Disziplinarverfahren mit vorläufiger Dienstenthebung [Beitrag Nr. 4]

Disziplinarverfahren mit vorläufiger Dienstenthebung dauern häufig sehr lange. Im Zeitraum von Mitte 1992 bis Mitte 2000 musste das Land an vorläufig des Dienstes enthobene Beamte rd. 17,3 Mio. DM Besoldungsbezüge zahlen, ohne dass Dienstleistungen erbracht wurden. Durch Verkürzung der Verfahrensdauer und der Zeit vorläufiger Dienstenthebungen könnten diese Ausgaben erheblich verringert werden. Die Landesdisziplinarordnung sollte alsbald novelliert werden.

1 Vorbemerkung

Der RH hat im Rahmen einer Querschnittsuntersuchung die Anwendung und Durchführung der Landesdisziplinarordnung (LDO) in 132 Disziplinarverfahren mit vorläufiger Dienstenthebung bei der Polizei, bei der Schulverwaltung und im Geschäftsbereich des MWK untersucht. Die Untersuchung bezog sich auf den Zeitraum vom 01.07.1992 bis 30.06.2000. Die untersuchten Bereiche umfassen mit rd. 113 000 Stellen rd. 74 % aller im Landeshaushalt 2000 enthaltenen Planstellen für Beamte.

Bundesweit ist das Disziplinarrecht in Bewegung gekommen; auch Baden-Württemberg beabsichtigt nunmehr eine Novellierung der LDO. Auf Grund seiner Prüfung entwickelt der RH eine Reihe von Empfehlungen mit dem vorrangigen Ziel, die Verfahrensdauer zu verkürzen. Sie sollen in das Gesetzgebungsverfahren einfließen.

2 Ausgangslage

Grundlage aller Disziplinarverfahren gegen Landesbeamte ist die seit 01.08.1962 geltende und im Jahre 1991 vollständig neu gefasste LDO.

Für die Ahndung von Dienstvergehen stellt die LDO eine abgestufte Skala von Disziplinarmaßnahmen zur Verfügung. Im Rahmen eines nichtförmlichen Verfahrens kann der Dienstvorgesetzte auf der Grundlage von Vorermittlungen durch eine Disziplinarverfügung einen Verweis oder eine Geldbuße verhängen. Alle weitergehenden Disziplinarmaßnahmen, wie z. B. Gehaltskürzung, Versetzung in ein Amt derselben Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt (Zurückstufung), Entfernung aus dem Dienst, Kürzung oder Aberkennung des Ruhegehalts können nur in einem förmlichen Disziplinarverfahren, das sich in das Untersuchungsverfahren und in das Verfahren vor den Disziplinargerichten gliedert, ausgesprochen werden.

Das förmliche Disziplinarverfahren gliedert sich in viele einzelne Verfahrensabschnitte und Verfahrensschritte mit jeweils verschiedenen Verfahrensträgern:

  • Der Dienstvorgesetzte führt Vorermittlungen durch und entscheidet, ob ein förmliches Disziplinarverfahren in Betracht kommt.
  • Die Einleitungsbehörde entscheidet über die Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens, bestellt einen Untersuchungsführer und einen Vertreter der Einleitungsbehörde; sie ist zuständig für die vorläufige Dienstenthebung des Beamten und entscheidet, ob ein Teil seiner Besoldungsbezüge einzubehalten ist.
  • Der Untersuchungsführer vernimmt den Beamten, Zeugen und Sachverständige, und fertigt den Untersuchungsbericht, den er der Einleitungsbehörde vorlegt.
  • Die Einleitungsbehörde entscheidet sodann, ob das Verfahren einzustellen ist oder ob Klage erhoben wird.
  • Der Vertreter der Einleitungsbehörde fertigt zur Erhebung der Klage die Anschuldigungsschrift.
  • Die Einleitungsbehörde übersendet die Anschuldigungsschrift dem Verwaltungsgericht als Disziplinargericht.
  • Die Disziplinarkammer verhängt durch Disziplinargerichtsbescheid oder Urteil eine Disziplinarmaßnahme, stellt das Verfahren ein oder spricht den Betroffenen frei.
  • Gegen das Urteil der Disziplinarkammer kann Berufung an den Disziplinarsenat beim Verwaltungsgerichtshof (VGH) eingelegt werden.

