzten Grundbuchämter, und zwar rd. 19 Mio. DM auf die Folianten und rd. 47 Mio. DM auf die Loseblatt-Grundbücher.
Der Aufwand von 66 Mio. DM auf Seiten des Landes liegt deutlich über den Annahmen im „Abschlussbericht der Arbeitsgruppe des JuM EGB“ mit 30 Mio. DM. In der Zielvereinbarung 1998 wurde hiervon noch ein ersparter Prüfungsaufwand abgezogen, sodass lediglich ein rechnerischer Aufwand von 18 Mio. DM für die Erstdatenerfassung verblieb.
6.5 Folgerungen des Rechnungshofs
Das in der Zielvereinbarung 1998 enthaltene Finanzierungskonzept ist gescheitert. Die Annahmen des JuM zu Gebühreneinnahmen, Personalabbau und Erstdatenerfassung waren zu optimistisch.
Der RH sieht - obwohl sich das Gesamtprojekt zumindest in dem im IuK-Strukturpool vorgesehenen Zeitrahmen nicht selbst refinanziert - keine andere Möglichkeit, als die Maßnahme fortzuführen. Das EGB wird in allen anderen Bundesländern eingeführt; ein Verzicht hätte gravierende Nachteile für den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg. Zur Vermeidung weiterer Verzögerungen sollte unverzüglich ein realistisches Gesamtkonzept mit dem Ziel erarbeitet werden, den gesamten Grundbuchbestand bis spätestens 2010 zu erfassen. Das JuM muss dabei alle möglichen Rationalisierungspotenziale ausschöpfen.
6.6 Stellungnahme des Justizministeriums
Das JuM räumt ein, dass die Erwartung, schon 1999 Abrufgebühren erzielen zu können, zu optimistisch war. Eine zusätzliche analytische Personalbedarfsberechnung habe sich aus damaliger Sicht nicht aufgedrängt; sie hätte im Übrigen die gebotene rasche Einführung des EGB erheblich verzögert. Das EGB werde ohne Zweifel weitere erhebliche Entlastungseffekte für die Anwender bringen, der Entlastungsumfang könne aber nicht vorhergesagt werden.
Die Schätzung des JuM bezüglich des zeitlichen Aufwands zur Erstdatenerfassung hätten auf den Ergebnissen der „Arbeitsgruppe des JuM EGB“ beruht. Gegenteilige Anhaltspunkte hätten sich erst im Laufe des Projekts ergeben und daher beim Finanzplan nicht berücksichtigt werden können.
7 Konzept für die Erstdatenerfassung
7.1 Ausgangsbasis
Die Erstdatenerfassung ist für die Realisierung des EGB von zentraler Bedeutung. Das der Zielvereinbarung 1998 zu Grunde liegende Konzept war durch folgende Komponenten gekennzeichnet:
- Begrenzung des (zu niedrig angesetzten) Erfassungsvolumens auf die Loseblattgrundbücher und somit Nichtberücksichtigung der Folianten
- Abbau von 140 Stellen durch Rationalisierungseffekte bis 2005
- Zeitliche Verknüpfung von Rationalisierungseffekten, Personalabbau und Erstdatenerfassung, wobei die Erstdatenerfassung durch einen verzögerten Personalabbau erreicht werden sollte.
Das JuM beabsichtigt, im Jahr 2002 die Zentrale Auskunftsstelle zu eröffnen. Dafür hält es eine Erfassung von mindestens 30 % aller Grundbücher (einschließlich des Kommunalbereichs) für erforderlich. Dies entspricht rd. 1,6 Mio. Grundbüchern. Um diesen Eröffnungstermin einhalten zu können, wurde das ursprüngliche Erfassungskonzept im Interesse einer beschleunigten Erstdatenerfassung modifiziert. Neben der Erfassung durch Grundbuchamtspersonal soll nunmehr ein Teil der EGB mittels Scanner und ein weiterer Teil durch besondere Erfassungsteams angelegt werden. Die bisherigen Konzeptionen des JuM enthalten keine Aussagen, bis zu welchem Zeitpunkt die Erfassung des gesamten Grundbuchbestands abgeschlossen werden kann.
