Wirtschaftlichkeitsanalyse von ÖPP-Projekten der ersten und zweiten Generation bei Hochbaumaßnahmen des Landes
16.03.2009
- Das Grundkonzept der neuen ÖPP-Projekte (sogenannte zweite Generation), nämlich Bau, Finanzierung und Betrieb eines Gebäudes aus einer Hand anzubieten, lässt für zusätzliche Effizienzgewinne Raum, weil Planung und Bauausführung von vornherein optimal auf einen wirtschaftlicheren Gebäudebetrieb abgestimmt werden können. Dem stehen allerdings komplexe und aufgrund der langen Vertragslaufzeiten mit vielen Annahmen behaftete Ausschreibungs-, Vergabe- und Bauprozesse mit zusätzlichen Transaktionskosten und Kostenrisiken gegenüber. Der Rechnungshof erwartet nicht, dass sich auf Dauer so hohe Effizienzrenditen erzielen lassen, wie sie von bisher realisierten kommunalen ÖPP-Projekten und aus anderen Bundesländern berichtet werden. Dabei wird immer entscheidend sein, wie wirtschaftlich die Eigenbesorgung betrieben wird.
- Die Staatliche Vermögens- und Hochbauverwaltung hat bislang zwei ÖPP-Projekte der zweiten Generation realisiert, die im Rahmen dieser Untersuchung geprüft wurden. Es handelt sich dabei um das Behördenzentrum Kurfürstenanlage Heidelberg und die Berufsakademie Heidenheim. Im Fall des Behördenzentrums ergibt sich nach den Wirtschaftlichkeitsberechnungen des Rechnungshofs eine rechnerische Effizienzrendite (Barwertvorteil) der ÖPP-Variante gegenüber der Eigenrealisierung von 9,66 % bei einer Laufzeit von 20 Jahren inklusive Risikokosten (4,53 % ohne Risikokosten). Dieser Wirtschaftlichkeitsvorteil ist nach Ansicht des Rechnungshofs insbesondere darauf zurückzuführen, dass der Investor auf dem Behördenareal nach Änderung des Planungsrechts durch Abriss des Gebäudebestandes eine höhere Baumasse realisieren konnte. Sein ÖPP-Angebot konnte er dadurch wirtschaftlicher gestalten (siehe Pkt. 3.1). Dagegen ergibt sich bei der Berufsakademie Heidenheim ein geringer Wirtschaftlichkeitsvorteil zugunsten der Eigenrealisierung von 0,54 % bei einer Laufzeit von 20 Jahren inklusive Risikokosten (1,78 % ohne Risikokosten). Die Eigenbewirtschaftung der Berufsakademie durch das Land wäre im Vergleich zum Privaten dabei um anfänglich 10 % günstiger. Das Projekt wurde dennoch in der ÖPP-Variante beauftragt (siehe Pkt. 3.2).
- Die Staatliche Vermögens- und Hochbauverwaltung hat mit der Abwicklung zahlreicher Investorenmaßnahmen der ersten Generation umfangreiche Kenntnis bei der Projektabwicklung und Vertragsgestaltung gewonnen. Sie kann derartige Projekte ohne externe Unterstützung mit eigenen Personalressourcen abwickeln. Dagegen stellt die Komplexität der Ausschreibung, Vergabe und Vertragsgestaltung von ÖPP-Projekten der zweiten Generation besonders hohe Ansprüche. Dies führt zu deutlich mehr eigenem Personalaufwand und erfordert darüber hinaus häufig externe Beraterleistungen, die als zusätzliche Transaktionskosten die ÖPP-Variante verteuern.
- Die A-B-C-Ausschreibung hat sich bei ÖPP-Projekten der ersten Generation (sogenannte Investorenmaßnahmen) nach bisheriger Vergabepraxis bewährt. Mit diesem Verfahren sind Wirtschaftlichkeitsvergleiche zwischen den unter Wettbewerbsbedingungen ermittelten Ausschreibungsergebnissen für die Eigenbau- und Investorenvariante anhand aktueller Marktpreise möglich. Nach den Wirtschaftlichkeitsberechnungen des Rechnungshofs sind bei den hier untersuchten ÖPP-Projekten der ersten Generation Abweichungen zwischen den Realisierungsvarianten im Umfang von 0,84 % bis 3,40 % festzustellen (siehe Pkt. 3.3 bis Pkt. 3.6). Der Rechnungshof empfiehlt, bei geeigneten Investorenmodellen auch weiterhin auf die bewährten Konzepte der ersten Generation mit A-B-C- bzw. A-C-Ausschreibung zurückzugreifen und Wirtschaftlichkeitsvergleiche auf Basis verbindlicher Wettbewerbspreise vorzunehmen.
- Demgegenüber sind Wirtschaftlichkeitsvergleiche zwischen konventionellen Eigenbaumaßnahmen, die auf Grundlage geschätzter Gesamtbaukosten nach den Richtlinien für die Baukostenplanung (RBK) ermittelt werden, für einen präzisen Wirtschaftlichkeitsvergleich mit Investorenangeboten nicht sachgerecht, da Kostenschätzungen und konkrete Angebotspreise nicht miteinander vergleichbar sind. Diese Kostenschätzungen, die auf zum Teil mehrere Jahre zurückliegenden Erfahrungswerten aufbauen, liegen bei den untersuchten Maßnahmen zwischen 10 % und 39 % über den erzielten Ausschreibungsergebnissen (siehe Pkt. 4.2).