Zu diesen disziplinarrechtlichen Verfahrensabschnitten kommen regelmäßig weitere Verfahren, z. B. Strafverfahren, hinzu, die sich auch auf die Zeitdauer des Disziplinarverfahrens auswirken.

Eine Möglichkeit, das Disziplinarverfahren einvernehmlich zu einem Abschluss zu bringen, ist nach dem geltenden Recht nicht vorgesehen.

Nach § 89 LDO kann der Beamte vorläufig des Dienstes enthoben werden, wenn das förmliche Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet wird oder eingeleitet worden ist. Davon wird bei schwerwiegenden Dienstvergehen dann Gebrauch gemacht, wenn die Entfernung aus dem Dienst zu erwarten ist oder um Gefährdungen oder Störungen, die von dem Beamten ausgehen, abzuwehren. Die Entscheidung über die vorläufige Dienstenthebung liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Einleitungsbehörde.

Der Beamte leistet während der Dauer der vorläufigen Dienstenthebung keine Dienste, muss aber auf Grund des beamtenrechtlichen Alimentationsprinzips weiterhin seine Bezüge erhalten. Die Bezüge können allerdings nach § 90 Abs. 1 LDO auf bis zu 50 % gekürzt werden. Eine Verpflichtung, die Bezüge zu kürzen, besteht bislang nicht.

Die Alimentationspflicht besteht auch dann fort, wenn gegen den Beamten in erster Instanz auf Entfernung aus dem Dienst erkannt wurde und dieses Urteil infolge eines Rechtsmittels noch nicht rechtskräftig geworden ist.

Die Alimentationspflicht des Landes erlischt erst dann, wenn das Beamtenverhältnis auf Grund einer strafgerichtlichen Verurteilung (wegen einer vorsätzlichen Tat zu mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe) endet oder wenn der Beamte durch Urteil des Disziplinargerichts aus dem Dienst entfernt wird. Maßgeblich für den möglichen Umfang der Kürzung sind nach dem Alimentationsprinzip die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beamten.

3 Gegenstand und Ziel der Untersuchung

Gegenstand der Untersuchung waren die Disziplinarverfahren gegen Landesbeamte, in denen eine vorläufige Dienstenthebung stattgefunden hat.

Es wurden die zwischen dem 01.07.1992 und dem 30.06.2000 abgeschlossenen 90 und die bis dahin eingeleiteten aber noch nicht abgeschlossenen 42 förmlichen Disziplinarverfahren ausgewertet.

Ziel der Untersuchung war es, Vorschläge für eine Novellierung des Disziplinarrechts und Verbesserungsvorschläge für die Durchführung von Disziplinarverfahren auf der Grundlage der geltenden LDO zu erarbeiten, um

  • eine Verkürzung der Zeitdauer von Disziplinarverfahren zu erreichen,
  • Verfahrensabschnitte und Verfahrensschritte der verschiedenen Verfahrensträger zusammenzuführen und zu verringern,
  • die Durchführung von (förmlichen) Disziplinarverfahren mit vorläufiger Dienstenthebung wirtschaftlicher und sparsamer zu gestalten.

4 Ergebnis der Untersuchung

Disziplinarverfahren dauern oft sehr lange. Sowohl bei den abgeschlossenen Verfahren als auch bei den noch laufenden Verfahren wurden, trotz des in der LDO normierten Beschleunigungsgebots, Zeiten von bis zu 9 Jahren erreicht.

4.1 Dauer der Disziplinarverfahren

Die jeweiligen Verfahrensdauern sind in den Übersichten 1 und 2 dargestellt:

4.1.1 Abgeschlossene Verfahren

Rund die Hälfte der abgeschlossenen Disziplinarverfahren dauerte mithin länger als 3 Jahre. 18 Verfahren dauerten sogar länger als 5 Jahre, 3 Verfahren länger als 7 Jahre. Im Durchschnitt dauerten die Verfahren 3 Jahre 3 Monate.