7.2 Erstdatenerfassung durch Bedienstete der Grundbuchämter
Grundsätzlich sollen die Bediensteten der Grundbuchämter bei der laufenden Bearbeitung der Grundbuchsachen gleichzeitig EGB anlegen. Die hierfür erforderliche Personalkapazität sollte durch den Rationalisierungsgewinn bei der DV-Einführung gewonnen werden.
Die Auswirkungen der in der Zielvereinbarung enthaltenen Streichung von 140 Stellen und des Rationalisierungsgewinns von 6 % durch den DV-Einsatz werden in Übersicht 5 dargestellt.

Der vom JuM bislang ermittelte Rationalisierungsgewinn von 6 % bei Vollausstattung mit DV entspricht 42 Stellen. Dieses Volumen war durch die nach der Zielvereinbarung bereits bis zum Jahr 2000 vorgesehenen Stellenstreichungen mit 41,5 Stellen nahezu erreicht. Seitdem stand bei dieser Kalkulation aus dem Rationalisierungseffekt von FOLIA keine Personalkapazität für die Erstdatenerfassung mehr zur Verfügung. Die 1998 vereinbarte Fortführung des Stellenabbaus würde darüber hinaus zu einer Verringerung der Bearbeitungskapazitäten der Grundbuchämter gegenüber dem Stand vor der Einführung von FOLIA führen. Das Einsparvolumen von 6 % enthält noch nicht die nach der Erstdatenerfassung durch das EGB-Programm zu erwartenden, weiteren Rationalisierungspotenziale. Hierdurch wird künftig ein darüber hinaus gehendes Einsparvolumen möglich sein.
Der Justizminister hat bei der Behandlung der beratenden Äußerung „Notariatsreform in Baden-Württemberg“ im Ständigen Ausschuss des Landtags am 20.06.2000 erklärt, dass bei nächster sich bietender haushaltsmäßiger Gelegenheit eine Verstärkung um 35 Stellen im Unterstützungskräftebereich württembergischer Notariate wegen der Erstdatenerfassung für das EGB erfolgen solle (DS 12/5328, Seite 9/10). Entsprechende Entscheidungen des Haushaltsgesetzgebers wurden bisher nicht getroffen.
Nach Auffassung des RH sollte im Hinblick auf die bevorstehende Erstdatenerfassung - trotz des nach EGB-Einführung zukünftig realisierbaren weiteren Einsparpotenzials - derzeit kein weiteres Personal bei den Grundbuchämtern abgebaut werden.
7.3 Erstdatenerfassung mittels Scanner
Bei den Grundbuchämtern mit staatlichem Personal werden rd. 800 000 EGB mittels Scanner angelegt. Die hierbei entstehenden EGB im nci-Format (Grafikdatei) müssen bei der nächsten Bearbeitung nochmals durch Tastatureingabe erfasst werden. Dies erfordert gegenüber der bisherigen Grundbuchbearbeitung einen deutlich höheren Zeitaufwand. Bei Grundbuchämtern mit hohem Anteil an Grundbüchern im nci-Format muss in der Folge mit erheblichen Rückständen bei der laufenden Grundbuchbearbeitung gerechnet werden. Die Erstdatenerfassung wäre in diesen Fällen nur möglich, wenn die Bearbeitung anderer Tätigkeiten bei den Notariaten oder Grundbuchämtern zurückgestellt wird.
Die Amtsnotare im württembergischen Rechtsgebiet haben bei der notariellen Tätigkeit eine gewisse Dispositionsfreiheit. Falls die Bediensteten der Notariate durch die Grundbuchtätigkeit stark in Anspruch genommen werden, ist eine Reduzierung der Beurkundungstätigkeit zu befürchten. Im Jahr 1998 erzielten die Amtsnotariate im württembergischen Rechtsgebiet aus der notariellen Tätigkeit Einnahmen von rd. 196 Mio. DM und einen Überschuss für das Land von rd. 88 Mio. DM. Hierfür haben die Bediensteten der Notariate rd. 580 AKA aufgewendet. Je Bediensteten-AKA wurden statistisch rd. 340 000 DM Einnahmen bzw. rd. 150 000 DM Überschuss erzielt. Falls die Amtsnotariate wegen der Tastaturerfassung ihre Beurkundungstätigkeit reduzieren müssen, fallen diese Überschüsse für das Land nicht mehr an. Dies wäre in hohem Maße unwirtschaftlich. Wandern Kunden wegen nicht erhaltener Termine von den Amtsnotaren zu freien Notaren ab, können sie später nur sehr schwer zurückgewonnen werden.