- Nach dem Leitfaden zu „Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen bei PPP-Projekten“ soll der Wirtschaftlichkeitsnachweis bei ÖPP-Projekten der zweiten Generation auf der Grundlage eines hypothetischen Vergleichs des wirtschaftlichsten Investorenangebotes mit dem Public Sector Comparator (PSC), dem errechneten Vergleichswert für die konventionelle Eigenbaumaßnahme, geführt werden. Ein solcher Nachweis geht damit ebenfalls von einer Kostenschätzung aus, die von aktuellen Marktpreisen abweichen und zur „Manipulation“ zugunsten der einen oder anderen Beschaffungsvariante verwendet werden kann. Eine kritische Betrachtung der in einem Wirtschaftlichkeitsvergleich gegenüber gestellten Zahlen und den zugrunde gelegten Standards und Qualitäten ist daher geboten.
- Bei den Investorenmaßnahmen der ersten Generation wurden die Risiken in der Regel auf Auftraggeber und private Investoren verteilt, ohne dass diese wesentliche Auswirkung auf die Kalkulation deren Angebote hatte. Demgegenüber werden bei ÖPP-Projekten der zweiten Generation die Risiken als kalkulatorische Kosten in den Wirtschaftlichkeitsvergleich eingestellt. Diese können die Wirtschaftlichkeitsberechnung maßgeblich zugunsten der ÖPP-Variante beeinflussen. Häufig unbeachtet bleibt dabei, dass es sich bei der Eigenbau-Variante um kalkulatorische (geschätzte) Kosten handelt, die nur im Falle des Risikoeintritts zu Ausgaben führen, während bei der ÖPP-Variante die Risikokosten sofort und in vollem Umfang zu Ausgaben führen. Der Rechnungshof empfiehlt, die Risiken genau abzuwägen und diese zwischen dem staatlichen und dem privaten Partner angemessen zu verteilen, damit die Gesamtkosten nicht durch die Risikokalkulation aufgebläht werden. Auch sollte die Wirtschaftlichkeitsvergleichsrechnung sowohl mit als auch ohne Risiko-Zuschläge erstellt werden, um deren Auswirkungen deutlich zu machen.
- Der Barwertvorteil einer Variante ist für die Verwaltung derzeit die einzige Wirtschaftlichkeitskenngröße. Die tatsächliche Haushaltsbelastung (Zeitwerte) bleibt in der Regel unberücksichtigt. Dies hat zur Folge, dass teilweise erhebliche Haushaltsmehrbelastungen in Kauf genommen werden. Bei einem der untersuchten ÖPP-Projekte führt dies zu einer Haushaltsmehrbelastung von 1,2 Mio. Euro. Der Rechnungshof empfiehlt, auch die Zeitwert-Summen als Maßstab für die Sparsamkeit in das Entscheidungskalkül einzubeziehen, insbesondere dann, wenn nach der Barwertmethode kein eindeutiger Wirtschaftlichkeitsvorteil für eine der Varianten erkennbar ist. Ein erheblicher Finanzierungsvorteil in der Zeitwertbetrachtung ergibt sich bisher durch die vollständige Tilgung der durch den Investor oder Finanzier (bei Forfaitierung mit Einredeverzicht) vorfinanzierten Gesamtinvestitionsausgaben mit Vollamortisation innerhalb von 20 Jahren. Bei Eigenbauten wird bislang unterstellt, dass diese kreditfinanziert sind. Die vollständige Tilgung der Investitionsausgaben des Eigenbaus wird im Wirtschaftlichkeitsvergleich endfällig angenommen; bei anhaltender Nettoneuverschuldung erfolgt sie aber faktisch nicht.
- Zur haushaltsrechtlichen Absicherung empfiehlt der Rechnungshof, ÖPP-Projekte grundsätzlich alternativ im Haushalt zu veranschlagen. Haushaltsrechtlich ist dies durch einen Leertitel bei Kapitel 1209 (Investoren-/ÖPP-Variante) mit Deckungsvermerk zu den Ausgaben der bei Kapitel 1208 veranschlagten Eigenbaumaßnahme (Einzeltitel oder über die Baufinanz) möglich. Damit wird gewährleistet, dass das Land nicht nur deshalb ein Investoren- bzw. ÖPP-Projekt realisiert, weil es sich den konventionellen Eigenbau „nicht leisten kann oder will“. Ungeachtet der bestehenden Übersicht „Zusammenstellung der Belastungen aus Verpflichtungsermächtigungen“ im Vorheft zum Staatshaushaltsplan sollten ÖPP-Projekte gesondert in einer Übersicht aufgeführt werden, um nicht nur wie bisher in der Zukunft anfallende Erwerbspreise, sondern auch die Vorbelastungen künftiger Haushaltsjahre mit laufenden ÖPP-Raten transparent darzustellen.
Letzte Änderung dieses Artikels: 14.02.2012