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4.1.2 Laufende Verfahren

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Auch bei den laufenden Disziplinarverfahren dauert schon rd. ein Drittel der Verfahren länger als 3 Jahre. 5 Verfahren dauern schon länger als 5 Jahre, 3 länger als 7 Jahre.

4.2 Dauer der vorläufigen Dienstenthebungen

Die Zeitdauer der vorläufigen Dienstenthebung wird sehr stark durch die lange Verfahrensdauer beeinflusst. Durch die Fortzahlung von Besoldungsbezügen während der vorläufigen Dienstenthebung werden erhebliche Ausgaben verursacht.

Die vorläufig des Dienstes enthobenen Beamten haben im Untersuchungszeitraum insgesamt rd. 17,3 Mio. DM Besoldungsbezüge erhalten. Das Land hat somit allein bei den untersuchten Fällen im Zeitraum von 8 Jahren jeden Monat rd. 175 000 DM Besoldungsbezüge an Bedienstete gezahlt, die wegen vorläufiger Dienstenthebung keine Dienstleistungen erbracht haben.

4.2.1 Abgeschlossene Verfahren

In der Übersicht 3 sind die 90 abgeschlossenen Verfahren mit vorläufiger Dienstenthebung nach ihrer Dauer sortiert:

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In 30 Fällen (33,3 %) dauerte die vorläufige Dienstenthebung länger als 3 Jahre. 8 Verfahren dauerten länger als 5 Jahre. Im Durchschnitt dauerten die vorläufigen Dienstenthebungen 2 Jahre 5 Monate.

4.2.2 Laufende Verfahren

In der Übersicht 4 sind die Zeiten der vorläufigen Dienstenthebungen bei den noch laufenden Verfahren dargestellt:

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Bei 7 (16,7 %) der 42 laufenden Verfahren dauern die vorläufigen Dienstenthebungen bereits länger als 3 Jahre, bei 3 hiervon bereits länger als 7 Jahre.

4.3 Einbehaltung von Besoldungsbezügen

Bei der Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse bestehen bei den verschiedenen Dienststellen unterschiedliche Vorgehensweisen. Einige Dienststellen erheben und beurteilen die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beamten mittels Vordrucken genau und sorgfältig. Sie haben aus diesen Erkenntnissen den ihrer Ansicht nach zulässigen Einbehalt ermittelt.

In den Übersichten 5 und 6 ist dargestellt, in welcher Höhe Besoldungsbezüge einbehalten wurden.

4.3.1 Abgeschlossene Verfahren

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Bei 42 (46,7 %) der 90 abgeschlossenen Fälle wurden die Besoldungsbezüge lediglich um bis zu 20 % gekürzt. Nur in 21 Fällen wurde der maximale Einbehalt von 50 % angeordnet.

4.3.2 Laufende Verfahren

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Bei den laufenden Verfahren wurden in 24 (57,1 %) Fällen die Besoldungsbezüge nur um bis zu 20 % gekürzt. Lediglich in 8 der 42 Fälle wurden die Bezüge bis zu 50 % einbehalten.

5 Ursachen für die lange Dauer der Disziplinarverfahren

Die Gesamtdauer der Disziplinarverfahren wird sowohl durch das von der geltenden LDO vorgeschriebene aufwändige Verfahren als auch durch Verfahrensverzögerungen in den einzelnen Verfahrensabschnitten bestimmt.

5.1 Verzögerungen durch doppelten Ermittlungsaufwand

Bedingt durch die geltende Rechtslage mussten in einigen Fällen Beweisaufnahmen aus Vorermittlungen im späteren förmlichen Untersuchungsverfahren nochmals durchgeführt werden. Dieser doppelte Ermittlungsaufwand ist sehr personalintensiv und wirkt sich in erheblichem Umfang auf die Verfahrensdauer aus. Zudem führen die zusätzlichen Vernehmungen zu starken psychischen Belastungen der Zeugen (z. B. Schüler).