Der RH ist der Auffassung, dass der Personalbestand in den Grundbuchämtern zumindest die vorgangsabhängige Erstdatenerfassung ohne Einschränkung der sonstigen Tätigkeiten ermöglichen muss.
7.4 Einsatz von Erfassungsteams
Neben der vorgangsabhängigen Erstdatenerfassung sollen nach den Planungen des JuM sog. Erfassungsteams gebildet werden, die gezielt bei einzelnen Grundbuchämtern den gesamten Grundbuchbestand erfassen. In den Erfassungsteams waren bisher insbesondere Bedienstete der Grundbuchämter und Mitarbeiter der Vermessungsverwaltung tätig. Künftig sollen sie personell aufgestockt werden; auch der Einsatz von Fremdfirmen ist vorgesehen.
Der RH hält den Einsatz von Erfassungsteams zur Erstdatenerfassung für sinnvoll. Dies ermöglicht eine baldige Umstellung ganzer Grundbuchamtsbezirke. Bei einer ausschließlich vorgangsabhängigen Erstdatenerfassung bestünde die Gefahr einer nachlassenden Motivation der Bediensteten dieser Grundbuchämter. Diese könnten befürchten, mit einer zügigen Erstdatenerfassung ihren eigenen Arbeitsplatz abzubauen.
Bis September 2000 hat das JuM Angaben über die Tätigkeiten und die Erfassungsleistungen der Erfassungsteams nur rudimentär ausgewertet. Der RH ist der Auffassung, dass bereits frühzeitig ein zielgerichtetes Controlling einzurichten ist. Im Rahmen des Controlling sollte mindestens je Grundbuchamt die Erfassungsleistung je eingesetzter AKA ermittelbar sein. Ohne ein geeignetes Controlling kann bei Fehlentwicklungen nicht rechtzeitig gegengesteuert werden. Das JuM hat inzwischen eine standardisierte Erhebung der elektronisch erfassten Grundbücher als Basis für ein Controlling vorbereitet.
7.5 Erstdatenerfassung in anderen Ländern
Der RH hat sich in anderen Bundesländern über den Stand der dortigen EGB-Einführung informiert. Auch dort zeigt sich, dass die Erstdatenerfassung das größte zu bewältigende Problem war bzw. ist.
Der Sachstand bei der Erstdatenerfassung und die Möglichkeit des automatisierten Abrufverfahrens zum EGB in anderen Bundesländern ist in Übersicht 6 dargestellt.

In allen Ländern wurde die Erstdatenerfassung am gesamten Grundbuchbestand ausgerichtet. Sie wurde in den einzelnen Ländern zwischen 1995 und 2001 begonnen. Soweit die Projektpläne dieser Länder dem RH bekannt sind, soll die Erstdatenerfassung spätestens nach zwei bis sieben Jahren abgeschlossen sein. Vier Länder nutzen bereits die Möglichkeit des automatisierten Abrufverfahrens, die anderen Länder wollen es 2001/2002 anbieten.
Schleswig-Holstein setzt ebenso wie Baden-Württemberg im Grundbuchbereich die Programme FOLIA und EGB ein. Die Erstdatenerfassung erfolgt dort mittels Tastatureingabe. In den anderen „alten“ Flächenländern erfolgt die Erstdatenerfassung jeweils mittels Scanner. Bei ihrem Beginn lagen - anders als in Baden-Württemberg - die Papiergrundbücher in fünf alten Flächenländern nahezu vollständig im Loseblattformat vor; in zwei alten Flächenländern lag der Foliantenanteil am Grundbuchbestand bei 16 bzw. 20 %. In Sachsen lagen die Grundbücher nur teilweise im Loseblatt-Format vor. Zu einem großen Teil mussten sie nach der Wiedervereinigung ohnehin neu angelegt werden. Dies veranlasste das sächsische Staatsministerium der Justiz dazu, die EGB mittels Tastaturerfassung anzulegen.