5.2 Verzögerungen infolge Aussetzung des Disziplinarverfahrens

Disziplinarverfahren sind nach § 18 LDO auszusetzen, sobald gegen den Beamten Anklage im Strafverfahren erhoben worden ist. Der Gesetzgeber sieht den Zweck der Aussetzung darin, widersprüchliche Entscheidungen im Strafverfahren und Disziplinarverfahren zu vermeiden.

In 103 (78 %) der 132 untersuchten Vorgänge (73 abgeschlossene Fälle/30 laufende Fälle) wurden die Disziplinarverfahren bis zum Abschluss anhängiger Strafverfahren ausgesetzt.

Die Aussetzung dauerte in 36 (49 %) der 73 abgeschlossenen Fälle und in 19 (63 %) der 30 laufenden Fälle länger als 1 Jahr.

Ursache für die lange Zeit der Aussetzung waren die Erhebung umfangreicher Beweise, die Ausschöpfung sämtlicher Rechtsschutzmöglichkeiten durch die Betroffenen sowie die Überlastung der Gerichte.

In einem Fall war das Disziplinarverfahren über 5½ Jahre ausgesetzt. Der Beamte schöpfte die zur Verfügung stehenden Rechtsmittel in zeitaufwändigen Verfahren bei den Strafgerichten aus. Er erhielt in dieser Zeit rd. 414 000 DM Besoldungsbezüge ohne Erbringung einer Dienstleistung.

Disziplinarverfahren können auch ausgesetzt werden, wenn in einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren über eine Frage zu entscheiden ist, deren Beurteilung für die Entscheidung im Disziplinarverfahren von wesentlicher Bedeutung ist.

Auf dieser Grundlage wurden einige Disziplinarverfahren für sog. Eilverfahren über die Aufrechterhaltung der vorläufigen Dienstenthebung oder des Einbehalts von Besoldungsbezügen in Einzelfällen über 1 Jahr ausgesetzt. Es zeigte sich aber, dass es zur Verfahrensbeschleunigung sachdienlich gewesen wäre, die förmliche Untersuchung parallel fortzusetzen.

5.3 Verzögerungen durch Untersuchungsführer

In vielen Fällen konnten die zur Durchführung von förmlichen Untersuchungen benötigten Untersuchungsführer erst nach einer zeitraubenden und schwierigen „Suche“ bestellt werden. In der Regel wurden sie von ihren sonstigen Dienstaufgaben nicht entlastet. Häufig haben sie die Disziplinarangelegenheiten nicht mit der gebotenen Beschleunigung wahrgenommen. Dies führte teilweise zu sehr langen Verfahrensverzögerungen.

Außerdem ist in einigen Bereichen die Praxis zu beobachten, jeweils einen der dienstjüngsten Beamten des höheren Dienstes mit der Durchführung der förmlichen Untersuchung zu beauftragen. Dies führt wegen des notwendigen Einarbeitungsaufwandes und der fehlenden Erfahrungen im Disziplinarrecht zu Verzögerungen bei der Erledigung des Untersuchungsauftrags.

Bei den abgeschlossenen Fällen dauerten die förmlichen Untersuchungen im Durchschnitt 1 Jahr 4 Monate. Bei den laufenden Verfahren dauerten 11 der 26 Untersuchungen bereits länger als 1 Jahr. In zwei Fällen dauerte die Untersuchung bis zu 6 Jahren.

In einem Fall wurde das insgesamt 6 Jahre 10 Monate dauernde Verfahren eingestellt, da der Untersuchungsbericht nach 5 Jahren 7 Monate noch nicht erstellt worden war. Die Einstellung des Verfahrens erging mit dem Hinweis: „Da jedoch seit dem Urteil des Amtsgerichts 6 Jahre vergangen und Sie seit 2 Jahren im Ruhestand sind, erscheint eine Disziplinarmaßnahme nicht mehr angebracht!“ Während des Disziplinarverfahrens war der Beamte 2 Jahre vorläufig des Dienstes enthoben und erhielt rd. 138 000 DM ohne Erbringung einer Dienstleistung.

5.4 Verzögerungen bei der Erstellung der Anschuldigungsschrift

Zwischen der Bestellung zum Vertreter der Einleitungsbehörde und dem tatsächlichen Beginn der disziplinarrechtlichen Tätigkeit verging oftmals eine längere Zeit. Dies führte in einigen Fällen dazu, dass z. B. wegen Versetzung in den Ruhestand oder Dienststellenwechsel ein Nachfolger als Vertreter der Einleitungsbehörde zu bestellen war.

In 3 der 38 abgeschlossenen Verfahren und in 2 der 11 laufenden Verfahren benötigten die Vertreter der Einleitungsbehörde mehr als 1 Jahr für die Erstellung der Anschuldigungsschriften.

In einem Fall, mit einer Gesamtdauer von 7 Jahren 6 Monate, führten insbesondere die zu lange förmliche Untersuchung mit 5 Jahren 3 Monate und die Zeit für die Erstellung der Anschuldigungsschrift mit 1 Jahr 7 Monate zu erheblichen Verzögerungen des Disziplinarverfahrens. Während der vorläufigen Dienstenthebung von 5 Jahren 9 Monate zahlte das Land an den Beamten Besoldungsbezüge in Höhe von rd. 350 000 DM.

5.5 Verfahrensdauer bei den Disziplinargerichten

Die 38 abgeschlossenen Verfahren bei den Verwaltungsgerichten dauerten im Durchschnitt 13 Monate; 18 Verfahren dauerten länger als 1 Jahr. Die 22 Verfahren beim VGH dauerten im Durchschnitt 6 Monate.

5.6 Gesamtdauer eines Verfahrens

Die einzelnen Verfahrensabschnitte können im Einzelfall zu einer sehr langen Gesamtdauer des Disziplinarverfahrens führen. Die längste Gesamtzeit betrug 8½ Jahre. Für die förmliche Untersuchung wurde 1 Jahr 7 Monate benötigt, für die Anschuldigungsschrift nochmals 1 Jahr 2 Monate. Die Dienststelle wartete die gerichtliche Entscheidung über die vorläufige Dienstenthebung und den Einbehalt von Teilen der Besoldungsbezüge ab; hierdurch verging über 1 Jahr, ohne dass die Untersuchung fortgesetzt wurde. Die Verfahrensdauer beim Verwaltungsgericht betrug 3 Jahre und 8 Monate. Während der Zeit der vorläufigen Dienstenthebung erhielt der Beamte unter Berücksichtigung eines Einbehalts von 10 % bisher rd. 643 000 DM Besoldungsbezüge.

6 Ergebnis und Vorschläge des Rechnungshofs

Die lange Gesamtdauer der Disziplinarverfahren findet ihre Ursache zum einen in den geltenden Regeln der LDO, die ein aufwändiges Verfahren mit mehreren inhaltlich teilweise redundanten Verfahrensabschnitten vorsieht, und zum anderen in praktischen Mängeln bei deren Anwendung.

Als Ergebnis seiner Untersuchung hält der RH eine alsbaldige Novellierung der LDO für erforderlich. Vor allem durch eine Zusammenfassung der verschiedenen Verfahrensabschnitte, die Erweiterung der Disziplinargewalt der Dienstvorgesetzten mit einer Reduzierung der Verfahrensaussetzungen könnten erhebliche Beschleunigungseffekte erzielt werden. Für die Zeit, in der die LDO in ihrer bisherigen Fassung fortgilt, schlägt der RH verschiedene Maßnahmen vor, die der Beschleunigung der Disziplinarpraxis dienen sollen.

Der Bund und einige Bundesländer haben ebenfalls konkrete Überlegungen zur Reform des Disziplinarrechts angestellt. In Rheinland-Pfalz gilt bereits seit 1998 ein neues Disziplinarrecht, das verschiedene verfahrensbeschleunigende Elemente enthält.

Der Bundestag hat im März 2001 ein Gesetz zur Neuregelung des Bundesdisziplinarrechts mit einer ähnlichen Zielsetzung beschlossen.

6.1 Änderungen des Landesrechts

Die neue LDO sollte gegenüber dem geltenden Recht folgende Verbesserungen aufweisen:

6.1.1 Einführung eines zweistufigen Disziplinarverfahrens

Das neue Disziplinarverfahren soll sich nur noch in das behördliche und das gerichtliche Verfahren gliedern.