Für die Erstdatenerfassung haben die Länder, soweit bekannt, sog. Erfassungsteams gebildet. In Sachsen sind 96 Bedienstete in Erfassungsteams tätig. Die anderen Länder konnten die Erfassungsteams mit weniger Personal ausstatten, da die Erstdatenerfassung dort mittels Scanner erfolgt.
7.6 Folgerungen des Rechnungshofs
Der RH sieht es als vordringliche Aufgabe des JuM an, ein Realisierungskonzept für die Erstdatenerfassung zu erstellen. Die Erstdatenerfassung sollte dabei - in Abweichung von den bisherigen Planungen - unter Berücksichtigung folgender Eckpunkte neu konzipiert werden:
- Die Erstdatenerfassung in den Grundbuchämtern mit staatlichem Personal sollte die Erfassung des gesamten Grundbuchbestands (einschließlich Folianten) bis spätestens 2010 zum Ziel haben. Auf der Basis des derzeit vom JuM eher zu optimistisch geschätzten Zeitbedarfs ist hierzu auf Seiten des Landes ein Personalaufwand von 663 Personenjahren erforderlich. Dies entspricht Kosten von rd. 66 Mio. DM.
- Der in der Zielvereinbarung festgelegte Personalabbau in den Grundbuchämtern sollte bis auf weiteres ausgesetzt werden.
- Der Personalbestand in den Grundbuchämtern muss neben der uneingeschränkten Erledigung der sonstigen Tätigkeiten zumindest die vorgangsabhängige Erstdatenerfassung ermöglichen. Eine Einschränkung der notariellen Tätigkeit im württembergischen Rechtsgebiet muss vermieden werden.
- Vor einer teilweisen Fremdvergabe der vorgangsunabhängigen Tastaturerfassung sollte die Bildung weiterer Erfassungsteams mit neu ausgebildeten Justizfachangestellten geprüft werden. Der Einsatz von Erfassungsteams muss durch ein zentrales Controlling begleitet werden.
- Das vom JuM zu ermittelnde weitere Rationalisierungspotenzial durch das EGB-Programm sollte zur Verkürzung des Erfassungszeitraums verwendet werden.
7.7 Stellungnahme des Justizministeriums
Das JuM beabsichtigt, kurzfristig eine umfassende finanzielle Neukonzeption für das EGB zu erstellen, die sich mit diesen Folgerungen des RH auseinandersetzt. Inzwischen wurde der im Jahr 2000 vorgesehene Personalabbau im Umfang von 9,5 Stellen mit Einwilligung des FM gestoppt. Auch für die Folgejahre will das JuM einen Stopp des weiteren Personalabbaus erreichen. In einem Realisierungskonzept zur Erstdatenerfassung sind insbesondere vorgesehen: Einsatz eines „Erfassungstools“ bereits im Jahr 2001, personelle Aufstockung der Erfassungsteams und Entwicklung und Einsatz eines „intelligenten Texterkennungsprogramms“. Für den Bereich der Erstdatenerfassung soll ein spezielles Controlling eingerichtet werden.
8 Grundbuchämter mit kommunalem Personal
8.1 Konzentration der Grundbuchämter
Das JuM hat die Kommunen aufgefordert, sich bis Ende 2000 über das ihnen gewährte Wahlrecht bezüglich der Beibehaltung oder Aufgabe ihres Grundbuchamts zu entscheiden. Bis zum 01.03.2001 hatten 277 badische und 254 württembergische Kommunen geantwortet. Während sich die Kommunen im badischen Rechtsgebiet bisher fast vollständig (92 %) für die Beibehaltung des eigenen Grundbuchamts aussprechen, hat sich ein beachtlicher Teil (74 %) der württembergischen Kommunen dafür entschieden, das Grundbuchamt aufzugeben. Eine weitgehende Konzentration wird jedoch in keinem Landesteil erreicht werden, da im württembergischen Rechtsgebiet ohnehin über 250 Standorte für Grundbuchämter vorgesehen waren und sich ein Teil der Kommunen ohne Notariatssitz für die Beibehaltung des Grundbuchamts ausgesprochen hat.