Im behördlichen Disziplinarverfahren wird der Sachverhalt vom Dienstvorgesetzten oder einem von ihm beauftragten Ermittlungsführer ermittelt. Anschließend entscheidet der Dienstvorgesetzte, ob das Disziplinarverfahren eingestellt wird, eine Disziplinarverfügung ergeht oder ob Klage vor der Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts erhoben wird.

Das gerichtliche Disziplinarverfahren dient der Entscheidung über die Verhängung von Disziplinarmaßnahmen, die dem Gericht vorbehalten sind.

Die Trennung zwischen nichtförmlichem und förmlichem Disziplinarverfahren wird aufgehoben. Die im geltenden Recht für förmliche Verfahren obligatorisch vorgesehene Untersuchung des Sachverhalts durch einen Untersuchungsführer wird abgeschafft.

6.1.2 Erweiterung der Disziplinargewalt des Dienstvorgesetzten

Das zeitaufwändige gerichtliche Disziplinarverfahren sollte auf jene Fälle beschränkt werden, in denen eine Ahndung durch eine Disziplinarverfügung aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht in Betracht kommt. In allen anderen Fällen ist eine Ahndung durch Disziplinarverfügung vorzusehen.

6.1.3 Aussetzung des Disziplinarverfahrens

In den Fällen, in denen der Beamte vorläufig des Dienstes enthoben ist, sollte das Disziplinarverfahren in Zukunft nur noch in vom Gesetz positiv bestimmten Fallgruppen wegen eines parallel laufenden Verfahrens, insbesondere eines Strafverfahrens, ausgesetzt werden können.

Eine Aussetzung würde danach nur dann stattfinden, wenn

  • in dem Strafverfahren eine Verurteilung zu erwarten ist, die den Verlust der Beamtenrechte zur Folge hat (und ein Disziplinarverfahren dadurch gegenstandslos macht),
  • in dem Strafverfahren tatsächliche Erkenntnisse über das Dienstvergehen des Beamten zu erwarten sind, die im Disziplinarverfahren nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand gewonnen werden könnten,
  • durch die parallele Durchführung eines Strafverfahrens und eines Disziplinarverfahrens eine unvertretbare Belastung für Zeugen, insbesondere die Opfer der Straftat, verursacht würde,
  • die Entscheidung in dem Disziplinarverfahren ganz oder z. T. von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist.

Der Dienstvorgesetzte muss regelmäßig überprüfen, ob die Voraussetzungen der Aussetzung noch vorliegen; ggf. muss er das ausgesetzte Disziplinarverfahren fortsetzen.

6.1.4 Konkretisierung des Beschleunigungsgebots

Das für alle Disziplinarverfahren geltende Beschleunigungsgebot soll im neuen Disziplinarrecht durch konkrete Bearbeitungsfristen präzisiert, Verstöße gegen diese Fristen sollen sanktioniert werden.

Die neue Regelung soll vorsehen, dass Disziplinarverfahren innerhalb von sechs Monaten nach Einleitung mit einer Einstellungsverfügung, einer Disziplinarverfügung oder der Erhebung der Disziplinarklage abzuschließen sind. Nach Ablauf der Sechs-Monats-Frist ist der Erlass einer Disziplinarverfügung ausgeschlossen.

Der Ablauf der Sechs-Monats-Frist wird durch eine gesetzlich vorgesehene Aussetzung des Disziplinarverfahrens gehemmt. In tatsächlich oder rechtlich schwierig gelagerten Fällen kann die oberste Dienstbehörde die Sechs-Monats-Frist angemessen verlängern.

6.1.5 Qualifikation des Ermittlungsführers

Das neue Disziplinarrecht soll vorsehen, dass der Dienstvorgesetzte, der die Ermittlungen im behördlichen Disziplinarverfahren nicht selbst führt, einen in Disziplinarsachen erfahrenen Beamten mit der Durchführung der Ermittlungen beauftragen soll. Mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde kann er einen bei einer anderen Behörde desselben Geschäftsbereichs tätigen Beamten als Ermittlungsführer einsetzen.

6.1.6 Möglichkeit der einvernehmlichen Beendigung des Disziplinarverfahrens

Das neue Disziplinarrecht könnte neben den bisherigen Möglichkeiten der Beendigung des Disziplinarverfahrens die gesetzlichen Möglichkeiten vorsehen,

  • einem Beamten, der nach Einleitung des Disziplinarverfahrens auf seinen Antrag aus dem Beamtenverhältnis entlassen wird, einen Unterhaltsbeitrag zu gewähren,
  • das Disziplinarverfahren durch eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung zwischen dem Dienstherrn und dem Beamten zu beenden.

Zuständig für die Gewährung des Unterhaltsbeitrags und den Abschluss der öffentlich-rechtlichen Vereinbarung ist die oberste Dienstbehörde.

Dadurch wird die Möglichkeit geschaffen, das zeitaufwändige und kostspielige Disziplinarverfahren, insbesondere die Inanspruchnahme der Verwaltungsgerichte, durch eine einvernehmliche Regelung zu vermeiden.

Eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung kann neben den Disziplinarmaßnahmen, die durch Disziplinarverfügung verhängt werden können, auch den Antrag bzw. die Zustimmung des Beamten zur Entlassung aus dem Beamtenverhältnis zum Gegenstand haben. Die oberste Dienstbehörde kann sich in dieser Vereinbarung verpflichten, für die Zeit nach der Beendigung des Beamtenverhältnisses einen Unterhaltsbeitrag an den Beamten zu leisten. Die Höhe dieses Unterhaltsbeitrags darf einen Jahresbetrag der ungekürzten Besoldungsbezüge, die dem Beamten in seinem letzten Amt zustanden, nicht überschreiten. Die Vereinbarung kann vorsehen, dass der Unterhaltsbeitrag in einer Summe unmittelbar nach der Beendigung des Beamtenverhältnisses ausgezahlt wird.

6.1.7 Einbehalt von Besoldungsbezügen

In der Novelle der LDO sollte nach Auffassung des RH bestimmt werden, dass bei der vorläufigen Dienstenthebung in der Regel ein Einbehalt in Höhe von 50 % vorzusehen ist. Abweichende Regelungen mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beamten sind in das pflichtgemäße Ermessen der Dienstvorgesetzten des Beamten zu stellen.

6.2 Änderungen der gegenwärtigen Praxis

Der RH schlägt für die Zeit, in der die geltende LDO noch in Kraft ist, folgende Verbesserungen bei der Durchführung der Disziplinarverfahren vor:

6.2.1 Beschleunigung der Strafverfahren

Die Staatsanwaltschaften sollen angewiesen werden, Strafverfahren, die eine Straftat zum Gegenstand haben, die zugleich ein Dienstvergehen des beschuldigten Beamten ist, beschleunigt zu behandeln. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen wegen dieses Dienstvergehens eine vorläufige Dienstenthebung des Beamten erfolgt ist.

6.2.2 Beschleunigung der Verfahren bei Disziplinargerichten

Die Disziplinarkammern bei den Verwaltungsgerichten sollten in den Geschäftsverteilungsplänen der Verwaltungsgerichte mit einer so ausreichenden Zahl von Berichterstattern besetzt werden, dass eine zeitnahe Verhandlung und Entscheidung über Disziplinarklagen möglich ist.

6.2.3 Beschleunigung der Vorermittlungen

Die Vorermittlungen sind auf das unabdingbare Mindestmaß zu beschränken. Das Disziplinarverfahren ist einzuleiten, sobald der Verdacht eines Dienstvergehens ausreichend konkretisiert ist.

6.2.4 Aussetzung des Disziplinarverfahrens

Es ist durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Disziplinarverfahren unverzüglich fortgesetzt werden, sobald die Voraussetzungen der Aussetzung entfallen sind.

Von einer Aussetzung des Verfahrens bei einer gerichtlichen Überprüfung der vorläufigen Dienstenthebung oder der Einbehaltung der Besoldungsbezüge ist abzusehen. Das Disziplinarverfahren ist in diesem Fall unter Verwendung einer Zweitfertigung der Akten parallel fortzusetzen.