Der Städtetag Baden-Württemberg hat in einem Rundschreiben an seine Mitglieder vom 27.06.2000 seinen Widerstand gegen die zwangsweise Erweiterung des Zuständigkeitsbezirks nach einer Konzentration von Grundbuchämtern im badischen Rechtsgebiet angekündigt. Nach seiner Auffassung bedeutet die Verpflichtung zur Übernahme eines Grundbuchamtsbezirks eine Aufgabenübertragung, sodass die daraus resultierenden Mehrbelastungen nach Art. 71 Abs. 3 LV vom Land finanziell auszugleichen seien. Notfalls soll ein Ausgleich gerichtlich erstritten werden.
Die Problematik der sog. Freiwilligkeitslösung im badischen Rechtsgebiet wird an bereits aufgetretenen Fällen deutlich, in denen eine Gemeinde ihr Grundbuchamt aufgeben will, die „aufnahmepflichtige“ Kommune am Notariatssitz wegen nicht kostendeckender Landeszuschüsse aber nicht zur Übernahme des Grundbuchbestands bereit ist.
Das JuM muss nach Auffassung des RH Lösungen suchen, um durch die Kommunalstruktur bedingte Verzögerungen bei der EGB-Einführung zu vermeiden.
8.2 Einführung des Elektronischen Grundbuchs
Bei den Grundbuchämtern mit kommunalem Personal im badischen Rechtsgebiet werden rd. 1,5 Mio. Grundbücher geführt; davon sind bereits 1,3 Mio. Grundbücher in Loseblattform (88 %) angelegt. Die Erstdatenerfassung stellt auch bei diesen Grundbuchämtern eine große Herausforderung dar.
Bis Ende 2000 haben nur rd. 20 % dieser Grundbuchämter FOLIA eingeführt. Wann die anderen Grundbuchämter mit kommunalem Personal FOLIA einführen werden, ist offen. Die Kommunen haben hierbei einen weitgehenden Gestaltungsspielraum.
Nach Auffassung des RH sollte das JuM mit Nachdruck dafür Sorge tragen, dass auch bei diesen Grundbuchämtern das EGB eingeführt wird. Er hält Lenkungsmaßnahmen des Landes mit dem Ziel einer zügigen Erstdatenerfassung der Kommunen für sachgerecht. Eine Beschleunigung der Erstdatenerfassung könnte über gestaffelte Entschädigungsleistungen des Landes an die Kommunen im badischen Rechtsgebiet erreicht werden. Beispielsweise könnten künftige Erhöhungen der Landeszuschüsse nur bei vollständiger Erstdatenerfassung gewährt werden. Als Alternative könnte das Land die Zuschüsse an die Kommunen konstant halten und den Gemeinden ein befristetes Angebot zur Übernahme der Scan-Kosten für ihre Loseblatt-Grundbücher unterbreiten.
8.3 Stellungnahme des Justizministeriums
Das JuM will die Erstdatenerfassung im Bereich der badischen Grundbuchämter mit kommunalem Personal dadurch unterstützen, dass diesen Grundbuchämtern alle vom Land finanzierten Softwarelösungen zur Erstdatenerfassung lizenzfrei zur Verfügung gestellt werden.
9 Gesamtbewertung des Justizministeriums
Das JuM stimmt in wesentlichen Kernpunkten den Prüfungsfeststellungen des RH zu. Dies sind:
- Die Notwendigkeit der zügigen Einführung des EGB.
- Der Stopp des Personalabbaus im Grundbuchbereich zur Sicherung der Erstdatenerfassung und zur Verhinderung von Einnahmeeinbrüchen im Notariat.
- Die Erarbeitung eines neuen Realisierungs- und Finanzierungskonzepts für eine abgeschlossene, vollständige Erstdatenerfassung bis spätestens 2010.