6.2.5 Auswahl und Bestellung des Untersuchungsführers

Soweit im Rahmen eines Disziplinarverfahrens ein Untersuchungsführer zu bestellen ist, soll in der Regel ein Beamter bestellt werden, der über ausreichende Kenntnisse und Erfahrungen im Disziplinarrecht verfügt. Die bisherige Praxis, jeweils einen der dienstjüngsten Juristen der Behörde zum Untersuchungsführer zu bestellen, führt zu vermeidbaren Verzögerungen bei der Erledigung der Disziplinarverfahren.

Behörden, die häufiger Disziplinarverfahren zu betreiben haben, sollten durch geeignete Personalentwicklungsmaßnahmen dafür sorgen, dass eine ausreichende Zahl hinreichend qualifizierter Beamter als Untersuchungsführer zur Verfügung steht.

Die Tätigkeit als Untersuchungsführer muss Vorrang gegenüber anderen Dienstaufgaben des Untersuchungsführers haben.

Dieselben Grundsätze gelten für die Tätigkeit des Vertreters der Einleitungsbehörde.

6.2.6 Vorgehen beim Einbehalt von Bezügen

Bei der Einbehaltung von Besoldungsbezügen sollten die wirtschaftlichen Verhältnisse vorläufig vom Dienst enthobener Beamte mittels eines einheitlichen Vordrucks systematisch und gründlich erhoben und beurteilt werden.

7 Stellungnahmen der Ministerien und Schlussbemerkung

Das IM und das JuM unterstützen in ihren Stellungnahmen das vom RH angestrebte Ziel, durch rechtliche und organisatorische Änderungen die Disziplinarverfahren insgesamt und besonders die Disziplinarverfahren mit vorläufiger Dienstenthebung zu beschleunigen.

Das IM führt aus, dass es schon seit längerem die Absicht habe, dem Landtag den Entwurf einer Neufassung der Landesdisziplinarordnung vorzulegen. Insbesondere habe man die Absicht, nach dem Vorbild des Bundes ein zweistufiges Disziplinarverfahren einzuführen und die Disziplinarbefugnisse des Dienstvorgesetzten zu erweitern. Die Vorschläge des RH zur Neufassung der LDO werde man in die anstehenden Überlegungen zur Novellierung der LDO einbeziehen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Vorschlägen werde erst im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens erfolgen können.

Das IM weist im Einvernehmen mit KM, MWK und JuM in seiner Stellungnahme darauf hin, dass sich die in die Prüfung einbezogenen 132 Disziplinarverfahren auf einen Zeitraum von 8 Jahren und eine Gesamtzahl von 113 000 Beamtenstellen in den betroffenen Ressorts beziehen. Die Weiterzahlung von Dienstbezügen im Falle einer vorläufigen Dienstenthebung resultiere aus der Alimentationspflicht des Dienstherrn und finde in der privaten Wirtschaft ihre Entsprechung in Gehaltsfortzahlungen und Abfindungen. Das IM verweist auf die rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten im Einzelfall, die bei der Beurteilung der Länge der Verfahrensdauer nicht außer Acht gelassen werden dürften. Wesentlich ursächlich für diese lange Verfahrensdauer seien die aus heutiger Sicht wenig praktikablen Regelungen der geltenden LDO.

Die Vorschläge des RH für die Zeit der Weitergeltung der jetzigen LDO seien grundsätzlich geeignet, die Verfahren zu beschleunigen und teilweise bereits umgesetzt. Ob eine Verkürzung der Disziplinarverfahren zu erreichen sei, hänge jedoch ganz entscheidend auch von der jeweiligen Arbeitsbelastung der damit befassten Beamten und Richter ab. Eine tatsächliche Entlastung der ermittelnden Beamten in deren Hauptamt werde sich infolge Personalabbaus bei gleichzeitiger Aufgabenintensivierung nicht oder nur sehr begrenzt realisieren lassen.

Gerade deshalb hält der RH die Novellierung der LDO für erforderlich.